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Libysches Atomprogramm in „frühem Stadium"

Bei Kontrollen ist die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) nach Angaben von Generaldirektor ElBaradei auf ein Kernwaffenprogramm „im Anfangsstadium" gestoßen.

„Libyen war noch Jahre davon entfernt, Atomwaffen bauen zu können”, erklärte ElBaradei am Montag in Tripolis. Die Ausrüstung dazu sei von mehreren Ländern geliefert worden.

Libyen habe sich sehr offen und kooperativ gezeigt, sagte ElBaradei vor Journalisten. Die Regierung habe angekündigt, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Der zur UNO gehörenden IAEO wären damit kurzfristig angemeldete und weit reichende Kontrollen von Atomanlagen in Libyen erlaubt. „Libyen hat sich bereit erklärt, sich ab sofort so zu verhalten, als ob dieses Protokoll bereits in Kraft wäre”, sagte ElBaradei. Er äußerte die Hoffnung, dass die Angelegenheit mit der zugesagten Kooperation Libyens schon in wenigen Monaten zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden könne.

Die vier inspizierten Anlagen waren der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt und wurden auch noch nie in den Medien erwähnt, wie ElBaradeis Sprecher Mark Gwozdecky erklärte. Der IAEO-Chef selbst erklärte, man habe dort kein angereichertes Uran gefunden und auch keine Ausrüstung zur industriellen Anreicherung von Uran für Atomwaffen. Das technische Gerät sei inzwischen abgebaut und in Kisten verpackt worden.

Woher Libyen seine Technologie für die Atomanlagen bezogen habe, werde sich leicht zurückverfolgen lassen, sagte ElBaradei weiter. Es handele sich um ein „vertrautes Design”. Hinter den Lieferungen stecke offenbar ein ausgeklügeltes globales Netzwerk, ohne dass die Regierungen der betroffenen Länder notwendigerweise darüber informiert gewesen seien.

Die IAEO werde weiter versuchen, mehr über die Mittelsmänner herauszufinden, die Libyen bei der Beschaffung der Ausrüstung geholfen hatten. Die Tatsache, dass es Libyen gelungen war, sich trotz der UNO-Sanktionen in den Besitz von Technologie zur Uran-Anreicherung zu bringen, sei der Beweis dafür, dass Exportkontrollen nicht funktionierten, sagte ElBaradei.

Vor seiner Rückkehr nach Wien traf ElBaradei mit dem libyschen Ministerpräsidenten Shokri Ghanem und dem Leiter des Nuklearprogramms, Vizeregierungschef Matuk Mohammed Matuk, zusammen. Dabei wurde der Zeitplan für weitere Inspektionen besprochen. Vorerst sollen sechs Experten des ersten Inspektionsteams noch bis Donnerstag in Libyen bleiben.

ElBaradei sagte, die Entscheidung Libyens, sein Waffenprogramm offen zu legen, werde belohnt. Von einer friedlichen Nutzung der Atomenergie könne das Land dank “äußerst kompetenter Experten” sehr profitieren. Es gebe nun Gespräche darüber, die Beziehungen des Landes mit den USA und Europa zu normalisieren. Andere Länder sollten sich Libyen zum Vorbild nehmen, sagte der IAEO-Chef offenbar in Hinblick auf Nordkorea.

Während ElBaradei am Montag an den Sitz der IAEO in Wien zurückkehrte, setzten die Inspektoren ihre Arbeit in Libyen fort. Andere Einrichtungen der UNO planen, demnächst Mitarbeiter zu entsenden, die mögliche Depots von chemischen und biologischen Waffen untersuchen sollen.

Libyen hatte sich nach Geheimverhandlungen mit den USA und Großbritannien kurz vor Weihnachten überraschend bereit erklärt, auf seine Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu verzichten und sich internationalen Inspektionen zu öffnen. In diesem Sinne soll auch das Zusatzabkommen unterzeichnet werden, das den IAEO-Inspektoren weit gehende Kontrollrechte bis hin zu unangemeldeten Überprüfungen einräumt.

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