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Libyen: "Neues Kapitel" in den Beziehungen

Zum Abschluss seines zweitägigen Staatsbesuches in Libyen hat der französische Staatspräsident Jacques Chirac ein „neues Kapitel“ in den Beziehungen beider Länder angekündigt.

Chirac betonte am Donnerstag, die libysche Regierung habe ihre Bereitschaft unter Beweis gestellt, die schmerzhafte Vergangenheit hinter sich zu lassen. Chirac rief die französische Wirtschaft auf, eine aktive Rolle in diesem „vielversprechenden Markt“ zu spielen. Am Rande eines Treffens mit Staatschef Muammar el Gaddafi wurden fünf Abkommen unterzeichnet, darunter zwei mit den Rüstungskonzernen Thales und EADS sowie eine Vereinbarung zur Förderung des Tourismus.

Der französische Präsident kündigte ferner den Bau einer neuen französischen Botschaft in Tripolis an. Chirac war der erste französische Präsident, der Libyen seit dessen Unabhängigkeit im Jahr 1951 besuchte. Begleitet wurde er von mehr als zwei Dutzend Wirtschaftsvertretern, darunter Manager des Rüstungskonzerns Dassault Aviation, des Ölkonzerns Total und des Gasversorgers Gaz de France. Libyen exportiert jährlich Erdöl im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro nach Frankreich.

Chirac stellte dem libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi überraschenderweise ein ziviles Atomprogramm in Aussicht. Solange Tripolis die UN-Normen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) einhalte, sei Frankreich zu „Technologie-Transfers“ bereit, um die von Gaddafi gewünschte „friedliche Nutzung“ der Atomenergie voranzutreiben, sagte Präsidentensprecher Jerome Bonnafont am Mittwochabend in Tripolis. Gaddafi hatte zuvor erklärt, er sei „ein bisschen enttäuscht“, für Libyens Verzicht auf Atomwaffen keine „Entschädigung“ erhalten zu haben.

Nach „turbulenten Jahrzehnten“ strebe er einen engen Dialog und eine „wahre Partnerschaft“ mit Libyen an, sagte Chirac nach dem Treffen mit Gaddafi. Frankreich erkenne die libysche Abkehr von Massenvernichtungswaffen an und sei bereit, seine Beziehungen zu dem Land wiederaufzunehmen und sein wirtschaftliches Engagement in Libyen auszubauen.

Gaddafi äußerte sich aus Anlass des Chirac-Besuches kritisch über die Nahost-Politik. Er halte eine Beschäftigung mit den Problemen im Nahen Osten für Zeitverschwendung: „Wir versuchen, Afrika und Europa auf Distanz zu den Problemen des Nahen Osten zu halten, denn diese sind nichts als Zeitverschwendung“, sagte er kurz vor Chiracs Abreise in Tripolis.

Vor sechs Wochen hatte sich bereits der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit Gaddafi getroffen, im Laufe des zweiten Halbjahres auch der italienische Regierungschef Silvio Berlusoni und der britische Premier Tony Blair. Die Beziehungen der EU-Staaten zu Libyen waren lange gestört gewesen, weil sich Gaddafi weigerte, die Verantwortung für eine Serie von Anschlägen zu übernehmen, dem Terror abzuschwören und Entschädigungen zu zahlen. Libyen sei aber für seinen „Beitrag zum Weltfrieden nicht wirklich entschädigt worden“, hatte Gaddafi dem Pariser „Figaro“ vom Mittwoch gesagt. „Wenn wir nicht entschädigt werden, werden andere Länder unserem Beispiel nicht folgen“, betonte Gaddafi unter Hinweis auf Nordkorea und den Iran.

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