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Libyen: Erdrutschsieg für Liberale in mehreren Städten

Leiter der Wahlkommission bestätigt Teilsieg für Liberale.
Leiter der Wahlkommission bestätigt Teilsieg für Liberale. ©AP
Die liberale Allianz der Nationalen Kräfte hat bei der libyschen Parlamentswahl in einigen Bezirken mit großem Abstand gesiegt.

Der Leiter der Wahlkommission, Nuri al-Abbar, sagte am Montag vor Journalisten in Tripolis, in Janzour habe die Allianz mehr als zehnmal so viele Stimmen erhalten wie die zweitplatzierte Partei der Muslimbrüder. In Slitan ließen die Liberalen die Islamisten ebenfalls weit hinter sich.

In Misrata landete dagegen ein lokales Wahlbündnis auf dem ersten Platz. Die Allianz der Nationalen Kräfte ist ein breitgefächertes Bündnis unter dem ehemaligen Übergangsregierungschef Mahmoud Jibril.

Westen begrüßt Wahlverlauf in Libyen

Die Parlamentswahlen in Libyen, mit denen ein Schlussstrich unter die über vierzigjährige Herrschaft von Muammar al-Gaddafi gezogen werden soll, sind im Westen lebhaft begrüßt worden. Ungeachtet einiger gewaltsamer Zwischenfälle soll die Wahlbeteiligung am Samstag bei knapp 60 Prozent gelegen sein. Die Wahlergebnisse sollen ab Montag veröffentlicht werden. Dass sich ein Vorsprung der liberalen gegenüber den islamistischen Kräften abzeichnen würde, nannte der Leiter der EU-Wahlbeobachter, der deutsche FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff, zum gegenwärtigen Zeitpunkt “nackte Spekulation”. Auch die Wahlbeteiligung lasse sich derzeit noch nicht seriös abschätzen, sagte Lambsdorff in einem ORF-Radiointerview im Ö1-Morgenjournal.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete die Wahl als “gut organisiert und transparent”, auch wenn es in einigen Fällen “Bedrohungen der Sicherheit” gegeben habe. Die künftige libysche Regierung forderte der Generalsekretär auf, die neue Verfassung in einem Geist von “Gerechtigkeit und Versöhnung” auszuarbeiten und alle Bevölkerungsgruppen einzubeziehen. Der regierende Nationale Übergangsrat hatte erst am Donnerstag dem neuen Parlament die Verfassunggebung entzogen und diese einem zu schaffenden Gremium übertragen. Dessen 60 Vertreter sollen zu je gleichen Teilen in den drei Regionen Cyrenaika, Tripolitanien und Fezzan gewählt werden.

Warnung vor Zerfall

Die Aufrufe zum Wahlboykott im Osten Libyens seien – abgesehen von einigen Störungsversuchen – weitgehend ignoriert worden, die Bewegung der “Föderalisten” in der Cyrenaika sei eine kleine gewaltbereite Minderheit ohne Rückhalt in der Bevölkerung, erklärte der Chef des EU-Wahlüberwacherteams im ORF. Nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes hatten Experten immer wieder gewarnt, das nach seiner Fläche viertgrößte Land Afrikas könnte angesichts der Rivalitäten zwischen den Regionen auseinanderfallen. In der Cyrenaika-Hauptstadt Benghazi, wo der Protest gegen das Gaddafi-Regime vor knapp einem Jahr begonnen hatte, stürmten Aufständische ein Wahllokal und verbrannten demonstrativ Hunderte Stimmzettel. Dort wurde ein Mann bei Zusammenstößen von Wahlgegnern und -befürwortern getötet. Auch andernorts wurden Wahlurnen entwendet und Stimmzettel geraubt. Mindestens vier Wahllokale waren betroffen. In der ebenfalls im Osten des Landes gelegenen Stadt Ajdabiya wurde ein Mann erschossen, als er Stimmzettel stehlen wollte.

Libyen als Sieger der Wahl

Der Führer des 40-Parteien-Bündnisses “Allianz der Nationalen Kräfte”, Mahmoud Jibril, hat die politischen Kräfte zur Einheit aufgerufen. “Wer immer gewinnt, Libyen ist der wahre Sieger dieser Wahl!”, sagte Jibril, ein früherer Gaddafi-Gefolgsmann, der nach Gaddafis Sturz zeitweise die Übergangsregierung geleitet hatte. Die letzten landesweiten Wahlen in Libyen hatte es unter König Idris I. gegeben, den Gaddafi 1969 entmachtete. Damals siegte die republikanisch orientierte Nationale Kongresspartei, sie wurde – wie alle anderen Parteien und Gewerkschaften auch – unter der Monarchie verboten, ihr Führer Bashir Bey Sadawi deportiert. Während Gaddafis Herrschaft waren Parteien verboten. Er lehnte die parlamentarische Demokratie als “Verfälschung des Volkswillens” ab und proklamierten die “Volksherrschaft” der “Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Jamahiriya”. Im vergangenen August wurde Gaddafi gestürzt, zwei Monate später, am 20. Oktober 2011, wurde er auf der Flucht unter ungeklärten Umständen in seiner Heimatstadt Sirte getötet.

(APA)

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