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Libanon: Regierungswechsel erzwingen

In Libanons Hauptstadt Beirut hat am Freitag die Massenkundgebung begonnen, mit der die Opposition den Rücktritt der Regierung von Premier Siniora erzwingen will.

Der Machtkampf im Libanon hat am Freitag einen neuen Höhepunkt erreicht. Zehntausende Gegner der Regierung des pro-westlichen Ministerpräsidenten Fouad Siniora versammelten sich im Zentrum der Hauptstadt Beirut, um mit einem unbefristeten Sitzstreik den Rücktritt des Rumpfkabinetts zu erzwingen, aus dem alle schiitischen Minister ausgeschieden waren. Siniora, dessen antisyrische multikonfessionelle Koalition im Parlament die Mehrheit stellt, zeigte sich unbeeindruckt von den Forderungen der Syrien-freundlichen Kräfte und ließ scharfe Sicherheitsvorkehrungen treffen. Soldaten gingen vor Regierungsgebäuden in Stellung und sicherten sie mit Stacheldraht und Absperrgittern.

Zu den Massenprotesten aufgerufen haben die beiden schiitischen Parteien Hisbollah und Amal sowie die oppositionelle christliche „Freie Patriotische Bewegung“ (CPL) von Ex-Armeechef General Michel Aoun. Der Chef der zur antisyrischen Mehrheit gehörenden Sozialistischen Fortschrittspartei, Drusenführer Walid Joumblatt, hat vor der „Gefahr eines Putschversuchs“ gewarnt. Zugleich hat er das libanesische Volk zum entschlossenen Widerstand gegen die „Wiederherstellung der syrischen Vormundschaft“ aufgerufen, die durch die vorjährige „Zedernrevolution“ abgeschüttelt worden sei. Joumblatt war mit Ségolène Royal, der Präsidentschaftskandidatin der französischen Sozialisten, zusammengetroffen. Der libanesische Politiker ist einer der Vizepräsidenten der Sozialistischen Internationale.

Bereits vor dem offiziellen Beginn der Proteste hatten sich am Vormittag Tausende Anhänger der Hisbollah im Stadtzentrum von Beirut versammelt. Sie schwenkten rot-weiß-rote libanesische Flaggen mit der Zeder und forderten auf Transparenten sowie in Sprechchören eine Regierung der nationalen Einheit. Die Hisbollah und ihre Verbündeten beanspruchen eine Sperrminorität von einem Drittel der Minister und werfen Siniora vor, eine Marionette der USA zu sein. Der stellvertretende Hisbollah-Chef Scheich Naim Kassem sagte, der Protest werde bis zum Sturz der Regierung fortgesetzt. Die Hisbollah habe genügend Mittel, die Regierung zum Einlenken zu zwingen, Siniora und die antisyrischen Kräfte würden nicht in der Lage sein, das Land mit einer Regierung in amerikanischen Diensten zu beherrschen.

Der sunnitische Premier Siniora hatte am Donnerstagabend im Rundfunk erklärt: „Wir werden keinen Coup gegen das demokratische System, seine Regeln und Institutionen zulassen.“ Er beschuldigte die Hisbollah, zu den Zuständen vor der so genannten Zedern-Revolution vom März 2005 zurückkehren zu wollen. Damals hatten lang anhaltende Massenproteste nach dem Mord an Ex-Premier Rafik Hariri die frühere Schutzmacht Syrien zum militärischen Rückzug aus dem Libanon gezwungen. Die antisyrische Mehrheitskoalition stellt mehr als 70 der 128 Parlamentsmitglieder. Die Verfassung des Landes schreibt allerdings vor, dass alle großen Religionsgemeinschaften, von denen die Schiiten die zahlenmäßig stärkste sind, in der Regierung vertreten sein müssen. Die politische Krise im Libanon hatte sich nach dem Mord an dem antisyrischen christlichen Industrieminister Pierre Gemayel vor über einer Woche dramatisch verschärft.

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