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Libanon: Bahia Hariri als erste Regierungschefin?

Bahia Hariri, die jüngere Schwester des ermordeten libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri, wird von vielen bereits als Ministerpräsidentin gehandelt - die erste Regierungschefin der arabischen Welt.

Eine Revolution in einer Weltgegend also, in der die Rückbesinnung auf die Religion den politischen Handlungsspielraum vieler Frauen zuletzt zusehends eingeschränkt hat.

Mit politischem Geschick, Redetalent und einer gehörigen Portion Furchtlosigkeit hat sich die 50-jährige Hariri darangemacht, das politische Erbe des ermordeten Bruders anzutreten. Getragen wird sie von einer Welle der Sympathie ihrer Landsleute. Per SMS wird die Forderung tausendfach von Handy zu Handy weitergetragen: Bahia soll Ministerpräsidentin werden.

Gut einen Monat nach dem Attentat auf Rafik Hariri ist für die Schwester die Trauerzeit abgelaufen. Sie stürzt sich in die Politik, ergreift das Wort, um das politische Werk des Bruders fortzuführen. Die nationale Einheit müsse voran getrieben werden, die Wirtschaft brauche weitere Impulse, forderte die Politikerin kürzlich vor rund 800.000 Anhängern der Opposition in Beirut. Die Kontakte zu anderen Oppositionsgruppen, um die sich ihr Bruder einst wirkungsvoll gekümmert hatte, führt Bahia Hariri weiter. Besonders sorgsam pflegt sie das Verhältnis zum Drusenführer Walid Joumblat.

Die Abgeordnete ist das neue Gesicht der „Bewegung der Zukunft“, die von Rafik Hariri ins Leben gerufen worden war. In kluger Einschätzung der politischen Machtverteilung vermeidet sie es, die pro-syrischen Gruppierungen im eigenen Land vor den Kopf zu stoßen. Mehrfach hat sie in den vergangenen Tagen betont, wie wichtig es für den Libanon sei, die Kontakte zum mächtigen Nachbarland aufrecht zu erhalten. Das sei ein wirkliches Anliegen ihres Bruders gewesen – trotz seiner Unstimmigkeiten mit den pro-syrischen Wortführern.

Bahia Hariri versucht, sich auch international Gehör zu verschaffen. Sie sollten dem Libanon nicht den Rücken zukehren, appellierte die Politikerin an die reichen Golfstaaten und die internationale Staatengemeinschaft. „Die Familie Hariri wird ihre Unterstützungen und Investitionen im Land auch weiterhin fortsetzen.“ Damit spielte die Politikerin auf die rege Investitionstätigkeit ihres Bruders an, der mit seinen hervorragenden Geschäftskontakten nach Saudiarabien viel Geld in den Libanon geholt hatte.

Viele trauen der Tochter aus der einflussreichen Familie Hariri am ehesten zu, die unterschiedlichen Kräfte im multireligiösen Libanon einen zu können. Sie sei „die Kraft der Einigung und der Mäßigung“, bescheinigt ihr etwa der einflussreiche schiitische Politiker Nabih Berri. Doch alles Streben nach Harmonie konnte Bahia Hariri nicht daran hindern, der pro-syrischen Regierung um Omar Karame Ende Februar den Gnadenstoß zu versetzen. „Zumindest durch Übergehen“ sei die Regierung am Tode ihres Bruders mitschuldig, donnerte sie im Parlament. Seitdem ist sie Kopf der Bewegung „Wahrheit und Gerechtigkeit“, die die internationale Aufklärung des Attentats vom 14. Februar fordert.

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