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Libanesische Regierung weiter handlungsfähig

Die Minister der libanesischen Regierung der "nationalen Einheit" eilen von einer Krisensitzung zur nächsten. Allein am Samstagabend saß das 24-köpfige Kabinett des sunnitischen Premierministers Siniora viereinhalb Stunden zusammen. Dabei drehte sich alles um die anhaltenden israelischen Luftangriffe und die sich zuspitzende humanitäre Situation in den südlichen Gebieten.

Beraten wurde auch über Verteidigungsmaßnahmen gegen die am Wochenende bereits begonnene israelische Bodenoffensive. Verteidigungsminister Elias Murr, Schwiegersohn von Staatspräsident Emile Lahoud, bekräftigte, die libanesische Armee müsse niemanden “um Erlaubnis bitten, um ihre Pflichten zu erfüllen”. Ein deutliches Zeichen, dass die über die Gefangennahme zweier israelischer Soldaten durch schiitische Hisbollah-Milizionäre am 12. Juli nicht informierte Beiruter Regierung darum kämpft, Handlungsfähigkeit gegenüber der mit zwei Ministern im Kabinett vertreten “Partei Gottes” zurückzugewinnen.

Der Oberkommandierende der libanesischen Armee, General Michel Sleimane, war bei der Kabinettssitzung ebenso anwesend wie der Generaldirektor der Internen Sicherheitskräfte, Achraf Rifi. “Die libanesische Regierung beweist Tag für Tag, dass sie die einzige funktionsfähige Entität ist, die die Souveränität des Landes verteidigen kann”, sagte eine Sprecherin des Ministerrats. Fast zwei Wochen nach Beginn der israelischen Luftangriffe zeigt sich das seit einem Jahr amtierende multikonfessionelle Kabinett weiter geschlossen. Eine Entwicklung, die überrascht: Schließlich sind die Differenzen zwischen den beiden von der Hisbollah gestellten und anderen prosyrischen Ministern mit ihren von der Syrien-kritischen Parlamentsmehrheit entsandten Kollegen seit Monaten offenkundig. Zankapfel bis heute: die in Resolution 1559 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom September 2004 geforderte Entwaffnung der Hisbollah.

Über nur eingeschränkten Handlungsspielraum verfügt die Siniora-Regierung also schon weitaus länger als seit Beginn des aktuellen militärischen Konflikts. Umso erstaunlicher, dass der militärische Alleingang von Sinioras wichtigstem schiitischen Koalitionspartner die Exekutive des nur 10.000 Quadratkilometer kleinen Landes nicht weiter in Bedrängnis gebracht hat. Staatsminister Michel Pharaon räumte zwar ein, dass “diese Regierung bei einem langen Anhalten der israelischen Angriffe geschwächt werden” könnte. Zugleich aber stellte er klar, dass es angesichts der äußeren Bedrohung ein Zusammenrücken der Kabinettsmitglieder gegeben habe. Auch Samir Farah, Leiter des Libanon-Büros der deutschen Friedrich Ebert-Stiftung, beobachtet ein Erstarken der Regierung seit Ausbruch des Konflikts. “Die Regierung nimmt alle Autorität in die eigenen Hände”, sagte er. “Das zeigt, wie vereint dieses Land auf die israelischen Angriffe reagiert.”

Die Ankündigung des schiitischen Parlamentspräsidenten Nabih Berri, die Hisbollah habe dem Kabinett das Mandat zu Verhandlungen mit Israel über einen Gefangenenaustausch erteilt, gibt der Regierung de facto die politische Kontrolle über die beiden entführten israelischen Soldaten zurück. “Die libanesische Regierung wird den Austausch über die Vermittlung eines Dritten herbeiführen”, erklärte der eng mit Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah verbündete Vorsitzende der Amal-Partei, Berri. “Das hat die Hisbollah akzeptiert.” Das erste Signal für eine Verhandlungslösung seitens der Hisbollah könnte durch den Kurswechsel der US-amerikanischen Libanon-Politik noch an Bedeutung gewinnen.

Aber erst in den Wochen nach dem Ende des Konflikts wird sich herausstellen, ob die internationalen Garantien an die libanesische Regierung den Grundkonflikt zwischen ihren die Hisbollah unterstützenden prosyrischen und den Syrien-kritischen Ministern werden lösen können. Ali Barada, Politikredakteur der liberalen, Syrien-kritischen Tageszeitung “An-Nahar” ist skeptisch. “Wenn die Angriffe vorbei sind, wird die Frage nach dem Status der Hisbollah-Milizen unweigerlich auf den Tisch kommen.” Er sei sich nicht sicher, ob die internationale Gemeinschaft wirklich das Rückgrat besitze, den mit Siniora verbündeten Kräften die dafür nötige Unterstützung zukommen zu lassen, sagte Barada.

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