"Leugnende Gesellschaft" - Medienurteil über Österreich
Marketing- und Medienexperte Wolfgang Bachmayer analysiert den derzeitigen Ruf Österreichs in der internationalen Presse. Der Grund dafür sei eine Verkoppelung mit dem historischen Umgang mit Kriegsverbrechen in der Nazi-Zeit, vor denen lange die Augen verschlossen wurden.
Diese Tatsache werde mit dem späten Aufdecken des grauenhaften Inzest-Falls vermengt, erklärte der Chef der Österreichischen Gesellschaft für Marketing (OGM) am Dienstag. Der Umgang mit den zahllosen Medien in St. Pölten würde die Situation noch verschärfen.
Die einzig gute Nachricht: Einen langfristigen Schaden für das zuckerlrosafarbene Mozart-Bild Österreichs schließt der Experte aus: “Das Image wird dadurch überhaupt nicht beeinträchtigt, es sei denn so etwas kommt jeden Monat in Serie vor.”
“Österreichs Bild ist im Guten geprägt von Musik, Kultur und Tourismus”, erklärte Bachmayer. Die Kriegsvergangenheit, die Waldheim-Affäre und EU-Sanktionen würden im Gegenzug die negativen Eckpfeiler des internationalen Rufes bilden. Wenn Medien nun von der “dunklen Seite” des “Sound of Musik”-Landes sprechen, sei dies die “Verbindung mit diesen grauen und dunklen Tatsachen” aus der Vergangenheit. “Es wird alles in einen Topf geworfen”, kritisierte Bachmayer. “Eine schweigende, wegschauende Gesellschaft, die dazu neigt, Dinge möglichst unter den Teppich zu kehren” – ist das Fazit, das ausländische Medienvertreter daraus ziehen.
Langfristig werde davon allerdings nichts übrig bleiben: “Solche Geschehnisse – so grauenhaft und grotesk dieser Einzelfall auch sein mag – können auch in anderen Ländern passieren”, erklärte Bachmayer. “Es handelt sich immer um einmalige Fälle und keine Symptome einer gesamten Gesellschaft. Es passiert immer und überall etwas.” Dies sei im Grunde genommen auch jedem klar, genauso wie das Verleugnen in der Zivilgesellschaft nicht nur in Österreich existiere. Jack the Ripper habe über Generationen hinweg das Synonym für ein bestimmtes Verbrechen dargestellt, verglich Bachmayer den Fall Josef F. mit dem Prostituiertenmörder, der vor Jahrzehnten in England sein Unwesen trieb. Einen Einfluss auf das Image Großbritannien habe er nicht genommen.
“Sicherlich beeinträchtigt” wird die Berichterstattung über Österreich und den Inzestfall laut dem Experten durch die juristisch völlig korrekte Abwicklung des Prozesses abseits der Öffentlichkeit. Die Wünsche vieler Boulevardjournalisten blieben dadurch aber unbefriedigt – wieder würde jeder schweigen, von offiziellen Sprechern angefangen bis hin zu frustrierten und medienskeptischen Passanten. St. Pölten sei zudem in einer schwierigen Position und habe keine Erfahrung mit professioneller Medien-PR wie beispielsweise die Festspielstadt Salzburg.
Ereignisse am Rande der Verhandlung von aktionistischen Demonstrationen bis hin zur volkstümlichen Unterhaltung für Journalisten seien problematisch. “Wenn nicht nur darauf reduziert würde, wäre das kein Schaden”, so Bachmayer. Derzeit würden diese Handlungen die Frustration der Medien aber eher verstärken. Bachmayer: “Wahrscheinlich ist die journalistische Feder dann noch spitzer.”