AA

Leid und Geld sparen: Verbesserungen bei der Behandlung psychisch Kranker gefordert

Silvia Ballauf, Beate Wimmer-Puchinger, Andrea Birbaumer und Johannes Wancata bei der Pressekonferenz in Wien.
Silvia Ballauf, Beate Wimmer-Puchinger, Andrea Birbaumer und Johannes Wancata bei der Pressekonferenz in Wien. ©BÖP/Marton
Am 10. Oktober findet der Internationale Tag der psychischen Gesundheit statt. Aus diesem Anlass veranstaltete der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen ein Pressgespräch in Wien, um auf mögliche Verbesserungen aufmerksam zu machen.

Der internationale Tag der psychischen Gesundheit ("World Mental Health Day") findet am 10. Oktober statt. In Österreich wird diesem Thema jedoch zu wenig Beachtung geschenkt und oftmals werden psychische Erkrankungen hierzulande nicht ernst genug genommen.

Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen: Petition gestartet

Insbesondere hinsichtlich der Kosten gibt es in Österreich noch zahlreiche Missstände. Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) setzt sich gemeinsam mit der Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen (GkPP) und den Pionieren der Klinischen Psychologie (PKP), sowie Unterstützern wie dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Johannes Wancata für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ein. Aktuell wurde dazu auch eine Petition gestartet, die sich mit diesen Anliegen beschäftigt.

"Es gibt keine Gesundheit ohne seelische Gesundheit"

"Psychische Krankheiten sind meist leise und still. Oft werden sie zu wenig gesehen. Doch es gibt keine Gesundheit ohne seelische Gesundheit", so die Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen Beate Wimmer-Puchinger. Psychische und physische Gesundheit gehören zusammen und somit auch ernst genommen, so Wimmer-Puchinger. Die seelische Erkrankung hat noch einen weiteren wichtigen Faktor: "Armut macht krank - das gilt insbesondere für die Psyche." So haben Menschen mit psychischen Erkrankungen oft weniger Netto-Einkommen, weniger Bildung und weniger Lebensqualität. Und - so hält Wimmer-Puchinger es fest - zumeist sind Frauen von psychischen Krankheiten betroffen.

Das Wissen in der Bevölkerung sei nach wie vor viel zu gering - die Scham, darüber zu sprechen aber umso größer: Schwächen zu zeigen sei nicht erlaubt in der Gesellschaft. Zu den häufigsten Ursachen für psychische Erkrankungen zählen frühe Traumatisierungen, schwere körperliche Erkrankungen, Lebens- und Beziehungskrisen, körperliche oder seelische Gewalt.

Psychische Erkrankungen: Zahlreiche Menschen in Österreich betroffen

Die Anzahl der Österreicher, die psychisch krank sind, wird auf bis zu 1,2 Millionen Menschen geschätzt. Neben dem Leid rund um die Krankheit entstehen auch hohe volkswirtschaftliche Kosten.

Psychische Erkrankungen bringen nämlich bis zu zwölf Milliarden Euro an jährlichen Kosten mit sich. Psychische Erkrankungen sind für zwei Drittel aller Frühpensionen verantwortlich (53 Prozent bei Frauen, 31 Prozent bei Männern), besonders häufig sind Depressionen und Angststörungen. Davon könnte ein großer Teil durch bessere Prävention und Versorgung eingespart werden.

Psychisch kranke Menschen warten oft monatelang auf die Behandlung

Wer es sich nicht leisten kann, muss heutzutage oft rund drei bis vier Monate auf einen psychiatrischen Kassenplatz warten. "Es darf nicht sein, dass psychisch schwer kranke Menschen monatelang auf eine Behandlung durch einen Facharzt warten müssen, wenn sie die Behandlung nicht aus eigener Tasche bezahlen können. Diese Form der Zwei-Klassen-Medizin ist inakzeptabel und eine Schande für eines der reichsten Länder der Welt", so Wancata. Späte Behandlungsbeginne führen nicht nur zu mehr Leid bei Betroffenen, sondern verursache auch enorme Zusatzkosten im Gesundheits- und Sozialsystem. Zudem drohe ein Mangel an psychiatrischen Fachärzten, da der Verlust durch Pensionierungen nicht durch jüngere Kollegen ausgeglichen werde, so Wancata.

"Psychische Erkrankungen sind die neuen Armutsfalle", so die Obrau der GkPP Andrea Birbaumer. Selbst wenn es Behandlungsmöglichkeiten gebe, sind diese oft zu teuer. Nicht nur das spricht für eine Kassenfinanzierung. Eine Verbesserung hinsichtlich der Finanzierung würde auch vielen Ausgebildeten ermöglichen, ihrer Arbeit tatsächlich nachgehen zu können.

Silvia Ballauf war selbst von einer psychischen Erkrankung betroffen. Sie ist nun Leiterin des Fachbereichs "Selbsthilfe" bei pro mente Wien. Auch sie fordert, eine Behandlung früher möglich zu machen. Dafür benötige es zwei Dinge: Bewusstsein für die Krankheit und Anlaufstellen.

Petition: Das wird gefordert

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte bereits vor einem Anstieg psychischer Erkrankungen. Alleine bedingt durch die Arbeitswelt mit ständiger Erreichbarkeit und immer größeren Verantwortlichkeiten, steige das Risiko, sagte Birbaumer. Doch auch beispielsweise Burn-out sei nur in einem ganz bestimmten Spektrum legitimiert. "Da gibt es in Österreich noch viel Aufklärungsbedarf."

Die Forderungen lauten nun die Behandlungsplätze auszubauen und die klinisch-psychologische Behandlung ebenfalls als Kassenleitung anzubieten. Die Zahl der kassenfinanzierten Plätze soll sich am Bedarf orientieren, um Wartezeiten zu verhindern. Außerdem müssen genügend Psychiater ausgebildet werden. Letztlich benötigt es auch eine fundierte Planung an Bedarf an allen Psy-Berufen. So könnten die volkswirtschaftlichen Kosten reduziert und ein Großteil des Leidenswegs der Betroffenen verhindert werden. Innerhalb von zwei Wochen wurde die Petition bereits über 8.000-mal unterschrieben. Außerdem bekamen die Initiatoren bereits mehr als 2.000 Erfahrungsbericht zugesandt.

Mehr Informationen zur Petition und zur Thematik finden Sie online unter www.pflasterfuerdieseele.at.

(Red)


  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Leid und Geld sparen: Verbesserungen bei der Behandlung psychisch Kranker gefordert
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen