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Lehrermangel: Überstunden, Quereinsteiger und Studenten halten das Rad am Laufen

Je nach Bundesland braucht es auch Lehrer für unterschiedliche Fächer.
Je nach Bundesland braucht es auch Lehrer für unterschiedliche Fächer. ©APA/HARALD SCHNEIDER
Auch im kommenden Schuljahr wird wieder Hände ringend nach Lehrern gesucht, die Schulklassen dürften aber trotzdem weiter vollständig besetzt sein. Abhilfe schaffen bezahlte Überstunden, Quereinsteiger mit Sonderverträgen oder Studenten als Lehrbeauftragte.

Auch im neuen Schuljahr 2018/19 wird es einen Lehrermangel an den österreichischen Schulen geben. Trotzdem dürften alle nötigen Stellen besetzt werden, zeigt ein Rundruf der APA in den einzelnen Bundesländern. Etwaige Mangelfächer in einzelnen Schularten werden wie schon bisher durch Sonderverträge und Überstunden abgedeckt – wobei sich diese Gegenstände je nach Bundesland unterscheiden.

Lehrermangel in verschiedenen Fächern

In Oberösterreich gibt es im Pflichtschulbereich in Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie sowie Bewegung und Sport einen Mangel, an den höheren Schulen etwa in Informatik. Ganz anders im Burgenland: Dort sind an den höheren Schulen Musik, Zeichnen und Werken betroffen und an den Volksschulen Kroatisch. In Salzburg fehlen an den Pflichtschulen Lehrer für Technisches Werken, an den höheren Schulen sind es an manchen BHS Kräfte für Fachtheorie (etwa Buchhaltung) oder Fachpraxis (zum Beispiel für Kochen). In Tirol sind an den Pflichtschulen Mathe und Physik betroffen.

Zur Not werden die nötigen Überstunden auch durch fachfremden Unterricht geleistet: Lehrer der Sekundarstufe sind berechtigt, alle sogenannte “literarischen Fächer”, also alle Gegenstände bis auf Werken und Religion, abzudecken. Das wird an den Neuen Mittelschulen (bzw. davor Hauptschulen) seit Jahrzehnten in unterschiedlichem Ausmaß praktiziert.

Lehrerpensionierungen verschieben sich nach hinten

Lehrervertreter warnen bereits seit zehn Jahren vor zu wenigen Pädagogen: 2008 wurde dazu eine eigene “Wiener Erklärung” verfasst. Grund ist eine Art “Schweinebauchzyklus” – jene Pädagogen, die ab den 1970ern aufgenommen wurden, gingen bzw. gehen rund 40 Jahre später in Pension. Ursprünglich rechnete man mit dem Höhepunkt dieser Pensionswelle in den Jahren 2016 bis 2018 – aufgrund diverser neuer Pensionsregelungen könnte sich dies aber nach hinten verschieben.

“Lehrermangel” heißt nicht, dass die Klassenzimmer leer bleiben. Vielmehr werden diese einerseits durch Überstunden der anderen Lehrkräfte bzw. durch Sonderverträge mit (noch) nicht ausgebildeten Lehrern besetzt. Pro Schuljahr fallen laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom April rund fünf Mio. bezahlte Überstunden an – dazu kommen noch unentgeltliche Supplierungen, die die Lehrer laut Dienstrecht in einem bestimmten Ausmaß leisten müssen. In diesen Zahlen sind allerdings sowohl die etwa krankheitsbedingten kurzfristigen Ausfälle enthalten wie Dauer-Mehrdienstleistungen, wenn an der Schule dauerhaft nicht ausreichend Fachlehrer zu finden sind.

Mit Sonderverträgen ins Klassenzimmer

Dazu kommen noch Studenten, die noch im letzten Studienjahr sind bzw. Absolventen, die noch über keine volle Lehrbefähigung verfügen – etwa weil sie das Unterrichtspraktikum (das von einem erfahrenen Lehrer begleitete Einstiegsjahr mit geringer Lehrverpflichtung) noch nicht hinter sich gebracht haben. Sie werden mit Sonderverträgen ausgestattet und unterrichten meist mit einem geringeren Stundenausmaß (um nebenbei die Ausbildung abzuschließen). Sonderverträge erhalten auch sogenannte “Quereinsteiger” – also Absolventen eines ähnlichen Studiums (z.B. Sportwissenschafter für Turnen) bzw. des weitgehend identischen Fachstudiums. Allein im Pflichtschulbereich unterrichteten im vergangenen Schuljahr rund 2.000 Personen mit Sonderverträgen.

3.000 bis 4.000 Pensionierungen pro Jahr

Bei den Pensionen bzw. Neuanstellungen von Lehrern gibt es zahlreiche Unsicherheitsfaktoren: Derzeit gibt es insgesamt rund 126.000 Lehrer, exklusive der Karenzierten sind es 120.000. Pro Jahr geht man laut Prognosen bis 2025 von 3.000 bis 4.000 Pensionierungen aus.

Viel schwerer einzuschätzen ist die Zahl der Absolventen. 2016 schlossen etwas weniger als 4.000 Personen ein Lehramtsstudium an den Pädagogischen Hochschulen (PH) ab, an den Universitäten waren es zuletzt etwas mehr als 2.200. Künftig dürften es aber weniger werden: Angehende Volksschullehrer müssen statt eines dreijährigen Bachelorstudiums vier Jahre Bachelor- und (bis zur vollen Berufsberechtigung) ein Jahr Masterstudium absolvieren. An den Unis steigt die Studiendauer von neun auf zehn Semester.

Mehr Kinder, weniger Lehrer

Das bedeutet, dass es im Pflichtschulbereich einerseits mindestens ein Jahr ohne Absolventen geben wird und andererseits die Gefahr von Drop-Outs steigt – je länger ein Studium dauert, desto höher die Gefahr eines Abbruchs. Dazu kommen steigende Geburtenzahlen: 2009 wurden etwas über 76.000 Kinder in Österreich geboren, 2015 bereits über 84.000 mit weiter steigender Tendenz. Das bedeutet einen ebenfalls steigenden Bedarf an Lehrern.

Gleichzeitig bedeutet Lehrer auch nicht gleich Lehrer. Ein etwaiges Überangebot an Pädagogen etwa im Volksschulbereich hilft wenig in Mangelfächern wie Naturwissenschaften an den Neuen Mittelschulen und AHS. Dazu kommen regionale Probleme: “Passende” Lehrer können in Flächen-Bundesländern oft nicht dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werden.

(APA/red)

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