An der aktuellen Auseinandersetzung ließen die Wissenschafter kein gutes Haar, Kritik gab es vor allem in Richtung Gewerkschaften.
Derzeit gebe es ausschließlich ein “Tauziehen um Unterrichtszeit” eine fachliche Diskussion um die Qualität der Bildung werde von der Gewerkschaft ausgeklammert, sagte Ilse Schrittesser vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Dabei ortet Schrittesser derzeit ein “Window of Opportunity” überfällige Veränderungen anzugehen und “neue Kulturen eindringen zu lassen”.
Die Wissenschafterin bemängelte, dass das Schulsystem in Grundzügen immer noch so funktioniere wie vor 200 Jahren und der Zeit nicht mehr angemessen sei. Statt des derzeitigen Einzelkämpfertums der Lehrer bedürfe es einer professionellen Gemeinschaft, dazu sollten die Pädagogen alle Aufgaben an der Schule erledigen. “Dazu muss ein Verbleiben am Arbeitsplatz natürlich möglich werden, es muss gearbeitet werden können”, so die Wissenschafterin.
Michael Schratz, Leiter des Instituts für LehrerInnenbildung und Schulforschung an der Universität Innsbruck möchte aber auch die Schüler “nicht zu Mittag nach Hause schicken”. Diese Gepflogenheit und die Regelung, die Schüler “schon mit zehn Jahren zu trennen” würden in Gesprächen mit internationalen Kollegen auf das meiste Unverständnis stoßen, berichtete Schratz. Anstatt den Reformstau weiter anwachsen zu lassen, plädierte der Experte dafür, eine “radikalere Reform” zu wagen. Das sei zielführender als ständig Reformen in homöopathischen Dosen durchzuführen, die dennoch laufend für Unruhe sorgen. Im Augenblick gebe es überhaupt nur Konfrontation, die Lehrer seien Reform-müde und demotiviert.
Für Schrittesser ist ein neues Berufsverständnis der Lehrer ein Kernpunkt für Verbesserungen des Bildungssystems. Dazu sei schon bei der Ausbildung anzusetzen. “Lehrer haben autonome Handlungsspielräume, sie sollten diese auch nutzen und nicht nur auf Impulse von oben warten”, so die Expertin. Schrittesser hält eine gemeinsame Ausbildung aller Lehrer für sinnvoll, jedenfalls was die Grundzüge des Faches angeht.
Um die Lehrerausbildung zu vereinheitlichen, kann sich Schratz vorstellen, die Pädagogischen Hochschulen (PH) in einem ersten Schritt den Unis als eigene Fakultäten anzugliedern. Sollte es auch für Pädagogen durchgehend eine dreigliedrige Ausbildung geben – inklusive Bakkalaureat und Master – sollte für die Sekundarstufe jedenfalls der Master-Abschluss gefordert werden.
Auch Georg Neuhauser, Leiter des Impulszentrums für Cooperatives Offenes Lernen (COOL) ist “betroffen über die Undifferenziertheit” der derzeitigen Auseinandersetzung. Schließlich sollte es um Unterrichtsqualität gehen und nicht nur um Geld. Neuhauser empfiehlt mehr Zusammenarbeit der Lehrer, aber auch der Schüler. Dies sei nicht unbedingt mit mehr Unterrichtszeit aber mit einer längeren Anwesenheitsverpflichtung an den Schulen zu erreichen, ist Neuhauser überzeugt. Er möchte seine Ideen “schrittweise einführen, notfalls auch gegen die Lehrergewerkschaft”.