Bei der teils turbulenten fast dreistündigen Diskussionsveranstaltung mussten sich die Autoren gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigen, ernteten vom Publikum aber auch Zuspruch für ihre Thesen.
“Der Einfluss der Israel-Lobby war größtenteils negativ. Sie hat die US-Nahostpolitik in eine Richtung gedrängt, die nicht im amerikanischen Nationalinteresse ist und auch nicht in jenem Israels”, sagte Mearsheimer bei der vom Renner-Institut der SPÖ ausgerichteten Veranstaltung. Die Israel-Lobby bestehe nicht nur aus Juden, sondern auch aus christlichen Fundamentalisten und den neokonservativen Politikstrategen, die in ihrem Zusammenwirken so einflussreich sei wie kaum eine andere Interessensvertretung, betonte Walt. “Jeder in Washington und insbesondere jeder, der Präsident werden will, ließe es wirklich darauf ankommen, würde er die amerikanische Unterstützung für Israel infragestellen.”
Walt verwies nicht nur auf die hohen US-Subventionen für Israel, die sich auf drei bis vier Milliarden Dollar (2,06 Mrd. Euro bis 2,74 Mrd. Euro) pro Jahr beliefen, sondern vor allem auf die “bedingungslose Unterstützung”, die Washington Tel Aviv gewähre. “Die USA fügen Israel schweren Schaden zu, indem sie es nicht von dem abhalten, was es im Westjordanland und dem Gaza-Streifen tut”, sagte Mearsheimer in Anspielung auf den Palästinenserkonflikt. Er warf Israel vor, nicht wirklich an einer Zwei-Staaten-Lösung interessiert zu sein, weil es die Siedlungspolitik vorantreibe. Ein “Apartheidstaat” mit nur wenigen palästinensischen Enklaven, die völlig von Israel abhängig sind, könne somit nur durch amerikanischen Druck verhindert werden. Walt zitierte in diesem Zusammenhang den früheren israelischen Außenminister Shlomo Ben-Ami, der gesagt hatte, dass nur die US-Präsidenten Jimmy Carter und George Bush Senior den Nahost-Friedensprozess vorangebracht hätten, weil sie sich dem Einfluss der Israel-Lobby im eigenen Land entzogen hätten.
Israel und die Israel-Lobby seien auch die wahren “treibenden Kräfte” hinter dem Irak-Krieg gewesen. Sie hätten die Terroranschläge des 11. September 2001 dazu genützt, US-Präsident George W. Bush und seinen Vize Dick Cheney für den Waffengang zu gewinnen, sagten Mearsheimer und Walt. Sie verwiesen in diesem Zusammenhang auf die erheblichen Widerstände gegen den Irak-Krieg in US-Regierung, Geheimdiensten und Armee. Die Lobby wolle die USA nun auch in eine militärische Auseinandersetzung mit dem Iran treiben, sagte Walt, doch sei dies wegen der derzeitigen militärischen Probleme Washingtons eher unwahrscheinlich.
Die Ausführungen von Mearsheimer und Walt wurden vom Politikwissenschaftler Anton Pelinka kommentiert, der ihnen “eine neue Art von Antisemitismus” vorwarf. Sie legten nämlich strengere Maßstäbe an Israel an als an die arabischen Staaten, wo es genauso schwere Menschenrechtsverletzungen gebe. Mearsheimer und Walt konterten, sie konzentrierten sich deshalb auf Israel, weil die USA mit keinem anderen Land der Welt solch eine “besondere Beziehung” habe. Pelinka gab auch zu bedenken, dass der israelisch-palästinensische Konflikt vielleicht deswegen noch nicht gelöst ist, weil die arabische Welt ein Interesse an diesem “Sündenbock” habe. Mit ihrer Schwarz-Weiß-Malerei trügen Mearsheimer und Walt nicht zu einer Lösung bei, kritisierte er.
In der Fragerunde aus dem Publikum hielten sich kritische und zustimmende Beiträge die Waage. Unruhig wurde es, als ein älterer Mann das Buch als “moderne Version der Protokolle der Weisen von Zion” (ein antisemitisches Pamphlet aus der Zeit um 1900, in dem eine jüdische Weltverschwörung behauptet wurde, Anm.) bezeichnete und dafür Buhrufe erntete. “Dieses Buch wird von N…. wie H.-C. Strache benützt werden”, empörte sich der Mann. Mearsheimer wies diesen Vorwurf zurück und sagte: “Glauben Sie, dass uns die London School of Economics, das Internationale Institut für Strategische Studien oder das britische Parlament eingeladen hätten, wenn wir Antisemiten wären? Das ist doch lächerlich. Solche Vorwürfe dienen nur dazu, die Debatte auf eine andere Ebene zu verlagern.”