Leben hinter Schutzmaske: "Ich habe Angst vor Lungenkrebs"
Ob sie Angst wegen des Smogs habe? “Ich will nicht husten oder krank werden.” Ihre besorgte Mutter habe aus der abgelegenen Provinz Anhui angerufen: “Kind, komm nach Hause!”
Vierzigfach erhöhte Werte
Chinas Hauptstadt Peking erlebt den schlimmsten Smog in seiner Geschichte. Auch dutzende andere Städte in Nord- und Zentralchina leiden unter “gefährlicher” Luftverschmutzung. Eine Mischung aus ungünstiger Wetterlage und Nebel hat die Schadstoffkonzentrationen auf bislang unvorstellbare Höchstwerte anschwellen lassen. In Peking erreichte die Belastung durch den besonders gefährlichen Feinstaub einmal das Vierzigfache dessen, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Schnitt noch für unproblematisch hält.
Pekings Luft macht krank
Zhang Lis Kollegin ist am Montag nicht zur Arbeit erschienen. Ihre Augen waren schwer gereizt. Sie hatte Warnungen ignoriert und war lange draußen in der schlechten Luft gewesen. Ein Auge war so schlimm angeschwollen, dass ihre Freundin zum Arzt gehen musste. “Vermutlich der Smog”, sagt Zhang Li und lächelt verunsichert. Plötzlich bricht es aus ihr heraus: “Ich habe Angst, dass ich irgendwann Lungenkrebs bekomme”, sagt sie hastig. “Gestern habe ich schon Rotwein gekauft. Ich habe gelesen, dass Rotwein gut gegen Krebs sein soll.”
Zwischen Witz und Tragödie
Still, schleichend ist diese Umweltkatastrophe – für manche nur mit Galgenhumor erträglich. Die sonst wenig belustigende Tageszeitung “China Daily” verbreitet den Witz, dass Chinas Hauptstadt künftig nicht mehr nur für die Peking-Oper und Peking-Ente, sondern auch für den “Peking-Husten” berühmt sein werde. Der Schauspieler Hong Yonglong meint, die Mayas hätten sich mit dem für Dezember erwarteten Ende der Welt wohl vertan: “Der Weltuntergang ist nur verschoben – wie viele Menschen werden wegen der giftigen Luft sterben?”
Auch Sarkasmus ist zu finden: “Atme nur! Du erstickst, wenn du nicht atmest, und vergiftest dich, wenn du atmest. Der Tod ist unausweichlich”, schreibt ein Internetnutzer. Ein anderer erinnert an den Spruch bei Olympia 2008: “Peking heißt dich willkommen, lässt dich giftiges Gas atmen und treibt die Wirtschaftsleistung voran.”
Auf diesen Punkt, das Wachstum auf Kosten der Umwelt geht, hebt die Zeitung “Global Times” ernsthafter ab und spricht von einem “Weckruf”: “Wenn wir diesen Entwicklungspfad weitergehen, anstatt ihn zu korrigieren, werden die langfristigen Schäden gravierend sein”, schreibt das Blatt, das zum Parteiorgan “Volkszeitung” gehört. Die Wende werde nicht leicht. Die Menschen forderten wirtschaftliche Entwicklung und besseren Umweltschutz zugleich: “Beide Bedürfnisse stehen sich gegenüber.”
Doch Umweltschützer entgegnen, Wachstum und Umweltschutz müssten sich nicht ausschließen. Die starke Abhängigkeit Chinas von der Kohle sei das eigentliche Problem. Mit dem Energiehunger der aufstrebenden, zweitgrößten Wirtschaftsmacht steige der Kohleverbrauch, obwohl China auch erneuerbare Energien ausbaue. “Am wichtigsten wäre, den Kohleverbrauch zu verringern”, sagt Greenpeace-Sprecherin Zhou Rong in einem dpa-Interview. “Die Luftverschmutzung ist im ganzen Osten des Landes sehr ernst.” Die Umwelt stoße an ihre Grenzen, könne nicht noch mehr Verschmutzung aushalten. “Wenn der Kohleverbrauch weiter erhöht wird, wird es riesige Probleme geben.”
(APA)

