Lea Kempf wirkt gefasst. Fast schon ruhig. Doch wenn sie über die bevorstehende Reise nach Südkorea spricht, blitzen sie auf – die Aufregung, die Vorfreude, das große Ziel: ihre erste Teilnahme an einer Kletter-WM der Frauen.
"Ich bin echt schon sehr aufgeregt, aber ich freue mich voll", sagt die 20-Jährige aus Andelsbuch im Gespräch mit VOL.AT. Am Mittwoch hebt sie ab. Zwölf Tage wird sie mit dem österreichischen Nationalteam in Seoul verbringen. Am Dienstag dann der große Moment: WM-Debüt in der Qualifikation im Bouldern.

Von der K1-Wand zur Weltspitze
Begonnen hat alles im K1-Kletterzentrum in Dornbirn. Lea war sieben Jahre alt, als sie dort zum ersten Mal auf die Wand stieg. Heute ist sie amtierende Staatsmeisterin im Bouldern und zählt zu den größten Talenten Österreichs.
Ihr Weg führte über den Alpenverein, das Sportgymnasium Dornbirn und unzählige Nachwuchsbewerbe bis ins Nationalteam. Seit 2018 misst sie sich mit der internationalen Konkurrenz. Doch jetzt, mit 20, ist alles anders. Jetzt ist Weltmeisterschaft. Jetzt zählt’s.

Halbfinale als Ziel – Fokus auf den Moment
Etwa 80 Starterinnen stehen in der Qualifikation vor der Wand. Nur 24 davon schaffen es ins Halbfinale. Kempfs Ziel ist klar: "Ich möchte ins Halbfinale kommen." Eine Ansage, die sie mit ruhiger Stimme macht. Ohne Druck, ohne große Worte, aber mit innerer Überzeugung.
Es ist ein Ziel, das greifbar scheint: Bei der Europameisterschaft 2024 in Villars verpasste sie im Juli das Finale als Neunte nur knapp. Der Trend zeigt nach oben.

Dass zwischen Ankunft und erstem Wettkampftag mehrere Tage liegen, kommt ihr entgegen. "Man kann sich an die Gegend gewöhnen und es sind auch schon ein paar Trainingseinheiten geplant", erzählt sie. Genug Zeit also, um anzukommen – im Land, in der Halle, in sich selbst.

Von Fels und Zukunftsplänen
Die letzten Wochen hat sie viel am Fels verbracht, unter anderem in Südafrika. Kein typisches Wettkampftraining. "Der letzte Boulderbewerb ist schon eine Zeit her. Deshalb ist es schwer einzuschätzen, wo ich gerade stehe", sagt die 20-Jährige ehrlich. Und vielleicht ist es genau diese Ehrlichkeit, die sie so sympathisch macht. Keine Floskeln, keine Phrasen. Nur eine junge Frau, die ihren Sport liebt und sich ihrer Sache sicher ist.
Nach der WM ist vor dem Training: Im Oktober geht es noch mal an den Fels, im November startet dann bereits die Vorbereitung für die neue Saison. Viel Krafttraining, erste Trainingslager im Februar, Wettkampfauftakt im März.

Dazwischen: Studium. Kempf beginnt diesen Herbst mit Erziehungswissenschaften, will nächstes Jahr die Psychologie-Aufnahmeprüfung absolvieren. Leistungssportlerin, Heeressportlerin, bald auch Studentin – die junge Bregenzerwälderin meistert den Spagat mit bemerkenswerter Gelassenheit.

Zwischen Bodenhaftung und Höhenluft
In Innsbruck hat sie ihre sportliche Heimat gefunden, der Trainingsstützpunkt des Nationalteams, das ideale Umfeld für Höchstleistungen. Doch ihre Wurzeln hat sie nicht vergessen. Vorarlberg, der Bregenzerwald, Andelsbuch – das bleibt ihr Fundament. Auch jetzt, vor der vielleicht größten Herausforderung ihres bisherigen Lebens.
Und wenn sie am Dienstag in der Qualifikationsrunde auf die erste Boulderroute blickt, wird da sicher wieder diese Mischung sein: ein kurzer Moment der Aufregung. Dann Fokus. Dann Griff für Griff – wie sie es seit ihrer Kindheit gelernt hat.

(VOL.AT)