Längeres Arbeiten: Mit diesen Anreizen lockt die Regierung

Personen, die nach Erreichen des Regelpensionsalters neben ihrer Rente weiterarbeiten, werden künftig bis zu einer bestimmten Verdienstgrenze keine Pensionsversicherungsbeiträge mehr zahlen müssen. Diese Vereinbarung wurde von ÖVP-Klubobmann August Wöginger und ÖVP-Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec bei einer Pressekonferenz angekündigt.
Mehr Anreize für längeres Arbeiten
Konkret wird der Dienstnehmeranteil der Pensionsversicherungsbeiträge bis zu einer Verdienstgrenze von derzeit rund 1.000 Euro, was der doppelten Geringfügigkeitsgrenze entspricht, entfallen. Auf jährlicher Basis können arbeitende Pensionisten dadurch rund 1.200 Euro an Beiträgen einsparen. Diese Maßnahme wird vorerst auf zwei Jahre beschränkt und soll im Jahr 2025 umfassend evaluiert werden.
Gleichzeitig wird der Bonus für Personen, die nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters weiterarbeiten, von 4,2 Prozent auf 5,1 Prozent pro Jahr erhöht. Dies soll das Bonus-Malus-System ausgleichen, da der Malus für einen vorzeitigen Pensionsantritt bereits auf 5,1 Prozent erhöht wurde. Die Idee dahinter ist, dass "länger arbeiten sich auszahlt".
Um harte Konsequenzen bei einer geringen Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze bei Erwerbstätigkeit neben der Korridorpension zu verhindern, wird eine Härtefallregelung eingeführt. Zudem plant die Regierung, die Information von Personen vor ihrem Pensionsantritt gesetzlich zu verbessern.
Initiativanträge der Regierung sollen im November eingebracht werden
Um Vollzeitarbeit zu erleichtern, wird es künftig für Teilzeitbeschäftigte einen Rechtsanspruch auf rechtzeitige Information geben, wenn im Betrieb Vollzeitstellen ausgeschrieben werden. Wenn diese Information nicht erfolgt und daher keine Bewerbung auf die Vollzeitstelle möglich ist, sollen Arbeitnehmer einen Schadenersatz in Höhe von 100 Euro geltend machen können.
Die entsprechenden Initiativanträge der Regierung sollen im November in den Nationalrat eingebracht werden und idealerweise noch vor dem Jahreswechsel verabschiedet werden. Bezüglich der entgangenen Beiträge für die Pensionsversicherung wurde keine spezifische Summe genannt, jedoch wurde betont, dass die Mindereinnahmen durch Steuereinnahmen kompensiert werden sollen.
ÖVP-Seniorensprecherin Ingrid Korosec bezeichnete die Maßnahmen als "einen ersten, aber wichtigen Schritt" und sprach von einem "guten Tag für Pensionistinnen und Pensionisten". Sie betonte, dass die Befreiung von Pensionsversicherungsbeiträgen eine "Win-win-Situation" für die Rentner und den Arbeitsmarkt darstelle, auf dem Fachkräfte dringend benötigt werden.
SPÖ-naher Pensionistenverband zeigte sich weniger begeistert
Weniger begeistert zeigte sich dagegen der SPÖ-nahe Pensionistenverband. Präsident Peter Kostelka begrüßte zwar die Erhöhung des Bonus für einen späteren Pensionsantritt und die Härtefallregelung, kritisierte aber die Streichung der Pensionsbeiträge als "maximal zweitbeste" Lösung. Wesentlich einfacher gewesen wären Steuerfreibeträge, die sich an der Höhe der geleisteten Sozialversicherungsbeiträge orientieren, so Kostelka in einer Aussendung.
Das Grün geführte Sozialministerium bezeichnete die Maßnahmen als Schritt, um das Arbeiten während der Pension und über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus attraktiver zu gestalten. "Die Übernahme der Dienstnehmerbeiträge durch den Bund gewährleistet, dass es hierbei zu keinen Verdrängungseffekten kommt und die Pensionsversicherung nicht nachhaltig belastet wird", wurde zugleich in einer der APA übermittelten Stellungnahme betont. Durch die verbesserten Informationen würden Versicherte besser über die Höhe ihrer Pension und die finanziellen Vorteile eines längeren Arbeitens aufgeklärt werden. Das wirke sich auch positiv auf das faktische Pensionsantrittsalter aus. Klar sei aber, dass es zusätzlich bessere Erwerbschancen für Frauen, Maßnahmen für Langzeitarbeitslose sowie Verbesserungen der Gesundheitsvorsorge brauche.
Kocher sprach von "einem wichtigen ersten Schritt"
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sprach von "einem wichtigen ersten Schritt". Um der demografischen Entwicklung bei gleichzeitigen Mehrbedarf an Arbeitskräften entgegenzuwirken, brauche es neben qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland vor allem auch die bestmögliche Nutzung des inländischen Potenzials. Dazu müsse das gesunde Arbeiten bis zum Erreichen des Regelpensionsalters und - für alle, die das wollen - auch darüber hinaus bestmöglich erleichtert werden, so Kocher.
Kritik kam dagegen von der Opposition. Es sei nicht zu erwarten, dass die Menschen dadurch tatsächlich länger im Erwerbsleben gehalten würden, meinte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Aussendung und forderte "echte Anreize" und "keine teuren, kosmetischen Maßnahmen". Konkret fordern die NEOS eine deutliche Steuersenkung sowie eine echte Teil- beziehungsweise Flexipension nach schwedischem Vorbild.
Auch die FPÖ sprach von einer "Augenauswischerei" und verlangte klar spürbare Steuererleichterungen. "Alles andere ist keine Motivation länger arbeiten zu wollen. Wenn allerorts vom 'Fachkräftemangel' gesprochen wird, muss es wohl dem Staat was wert sein, wenn über Jahrzehnte angesammeltes Wissen im Beruf weiter zur Verfügung steht", so die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.
Die SPÖ warnte, dass die Maßnahmen lediglich zu einer Mehrklassengesellschaft am Arbeitsmarkt führen werde, wo Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die noch nicht in Pension sind teurer werden, als Ältere. Vielmehr müssten die Berufsbedingungen so gestaltet, dass Menschen länger arbeiten können, um so das faktische Pensionsantrittsalter, an das gesetzliche anzugleichen, so SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch.
IV beurteilte die Maßnahmen kritisch
Auch die Industriellenvereinigung (IV) beurteilte die Maßnahmen kritisch. Das Paket lasse "notwendige Schritte, wie auch strukturelle Reformen für Anreize zur Mehrarbeit vermissen", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung. Die Anhebung des Bonus sowie die Streichung des Dienstnehmeranteils der Pensionsversicherungsbeiträge für arbeitende Pensionistinnen und Pensionisten seien zwar "grundsätzlich positiv aber erscheinen unzureichend, um das Ziel zu erreichen - Arbeiten im Alter bzw. längeres Arbeiten tatsächlich zu attraktiveren". Klar negativ beurteilte die IV "die Einführung neuer Strafsanktionen für Betriebe".
Arbeiterkammer und ÖGB erklärten, sie würden natürlich Maßnahmen begrüßen, um Menschen eine gute Absicherung im Alter zu sichern. "Doch der heute präsentierte Maßnahmenkatalog zum Zuverdienst in der Pension hilft nur denjenigen, die gesund in den Ruhestand kommen", so Ines Stilling, AK-Bereichsleiterin Soziales. Auch Unternehmen müssten stärker in die Pflicht genommen werden, um einen längeren und gesunden Verbleib im Job auch tatsächlich zu ermöglichen.
(APA/Red)