AA

Lage in Libyen nach Drohungen Gaddafis ungewiss

Nach der Androhung einer blutigen Niederschlagung der Proteste in Libyen durch Staatschef Muammar al Gaddafi ist die Situation im Land völlig ungewiss.
"Werde als Märtyrer sterben!"
Gaddafi klammert sich an Macht
Libyens Diktator Gaddafi
Wichtiger Öllieferant Österreichs
Gaddafi: "Ich bin in Tripolis"
Gaddafis bizarre TV-Rede
Bilder: Schwere Proteste
Österreicher in Wien gelandet

Parlamentspräsident Mohamed Swei sagte am Dienstagabend in Tripolis, in den meisten großen Städten sei wieder Ruhe eingekehrt. Libyens UNO-Botschafter Ibrahim Dabbashi warnte hingegen vor der Gefahr eines Völkermords und berichtete von neuer Gewalt im Westen des Landes.

Gaddafi rief seine Anhänger für Mittwoch zu Demonstrationen auf. In einer Rede im Staatsfernsehen hatte er angekündigt, Libyen “Haus für Haus zu säubern”. “Legt Eure Waffen sofort nieder, sonst gibt es ein Gemetzel”, rief der 68-Jährige. Den “Rebellen” drohte er mit einer blutigen Niederschlagung der Proteste “ähnlich wie auf dem Tiananmen-Platz” in Peking im Jahr 1989. Er werde als “Revolutionsführer” im Land bleiben und sei bereit, als “Märtyrer” zu sterben. “Ich werde bis zum letzten Tropfen meines Blutes kämpfen”, sagte der libysche Machthaber.

Libyens Innenminister Abdel Fatah Junes gab am Dienstagabend seinen Rücktritt bekannt und stellte sich hinter die Protestbewegung. “Als Antwort auf die Revolution gebe ich hiermit meinen Rückzug von allen Funktionen bekannt”, sagte Junes im Fernsehsender Al Jazeera. “Ich rufe die bewaffneten Sicherheitskräfte auf, auf die Forderungen des Volkes zu hören.” Er sei von der Ernsthaftigkeit dieser Forderungen überzeugt. Auch Justizminister Mustafa Abdel Jalil legte bereits sein Amt nieder.

“In den meisten großen Städten” hätten Sicherheitskräfte und Armee “wieder ihre Posten eingenommen”, sagte der Präsident des Allgemeinen Volkskongresses. Er bestätigte die Bildung einer Kommission, die die Demonstrationen gegen Gaddafi untersuchen solle und die von Gaddafis Sohn Saif al-Islam am Montag angekündigt worden war. Die aktuelle Lage erlaube keine Parlamentssitzung, um über Reformen zu diskutieren, sagte der Parlamentspräsident weiter. Reformen in den Bereichen Presserecht, Strafgesetzgebung, Organisation der Zivilgesellschaft und Einsetzung einer Verfassung waren ebenfalls von Saif al-Islam angekündigt worden.

Bei den seit einer Woche andauernden Protesten in Libyen sind offiziellen Angaben zufolge mindestens 300 Menschen getötet worden. Bei den Toten handle es sich um 189 Zivilisten und 111 Militärangehörige, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Die meisten Opfer habe es mit 104 Zivilisten und zehn Militärs in der zweitgrößten Stadt Benghazi (Bengasi) gegeben, wo die Unruhen begonnen hatten. Es handelt sich um die ersten offiziellen Zahlen seit Beginn des Volksaufstands am 15. Februar. Menschenrechtler beziffern die Zahl der Toten auf bis zu 400.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn rief die internationale Gemeinschaft auf, das brutale Vorgehen der libyschen Führung gegen Demonstranten zu stoppen. “Was in Libyen geschieht, ist Völkermord in höchster Potenz”, sagte Asselborn am Mittwoch im Deutschlandfunk. Staatschef Gaddafi habe die Menschen gegeneinander aufgehetzt und zum Bürgerkrieg aufgerufen. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Welt zuschauen kann, wie hunderte oder tausende Menschen abgeschlachtet werden.” Asselborn hält Sanktionen nicht für das richtige Druckmittel. “Das Wort Sanktionen gegen ein solches Phänomen ist ein schwaches Wort”, meinte der Außenminister. Notwendig sei ein UN-Mandat, um die Menschen zu schützen. Die UNO sollte etwa beschließen, dass alle Flüge nach Libyen kontrolliert werden, damit keine weiteren Söldner ins Land kommen können. Auch die arabische Liga sei gefordert. Die Europäische Union könne innerhalb kurzer Zeit ein Einreiseverbot gegen Mitglieder des Gaddafi-Clans verhängen und Bankkonten einfrieren.

Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte das gewaltsame Vorgehen der libyschen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten und forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. Diejenigen, die für die Angriffe verantwortlich seien, müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, Gaddafi habe “quasi seinem eigenen Volk den Krieg erklärt”. US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte ein “völlig inakzeptables Blutbad”. Die Arabische Liga will Libyen vorerst von Treffen der Organisation ausschließen, so lange die Behörden nicht auf die Forderungen der Demonstranten reagieren und die Sicherheit des Volkes gewährleisten. (APA)

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Lage in Libyen nach Drohungen Gaddafis ungewiss
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen