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Längere Dienstzeiten für Piloten: Demos an vielen Flughäfen, auch in Wien

Die Piloten protestierten auch am Flughafen Wien-Schwechat gegen längere Dienstzeiten
Die Piloten protestierten auch am Flughafen Wien-Schwechat gegen längere Dienstzeiten ©APA (Sujet)
Bordpersonal in vielen Ländern Europas fürchtet derzeit, dass eine voraussichtlich im Dezember in Kraft tretende EU-Vorgabe für einheitliche Flugdienstzeiten zu längeren Diensten führt und damit zur Übermüdung von Piloten und Flugbegleitern. Unter anderem wurde dagegen am Flughafen Wien demonstriert. Bis 2015 sollen die gesetzlichen Dienstzeiten harmonisiert und über die nationalen Gesetze verankert sein.
Angekündigte Proteste

Der europäische Piloten-Dachverband ECA – der mehr als 38.000 Piloten aus ganz Europa vertritt – hat am Dienstag Demonstrationen an Flughäfen in mehr als 20 Ländern Europas organisiert. In Frankfurt machten am Vormittag mehr als 200 Piloten und Kabinenangestellte mit. In Wien war eine zwischen 9 und 11 Uhr anberaumte Demo vor der Skylink-Abflughalle auch wegen der eisigen Temperaturen nach weniger als einer Dreiviertelstunde zu Ende. Etwa 150 Crewmitglieder wurden hier gezählt, 500 waren erwartet worden.

Demos: Keine Konsequenzen für Fluggäste

Kein Flug in Wien ging wegen der Demonstration später ab, betonte der österreichische Verkehrspilotenverband ACA (Austrian Cockpit Association). Die Piloten führten in Passagier-Informationen und Flugblättern die Flugsicherheit ins Treffen, die sie mit längeren Diensten gefährdet sehen. Die Politik müsse endlich wachgerüttelt werden, sagte ACA-Sprecher Christoph Mair. “Wir müssen die kritischen Phasen entschärfen”. Die Politiker erhielten eine Petition. Die Pilotenvertreter wollen den EU-Arbeitszeitplan spätestens im EU-Parlament gekippt sehen.

Piloten: Nein zu 22-Stunden-Dienstzeiten

“Wir sagen nein zu langen Nachtflügen, nein zu 22-Stunden-Diensten, nein zu 23 Tagen Bereitschaftszeit”, hieß es am heutigen Aktionstag an den Airports. Mit einem solchen “Open End Standby” könnten laut ACA Crews “sozusagen ohne Dienstplan” 23 Tage hintereinander Bereitschaft machen und jederzeit in der Nacht oder tagsüber zum Dienst gerufen werden. Der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA wird vorgeworfen, alle Warnungen von Praktikern, Experten und Medizinern in den Wind zu schlagen. Eine letzte Studie sei gar nicht veröffentlicht worden, kritisierte Mair heute. Dass Piloten künftig Flugzeuge landen dürften, nachdem sie schon mehr als 22 Stunden wach waren, ist aus Sicht von Gewerkschaftern in Österreich und Deutschland gefährlich. Ebenso, dass Nachtflugdienste künftig 11 bis 12 Stunden dauern dürfen.

Dass Übermüdung nach langen Diensten gefährlich sei, gelte nicht nur für Piloten: “Ich möchte vor Montag 7 Uhr früh nicht ins Spital eingeliefert werden müssen, bevor Wochenenddienstübergabe bei den Chirurgen war”, meinte Mair. Vernünftige Arbeitszeitregelungen seien nicht nur für Flugzeugcrews oder medizinisches Personal vonnöten, sondern auch für Wachdienste, meint der Ex-AUA-Kapitän, der jetzt für eine chinesische Airline fliegt.

So argumentieren Airlines

Die Airlines, die sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, laxere Dienstzeitregeln zu wünschen, argumentieren hingegen, dass gerade die Dienst- und Pausenzeiten für Flugzeugcrews streng geregelt sind, und das werde auch so bleiben. Wer zu müde (unfit) zum Fliegen sei, müsse dies in jedem Fall melden. Das werde immer respektiert. Der deutsche “Cockpit”-Präsident Ilja Schulz warf der Europa-Flugsicherheitsbehörde EASA heute dennoch vor, in den geplanten neuen Dienstzeitvorschriften den Wünschen der Fluggesellschaften zu weit nachgeben zu wollen und Kostenargumente vor die Passagiersicherheit zu stellen. Bei Airlines wie British Airways oder Lufthansa ist das Thema wegen des dort weit höheren Anteils an Langstreckenflügen brisanter als in Österreich.

Gesetzesplan der EU-Kommission

Dass die EU-Pläne für neue Dienstzeiten zu Übermüdung im Cockpit führen könnten und die Sicherheit auf dem Spiel stehe, bestreitei die EU-Kommission. Sie hat vor, im Frühjahr ihren Gesetzesplan vorzulegen. Basis sind die von den Piloten kritisierten EASA-Vorschläge.Piloten und Flugbegleiter in Europa gehen auf die Barrikaden gegen längere Dienstzeiten. Der Vorwurf: Vorschläge der Europäischen Luftsicherheitsbehörde (EASA) könnten zur Übermüdung von Crew-Mitgliedern führen und damit die Sicherheit aufs Spiel setzen. In etwa 20 europäischen Städten oder an Flughäfen gab es Proteste – nicht nur in Wien-Schwechat.

Aktion auch am Airport Frankfurt

Allein am Frankfurter Flughafen beteiligten sich nach Angaben der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) 200 Piloten und Flugbegleiter an einer Protestaktion. Etwa 50 von ihnen legten sich mit Decken in der Abflughalle A im Terminal 1 auf den Boden und stellten sich schlafend, um auf die Gefahr von Übermüdung aufmerksam zu machen.

“Wir denken, dass ein übermüdeter Pilot ein gefährlicher Pilot ist”, sagte Francis Nardy vom europäischen Pilotenverband Eurocockpit bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Der Unmut des Flugpersonals richtet sich vor allem gegen die EASA-Vorschläge zu maximalen Einsatzzeiten – diese gelten nur für optimal ausgeruhtes Personal nach langen Pausen.

Die Pläne sehen den Pilotenverbänden zufolge Flugzeiten von bis zu 14 Stunden am Tag und 11 Stunden in der Nacht vor. Sicher sei ein Nachteinsatz nur bis zu einer Dauer von höchstens 10 Stunden, halten die Verbände dagegen – dies sei wissenschaftlicher Konsens. Zudem sollten Piloten künftig fliegen dürfen, nachdem sie schon mehr als 22 Stunden wach sind.

Versagte die EASA?

Der Präsident der deutschen Cockpit-Vereinigung, Ilja Schulz, warf der EASA Versagen vor. Sie habe den Wünschen der Fluggesellschaften zu weit nachgegeben und Kostenargumente über die Passagiersicherheit gestellt: “Die Behörde ist beratungsresistent und hat die Chance verpasst, die Flugdienstzeiten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse sicher zu gestalten.” ECA-Generalsekretär Philipp von Schöppenthau unterstellte: “Die EASA stoppt immer dort, wo die Airlines ihr sagen, dass sie etwas Geld kosten würde.”

Die EU-Kommission, die im Frühling einen Gesetzesvorschlag auf Grundlage der EASA-Position präsentieren will, wies die Kritik zurück. “Der Vorschlag ist ausgewogen und garantiert ein höchstes Sicherheitsniveau.” Die Arbeitnehmervertreter vermischten ihr Interesse an guten Arbeitsbedingungen mit der Frage der Sicherheit. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) teilte diese Haltung: “Es ist eine Verunsicherung der Passagiere, wenn gewerkschaftliche Wünsche in der Öffentlichkeit als neutrale Sicherheitsstandards propagiert werden”, kritisierte BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch.

Wenn die EU-Kommission ihren Gesetzesvorschlag gemacht hat, werden EU-Staaten und Europaparlament darüber beraten. Entschlüsse in Sachen neue Dienstzeiten für Piloten und Co. könnten im Herbst fallen.

(apa/red)

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