Kürzungen bei Frauen- und Mädchenberatung: Expertinnen schlagen Alarm
In Frauen- und Mädchenberatungsstellen müssen Mitarbeiterinnen gekündigt werden, von Voll- auf Teilzeit umstellen und Teilzeitstunden weiter reduzieren, weil Arbeitsmarktservice (AMS) und Sozialministerium ihre Finanzierung großteils stoppten, berichteten Expertinnen am Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz. Das bringt diese Nichtregierungsorganisationen in eine prekäre Situation und wird Folgekosten aufgrund fehlender Gewaltprävention und Beratung bringen, betonten sie.
"In den österreichischen Beratungsstellen werden Kolleginnen gekündigt oder müssen von Vollzeit- auf Teilzeitarbeit reduzieren", berichtete Dorit Haslehner-Kadlicz vom Frauen- und Familienberatungs-Verein Freiraum in Niederösterreich: "Und das bei einem verkündeten Credo der Bundesregierung, dass möglichst alle Menschen hierzulande Vollzeit arbeiten sollen."
Frauen- und Mädchenberatung: Maßnahmen bringen Kündigungen und Teilzeit
Freiraum ist etwa bis zum Ende des Jahres zu 60 Prozent vom AMS finanziert, im kommenden Jahr wird die Förderung aufgrund von "Sparmaßnahmen" einfach gestrichen, sagte Haslehner-Kadlicz: "Immerhin wurde uns eine dreimonatige Auslauffinanzierung genehmigt, damit wir Kündigungsfristen einhalten können." Drei Kolleginnen müssten gehen, zusätzlich könnten zwei Expertinnen, die auf Honorarbasis für den Verein gearbeitet haben, nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Die Organisation für Frauen und Migrantinnen "LEFÖ" wurde seit 15 Jahren etwa für die Betreuung von Gewaltopfern in der Pflege und Sexarbeit vom Gesundheitsministerium (Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Anm.) gefördert, berichtete die Leiterin Celeste Tortosa. Die Förderung erfolgte zwar stets spät in der Mitte des laufenden Geschäftsjahres, kam bisher aber verlässlich. Heuer habe man allerdings eine Absage bekommen und könne demnach schon geleistete Beratungs- und Betreuungsstunden nicht mehr abrechnen.
Dasselbe Ministerium strich auch die Finanzierung für den Verein "maiz" in Oberösterreich, der die Arbeitssituation von Migrantinnen in Österreich zu verbessern sucht, berichtete Leiterin Florina Platzer. Zusätzlich würden die Förderungen vom Land Oberösterreich drastisch reduziert. Vor drei Jahren habe man aus dessen Integrationsfonds noch 150.000 Euro erhalten, danach 100.000. "Ab dem kommenden Jahr erhalten wir keine Basisfinanzierung mehr", sagte sie. Immerhin dürfe man 50.000 Euro für Projekte beantragen. Diese durchzuführen sei aber schwierig, wenn die Infrastruktur aufgrund fehlender Grundfinanzierung fehlt. Durch die Streichungen wäre die Kündigung bei vier Menschen unausweichlich. "Bei denen, die bleiben, müssen die Stunden reduziert werden", sagte sie. Bei ihr selbst sei dies ebenfalls nötig.
Expertin: Kürzungen gefährden wirtschaftliche und soziale Stabilität
Die Kürzungen schaden nicht nur den Organisationen und von Gewalt betroffenen Frauen, die teils nicht mehr unterstützt werden können, sondern gefährden auch die wirtschaftliche und soziale Stabilität Österreichs, sagte Sophie Hansal vom Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Die Beratungen seien hoch effektiv: "90 Prozent davon enden mit einer Lösung, Verbesserung oder neuen Perspektive für die Betroffene."
Die Folgekosten von Gewalt gegen Frauen seien im Gegensatz zu den Förderungen für Prävention und Betreuung immens hoch, berichtete sie: "Für Österreich werden sie konservativ auf 7,3 Milliarden Euro jährlich geschätzt." Sie entstehen etwa durch nötige Arzt- und Krankenhausbesuche, polizeiliche Ermittlungen und Strafverfahren sowie Haftkosten. Dazu komme finanzieller Schaden durch Arbeitsausfälle und geringere Produktivität bei den betroffenen Frauen. Außerdem entstünden nicht quantifizierbare immaterielle Belastungen durch Traumata und den Verlust an Lebensqualität.
Anstatt die Betreuungsangebote durch Aussetzen der Förderungen zu schmälern, sollte man sie ausbauen, forderten die Expertinnen: Der Bedarf sei aktuell am Steigen, und auch finanziell würde es sich lohnen. "Prävention und Beratung sparen Geld", sagte Hansal: "Laut einer Studie aus England bringt jeder investierte Euro neun Euro zurück." Die Pressekonferenz wurde vom Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen organisiert.
(APA/Red)