Die größte Szene der österreichischen Jugendkultur heute sind die “Snowboarder”, im “Verschwinden” sind die noch jungen “Krocha”, am schnellsten wächst derzeit die “Fitness”-Szene und stark im Kommen sind die “Lohas”, erzählte Jugendforscher Manfred Zentner im Gespräch mit der APA.
Junge Szenen wie die “Krocha” oder “Emos” haben vergleichsweise eine kleinere Gruppe an Anhängern. Erstere dürfte sich laut Jugendforscher nicht mehr allzu lange halten. Die “Krocha”-Szene aus dem ostösterreichischen “ins Festl oder in die Party einekrochn” hat ihre Anfänge im Jahr 2007, entstanden ist sie in den Großraumdiscotheken an der Peripherie Wiens. “Sie werden sich nicht lange halten können. Entwickelt haben sich die ‘Krocha’ aus einem Unterschicht-Milieu, das schön sein wollte, sich aber die ‘House’-Szene nicht leisten konnte”, sagte Zentner. “Der Punkt ist, dass sich niemand mit der Unterschicht identifizieren will. Die Gruppe wird nicht wachsen”, meinte der Experte.
Die deutlich größte Szene in Österreich sind die “Snowboarder”. “Einfach weil es cool ist”, meinte Zentner. Jeder zweite Jugendliche findet die “Snowboarder”-Szene sympathisch. Um die Szene gut zu finden, muss man den Sport aber nicht selbst betreiben. Snowboarden ist eine Weltanschauung.
Übergreifend ist auch die “House”-Szene, die von außenstehenden Jugendlichen als “Schicki-Micki-Partie” bezeichnet wird. “Wer es sich leisten kann, ist dabei”, so der Jugendforscher.
Die am schnellsten wachsende Gruppe an Gleichgesinnten ist hierzulande die “Fitness”-Szene, der zunehmend immer jüngere Jugendliche angehören (ab 15 Jahren). Ihre Anhänger sind sehr körperbezogen, es geht ums Schönsein, auf das Äußere wird sehr viel Wert gelegt. “Die Jugendlichen erwarten sich dadurch Anerkennung in der Gesellschaft. Sie glauben, dass man mit gutem Aussehen in der Gesellschaft weiterkommen kann”, meinte Zentner. Anders als man vermuten würde, ist die “Fitness”-Szene aber keine Gesundheitsszene. In dieser Gruppe sei die höchste Bereitschaft für Schönheitsoperationen vorhanden, zeigen Befragungen des Instituts für Jugendkulturforschung. Ebenfalls niedrig sei die Hemmschwelle Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.
Im Kommen sind in Österreich die “Lohas” (von Lifestyle of Health and Sustainability). Das sind Personen, die bewusst – auch im Sinne von umweltbewusst – einkaufen und ihre Lebensweise auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausrichten. “Diese Leute sind bereit, Geld auszugeben und wollen gesund leben”, sagte der Jugendforscher. “‘Lohas’ laufen aber nicht in Birkenstockschlapfen herum, sie schauen eher aus wie ‘House’-Typen, sind über 20 Jahre alt und können sich ihren Lebensstil leisten. Beim Kleiderkauf machen sie sich Gedanken, wo diese hergestellt wurden. “Lohas” konsumieren gerne, haben aber keine radikalen Weltansichten. “Sie sollen nicht verzichten, um die Welt zu retten. Sondern meinen, das auch anders lösen zu können”, erklärte Zentner.
In der Szene regiert der Code: Wenn Jugendliche von “Writen” (Sprayen), “Pros” (“Skateboard Profis”), “Schichtpatienten” (Jugendliche, die in die Discothek Nachtschicht gehen), “grunzen” (aus der Metal-Szene) oder “abraven” (aus der Techno-Szene) reden, verstehen Erwachsene nur Bahnhof. Die gemeinsame Sprache – der Code – ist genauso wichtig, wie die Kleidung oder die Musik.
Szenen sind fixer Bestandteil der Jugendphase mit der Heranwachsende demonstrativ ihrer Umwelt signalisieren: “Ich bin kein Kind mehr, ab jetzt bin ich Jugendlicher”, analysierten die Jugendforscher Beate Grossegger und Bernhard Heinzlmaier im “Jugendkultur Guide”. War die Jugend in den 60er oder 70er Jahren rebellisch und auf Provokation aus, hat sich die Jugendkultur heute zu einer Freizeitwelt mit vielen Szenen gewandelt. Vom offensiv geführten Kulturkampf gegen die Eltern ist die radikale Opposition zur Gesellschaft nur mehr in wenigen kleinen Jugendszenen ein Thema. Das soziale Netzwerk mit Gleichaltrigen ist für Jugendliche so etwas wie eine Begleitinstanz auf der Suche nach sich und der Welt, so Grossegger und Heinzlmaier.
Szenen werden auch in dem Maße wichtiger, in dem die traditionellen Institutionen wie Politik und Kirche an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig sind sie Orientierungssysteme. Jugendszenen sind soziale Welten und formieren sich um Themen, die für Jugendliche attraktiv sind: allem voran um Musik, Funsport und Medien. Drei von vier Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren gehören in Österreich einer Szene an.