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Kroatien: Abkommen sorgt für Krise

Das geplante Abkommen mit Wien über die Entschädigung von nach dem Zweiten Weltkrieg nach Österreich geflüchteten kroatischen Bürger schlägt in Zagreb weiter innenpolitische Wellen.

Die Frage lautet: Wer ist für das Abkommen verantwortlich? Die jetzige HDZ-Regierung (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) oder die vorherige Koalition unter der Leitung der SDP (Sozialdemokraten)? Die Diskussion sorgt für den schärfsten Konflikt zwischen den beiden stärksten Parteien Kroatiens seit den Parlamentswahlen 2003. Das erste Entschädigungsgesetz für Vermögen, das während des Kommunistischen Regimes in Jugoslawien enteignet wurde, trat im Oktober 1996 in Kraft. Laut diesem Gesetz konnten nur kroatische Staatsbürger oder ihre Erben ihr Eigentum zurückerhalten oder entschädigt werden. Ausländer hatten demnach keinen Anspruch auf Entschädigung.

Das kroatische Verfassungsgericht bewertete diesen Artikel des Gesetzes 1999 als nicht verfassungskonform und annullierte ihn. Nach der Wahl Anfang 2000 entschied die damals neue Koalitionsregierung unter Premier Ivica Racan (SDP) die von der vorhergegangenen HDZ-Regierung erlassenen Gesetze zu ändern. 2002 wurde ein neues Gesetz im kroatischen Parlament verabschiedet. Laut diesem hatten ehemalige Eigentümer, die nicht mehr die kroatische Staatsbürgerschaft besaßen, kein Recht auf Entschädigung, falls diese Frage schon zuvor durch ein internationalen Abkommens vollständig gelöst worden war. In Ausnahmefällen hatten aber auch ausländische Bürger und Firmen das Recht auf Entschädigung, wenn dies durch ein internationales Abkommen geregelt wurde.

Laut der heutigen HDZ-Regierung unter Premier Ivo Sanader bedeutete diese Änderung, dass Kroatien mit andere Staaten Abkommen schließen muss. Seiner Meinung nach gab das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber einen dementsprechend klaren Auftrag. Sanader sagte bei der jüngsten Regierungssitzung, dass das Gesetz während des Mandats von Racans Koalitionsregierung geändert worden war. „Diejenigen, die das Gesetz jetzt kritisieren, haben es selbst verabschiedet.“ „Als damalige Opposition waren wir dagegen, aber heute halten wir dieses Gesetz in Ehren, weil es damals eine parlamentarische Mehrheit verabschiedet hat“, sagte Regierungs- und HDZ-Chef Sanader. Die heutige Regierung erinnerte auch daran, dass die Racan-Koalition die Verhandlungen über die Entschädigung mit Österreich begonnen habe.

Ivica Racan, Präsident der SDP und Regierungschef von 2000 bis 2003, sieht die Sache etwas anders. „Die jetzige Regierung lügt und täuscht die Öffentlichkeit“, lautet seine Einschätzung. Die SDP ist der Meinung, dass die Änderungen des Entschädigungsgesetzes nur die Möglichkeit für die Rekompensationen an Ausländer eröffneten, aber keine Verpflichtung dazu beinhaltete. Das bestätigte auch Jadranko Crnic, der 1999 Präsident des Verfassungsgerichtes war. Er erklärte, dass das Verfassungsgericht keinen Auftrag gegeben habe, sondern gegenüber dem Parlament nur die Empfehlung aussprach, „prinzipiell das Recht einer Restitution für Ausländer“ anzuerkennen. Alle Bedingungen für eventuelle Entschädigung sollte dann der Gesetzgeber definieren. Im Jahr 2002 wurden die Bedingungen definiert, wobei aber die politischen Streithähne jeweils bei ihren eigenen Interpretationen blieb. Zur Zeit sieht es so aus, als ob den kroatische Wählern die Auslegung der SDP besser gefällt: Laut einer Umfrage ist die Popularität Sanaders seit Beginn der Streits auf die Hälfte gesunken.

Die Diskussion sorgt mittlerweile auch in den USA für Aufsehen. Die Zeitung „Vecernji list“ berichtete am Sonntag von einem Brief der internationalen jüdischen Hilfsorganisation „B’nai B’rith“ („Söhne des Bundes“) an Präsident Stjepan Mesic. Darin äußerte sich die Organisation besorgt über die ablehnende Haltung des Präsidenten zu dem geplanten Abkommen mit Wien und mögliche Folgewirkungen auf jüdische Entschädigungsansprüche an Kroatien aus Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Mesic hatte im September bei einem Treffen mit jüdischen Vertretern gesagt, dass es sich dabei nicht nur um eine finanzielle sondern auch um eine moralische Frage handle.

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