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Kritische Verhandlungen auf WTO-Konferenz

Die meisten Kompromisse werden weit nach Mitternacht geschmiedet, um dann müde aber zufrieden in den frühen Morgenstunden verkündet zu werden.

Auch die WTO-Ministerkonferenz im mexikanischen Cancun gehorcht den Gesetzen internationaler Verhandlungsrunden. Nach Tagen des Stillstands sind sich die 146 WTO-Mitglieder in nächtlichen Hintergrundrunden in ihren Hauptstreitpunkten zaghaft entgegengekommen und haben sich auf eine Vorlage für eine Abschlusserklärung geeinigt. Nun hat das Feilschen um die Details begonnen.

Das hart errungene Positionspapier gibt die Richtung vor, stellt aber beileibe keine Garantie für eine Einigung dar. Enttäuschung bei genauerer Betrachtung der Vorlage machte sich nicht nur bei den Entwicklungsländern breit, die ihre Forderungen nicht erfüllt sehen. Auch der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement findet deutliche Worte: „Wenn der Entwurf so bleibt, wird die gesamte Europäische Union nicht zustimmen“, kündigt er an. Unzufrieden ist auch Verbraucherministerin Renate Künast, die „erheblichen Nachbesserungsbedarf“ anmahnt.

In den jetzt anstehenden Verhandlungsrunden muss WTO-Präsident Supachai Panitchpakdi, ehemaliger Vizepremier Thailands, einmal mehr sein Vermittlungsgeschick beweisen. So unterschiedlich wie die Zahl der Länder sind auch deren Interessen. „Jetzt ist der Ernstfall da“, sagt Clement auf dem Weg in die nächste Beratungsrunde. Die drei Sitzungstage davor waren nur Vorspiel, sozusagen ein Warmlaufen der Verhandlungspartner.

Auch wenn viele der Kritikpunkte wie Verhandlungstaktik anmuten, wird damit doch das Dilemma der Welthandelsorganisation sichtbar. Bis Ende 2004 soll die vor zwei Jahren in Doha gestartete Handelsrunde abgeschlossen sein. Zusätzlichen Zeitdruck erhalten die Verhandlungspartner durch die amerikanischen Wahlen im kommenden Jahr. Außerdem verfolgt die WTO das Konsensprinzip, das heißt alle Beschlüsse müssen einstimmig gefällt werden.

In der Landwirtschaft macht die Kompromissvorlage den Weg für den Abbau der Agrarsubventionen frei, ohne sich jedoch konkret auf Zeit und Produkte festzulegen. Für einige Erzeugnisse, die für Entwicklungsländer von besonderer Bedeutung sind, wird die gänzliche Abschaffung der handelsverzerrenden Unterstützungsmaßnahmen vorgeschlagen. Zucker, Reis und Mais könnten somit Eingang in die Liste dieser Produkte finden. Doch die Vorlage bleibt vage.

Konkrete Regelungen vermisst auch eine Gruppe von vier afrikanischen Ländern, die einen sofortigen Subventionsstopp auf Baumwolle gefordert hatte. Baumwolle ist eines der am höchsten subventionierten Agrarprodukte weltweit. „Es ist eine Schande für eine internationale Organisation wie die WTO“, schimpft der Baumwollbauer Francois Traore, der auch Mitglied der Delegation aus Burkina Faso ist.

Für Marita Wiggerthale, Handelsexpertin bei German Watch, hat sich mit dem Kompromisspapier das „Worst-Case-Szenario“ bewahrheitet. Besonders bei Baumwolle sieht sie keine Unterstützung für die afrikanischen Länder, sondern nur Zynismus. „Das ist keine Entwicklungsrunde, sondern ein PR-Gag“, urteilt sie.

Insbesondere Deutschland gehörte zu den stärksten Befürwortern für ein Verhandlungsmandat bei einem Investitionsschutzabkommen. Immer wieder hatte Clement betont, dass es in Cancun nicht nur um die Landwirtschaft gehen kann. Das Positionspapier schlägt jetzt die Verhandlungsaufnahme über Zollerleichterungen und mehr Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vor. Ein Mandat, dass Deutschland nicht weit genug geht. „Investitionssicherheit ist auch im Sinne der Entwicklungsländer“, ermahnt Clement die Kritiker.

Die so genannten „Singapur-Themen“ werden hingegen auch von den Nichtregierungsorganisationen abgelehnt. Sie befürchten eine Machtausdehnung der multilateralen Organisation WTO. Eine Reihe von Entwicklungsländern seien auf diese Investitionsverhandlungen gar nicht vorbereitet, meint Sigrid Thomsen von der Nichtregierungsorganisation Oxfam. Damit würden nur die Interessen des Nordens reflektiert.

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