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Kritik zu "Die Kommune" im Akademietheater

©APA
Wie gute Freunde besucht man im Akademietheater "Die Kommune", lacht mit ihnen und leidet mit ihnen. Thomas Vinterberg hat gemeinsam mit seinem Co-Autor Mogens Rukov einen wunderbaren Theaterabend erarbeitet, der bei der Uraufführung am Samstag zu Recht bejubelt wurde.
Die Bilder der Premiere

Das Thema scheint in der Luft zu liegen: So wie Vinterberg sich in seinem zweiten Stück mit dem eigenen Aufwachsen in einer Kommune im Kopenhagen der 70er Jahre beschäftigt (“Ich hatte eine glückliche Kindheit und werde diese Zeit immer in guter Erinnerung behalten.”), haben auch die Filmemacher Marcus H. Rosenmüller (“Sommer in Orange”) und Marie Kreutzer (“Die Vaterlosen”) kommunardisches Treiben auf die Leinwand gebracht. Auch wenn die gesellschaftliche Utopie längst einem Pragmatismus gewichen ist, zeigt “Die Kommune” zunächst das Weiterwirken des sozialen Experiments von einst: Alle heute bekannten WG-Rituale, vom Aufnahmegespräch über Abstimmungsmarathons und Gruppensitzungen zu Kochen, Putzen und Beziehungsproblemen, finden sich hier angelegt.

Gruppen-Soap ohne Gruppen-Sex

Doch Hardcore-Kommunarden a la Mühl oder Langhans sind Erek, Anna, Ole und die anderen keineswegs. Freie Liebe ist kein Muss. Im Gegenteil: Die stinknormale Zweierbeziehung ist genau das, was das fröhliche Zusammenleben der “sexwilligen, toleranten, klugen, politisch aktiven, offenen und herzlichen Menschen, die eins mit ihrem Karma sind” (wie sich die Kommunen-Gründer ihre Mitbewohner vorstellen) unter eine arge Probe stellen wird. So weit, so vorhersehbar. Neues erfährt man in dieser etwas über zweistündigen, pausenlosen Gruppen-Soap ohne Gruppen-Sex tatsächlich nicht. Warum unterhält der Abend dennoch so blendend? Weil er hervorragend gebaut ist. Und weil eine fantastische Darstellerriege auf der Bühne steht.

“Die Komune” aus dem Leben gegriffen

Nicht nur das von Ausstatter Stefan Mayer gebaute, gemütliche Villen-Erdgeschoß, auch Dialoge und Situationen sind ganz naturalistisch, scheinen direkt aus dem richtigen Leben gegriffen. Ohne allzu vordergründig auf Pointen zu setzen, gibt es viel zu lachen, ehe durch die Ankunft von Ereks junger Geliebter (Adina Vetter) die Handlung eine dramatische Wendung nimmt und die ganze WG in einen klassischen Dreiecks-Konflikt hineingezogen wird. Joachim Meyerhoff und Regina Fritsch geben diesen Szenen einer Ehe tragische Tiefe, ohne melodramatisch zu werden, während Elisa Plüss als von der Situation überforderte Tochter eine starke Talentprobe abgibt.

Die offene Dramaturgie der Auslassungen sorgt mit gelungenen Szenenwechseln (und etwas beliebig wirkenden Musikeinlagen) dafür, dass nicht nur der Zuschauer zum Mitdenken animiert wird, sondern auch jeder der restlichen Mitbewohner eigene kleine Kapitel dieser Kommunen-Chronik schreiben darf. Tilo Nest brilliert als verschrobener Pyromane, Alexandra Henkel und Dietmar König als verkrampftes Paar, das im Bauch lange nicht so locker ist, wie es sich im Kopf wünschen würde, Fabian Krüger als einzig wahrer Hippe inmitten dieser Schar verkappter Spießer und Dorothee Hartinger als abgehobene Esoterik-Fee mit breitem Dialekt.

Gute Miene zum bösen Spiel im Akademietheater

Am Ende ist Kommunen-Mama Anna gebrochenen Herzens ausgezogen, von der eigenen Tochter dazu aufgefordert. Der Rest versucht unschuldige Miene zum bösen Spiel zu machen. Für politische Köpfe gibt es Wichtigeres zu besprechen. Etwa die Entscheidung der USA, sich aus Vietnam zurückzuziehen. Da sollte doch wirklich jeder wissen, was davon zu halten ist. Bis auf die überforderte Mona. Ihr gehört das schöne, fiese Schlusswort des Abends: “Wenn es wirklich das ist, was sie wollen…”

Nächste Vorstellungen: 12., 19., 25.9., 3., 4.10., Karten: 01 / 513 1 513, Infos unter http://www.burgtheater.at

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