Kritik wegen Pilnacek-Tonaufnahme: Nehammer steht zu Sobotka

Nehammer betonte vor Journalisten am Mittwoch, dass er nach wie vor Vertrauen in Sobotka habe. Dies kommt inmitten von Anschuldigungen aufgrund einer kürzlich veröffentlichten heimlichen Tonaufnahme, auf der der verstorbene Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek behauptet hatte, dass die ÖVP, insbesondere Sobotka, versucht habe, in laufende Ermittlungen einzugreifen. Nehammer bezeichnete die aktuelle Situation als "einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung". Indes warf die ÖVP den Namen Stefan Petzner als Mitwisser in den Raum.
Nehammer: "Sobotka hat mein Vertrauen"
Der ehemals suspendierte Sektionschef Pilnacek, der einflussreichste Mann im Justizministerium, verstarb vor einigen Wochen. Nun ist eine heimliche Aufnahme eines Gesprächs von Pilnacek mit Freunden in einem Wirtshaus Ende Juli aufgetaucht. Auf der Aufnahme ist zu hören, wie Pilnacek behauptet, dass die ÖVP gefordert habe, dass er Ermittlungen einstellt und Hausdurchsuchungen stoppt, was er angeblich immer abgelehnt habe.
Nehammer äußerte sich kritisch zu dieser Entwicklung und bezeichnete sie als "pietätlos". Er bemängelte, dass die politische Debatte auf Kosten des Verstorbenen geführt werde. Nehammer warf auch den Journalisten vor, die Totenruhe zu stören, indem sie solche Fragen stellten. Da Pilnacek nicht mehr dazu Stellung nehmen könne, sah Nehammer die Diskussion als "moralisch nicht vertretbar" an und kündigte an, sich nicht weiter daran zu beteiligen.
Pilnacek hatte Sobotka namentlich genannt
Von Seiten der Opposition hagelte es dagegen Rücktrittsaufforderungen an die Adresse Sobotkas. Ein von der Grünen Generalsekretärin Olga Voglauer ins Spiel gebrachter Untersuchungsausschuss ist dagegen nicht realistisch - sowohl NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger als auch SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer sprachen sich dagegen aus.
Die ÖVP machte sich unterdessen auf die Suche nach den Urhebern bzw. Hintermännern der Aufnahme. Generalsekretär Christian Stocker brachte dabei in einer Pressekonferenz den früheren BZÖ-Politiker Stefan Petzner ins Spiel, der auch Verbindungen zur FPÖ habe. Dieser hatte in einem Interview auf oe24.tv am 6. November 2022 (also vor der Tonbandaufnahme) gesagt: "Auf den Wolfgang Sobotka kommt noch einiges zu, er weiß es nur noch nicht." Laut Stocker würden sich angesichts dieser Aussagen einige Fragen erheben, "die beantwortet werden müssen". Petzner selbst war für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen nicht erreichbar. Die ÖVP überlegt auch rechtliche Schritte gegen die noch nicht bekannten Hintermänner der Aufnahme.
Beschuldigen will Stocker laut eigener Aussage Petzner nicht. "Ich unterstelle überhaupt nichts, aber ich stelle Fragen", meinte er auf Nachfrage. Die Aussagen des nunmehrigen Politberaters sei zudem vor dem angeblichen Aufnahmedatum des Tonbandmitschnitts mit Pilnacek getätigt worden. Die Frage sei also, welche Informationen Petzner hatte und von wem. "Das sind Fragen, die man stellen muss. Stefan Petzner wird sie beantworten müssen aus meiner Sicht", so der ÖVP-Generalsekretär.
Auch rechtliche Schritte überlegt die ÖVP nun gegen die noch nicht bekannten Hintermänner der Aufnahme. "Wir werden prüfen, welche strafrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht sind." Aber auch die Medien sieht Stocker in der Pflicht, "es ist jetzt an der Zeit hinzusehen". Abermals sprach der ÖVP-Generalsekretär von Geheimdienstmethoden und meinte: "Diese Methoden haben in der Vergangenheit in unserer Republik großen Schaden angerichtet."
Auch Jan Krainer meldete sich zu Wort
Zu Wort meldete sich am Mittwoch noch einmal der einstige SPÖ-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, Jan Krainer. Er forderte Sobotka ein weiteres Mal auf, dessen Amt zurückzulegen. Außerdem sieht Krainer nun nicht nur das Justizministerium in der Pflicht, sämtliche von Pilnacek erhobene Vorwürfe aufzuklären, sondern auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Es sei "an der Zeit, dass der erste Mann im Staat hier Wort ergreift, denn es kann ihm ja nicht egal ist, wer der Mann hinter ihm ist".
Einen Untersuchungsausschuss der Opposition zu Pilnaceks Aussagen - wie ihn tags zuvor Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer von sich aus für möglich gehalten hatte - erachtet Krainer für nicht notwendig, denn: "Die Frage der politischen Verantwortung ist hier gar keine Frage mehr."
NEOS-Chefin für unabhängige Untersuchungskommission
Nicht ganz nachvollziehen kann NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Verteidigungslinie der ÖVP, wonach Pilnacek im U-Ausschuss Interventionen in Abrede gestellt habe. Der ehemalige Sektionschef habe dabei lediglich eigene Interventionen verneint, so Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz. Bezüglich solcher Versuche ihm gegenüber habe er sich dagegen der Aussage entschlagen. Krainer wiederum sieht auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Pflicht. Es sei "an der Zeit, dass der erste Mann im Staat hier Wort ergreift, denn es kann ihm ja nicht egal ist, wer der Mann hinter ihm ist".
Meinl-Reisinger sprach sich bei einer Pressekonferenz für eine unabhängige Untersuchungskommission im Justizministerium aus, etwa unter Vorsitz einer Person wie der ehemaligen OGH-Präsidentin und Ex-NEOS Abgeordneten Irmgard Griss nach dem Vorbild jener Kommission nach dem Terroranschlag in Wien. Diese Frage habe sie auch mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) erörtert. Gleichzeitig brauche es eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bringe dagegen aufgrund der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit und der zu erwartenden "Schlammcatcherei" nichts.
Grüne in Angelegenheit zurückhaltend
Die Grünen äußerten sich zurückhaltend zu dieser Angelegenheit. Der Gesundheitsminister Johannes Rauch, der als Grünen-Vertreter bei der Pressekonferenz anwesend war, betonte, dass Justizministerin Alma Zadic die Verantwortung dafür trage, die Angelegenheit in Ruhe und gründlich aufzuklären. Die Generalsekretärin der Grünen, Olga Voglauer, hatte zuvor erklärt, dass sie an Sobotkas Stelle angesichts früherer Vorwürfe bereits ihren Rücktritt angeboten hätte, um das Ansehen des Amtes zu wahren.
(APA/Red)