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Kritik an Reform des Maßnahmenvollzugs

Erwachsenenvertreter kritisieren die Reform des Maßnahmenvollzugs.
Erwachsenenvertreter kritisieren die Reform des Maßnahmenvollzugs. ©APA/HANS KLAUS TECHT (Symbolbild)
Die für März 2023 geplante Reform des Maßnahmenvollzugs wird von Erwachsenenvertretern kritisiert. Ihnen geht die Reform nicht weit genug.

"Der Reformentwurf bleibt weit hinter den Erwartungen zurück und wird wenig ändern", kritisiert Martin Marlovits vom Verein VertretungsNetz in einer Aussendung am Mittwoch den Entwurf für die Reform des Maßnahmenvollzugs. Die Anfang November von der Regierung präsentierte Reform des Maßnahmenvollzugs soll am Donnerstag Justizausschuss des Nationalrats behandelt werden.

Reform des Maßnahmenvollzugs verschärft Voraussetzungen für lebenslange Einweisungen

Kern der Reform ist unter anderem eine Erhöhung der Strafschwellen für Anlasstaten. Psychisch kranke Rechtsbrecher können nur mehr dann potenziell lebenslang in eine Anstalt eingewiesen werden, wenn das Anlassdelikt mit mehr als drei Jahren (bisher: ein Jahr) Freiheitsstrafe bedroht ist (bei Gefahr für sexuelle Integrität oder Leib und Leben schon ab einem Jahr). Verbesserungen soll es auch für Jugendliche geben. Für sie gab es bisher keine Unterscheidung zu Erwachsenen. Nun kommen sie erst bei einem Kapitalverbrechen (ab zehn Jahren Strafdrohung) in den Maßnahmenvollzug.

Erwachsenenvertreter kritisieren Maßnahmenvollzug für Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen

Die Zahl der untergebrachten Personen habe sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht, so Marlovits. VertretungsNetz vertritt als gerichtlicher Erwachsenenvertreter Personen, die im Maßnahmenvollzug untergebracht sind und aufgrund ihrer psychischen Erkrankung als zurechnungsunfähig gelten. Viele davon haben eine intellektuelle Beeinträchtigung oder sind demenziell erkrankt. "Der Maßnahmenvollzug ist ein komplett falsches Setting für diese Personengruppe", so Marlovits.

Zweck der Unterbringung im Maßnahmenvollzug ist die Behandlung und ein Abbau der Gefährlichkeit beziehungsweise die Vermeidung einer weiteren Tatbegehung. Viele der Menschen würden krankheitsbedingt jedoch gar nicht verstehen, weshalb sie untergebracht seien. Diese hätten keinerlei Perspektive auf Entlassung oder auch nur Lockerungen, was zu extrem langen Unterbringungszeiten führe, kritisierte der Erwachsenenvertreter. VertretungsNetz fordert seit langem, Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen und demenziellen Erkrankungen von einer Unterbringung auszunehmen. Der Kreis der Betroffenen solle laut Gesetzesentwurf jedoch unverändert bleiben.

Forderung nach Vertretung für psychisch erkrankte Menschen

Weiters kritisiert Marlovits, dass rund 80 Prozent der im Maßnahmenvollzug untergebrachten Menschen wegen "minderschwerer" Delikte dort seien. Grund für eine Unterbringung sollte seiner Ansicht nach erst eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren sein.

Nach wie vor fehle auch eine gesetzlich verankerte Vertretung für psychisch erkrankte Menschen. Während der Unterbringung könnten den Betroffenen so Patientenanwälte und -anwältinnen zur Verfügung gestellt werden. Aber auch nach der Unterbringung brauche es wirksamen Rechtsschutz.

Die Reform stehe und falle mit der Frage, ob alternative Betreuungsstrukturen geschaffen werden, betonte der Erwachsenenvertreter. Es brauche forensisch-therapeutische Ambulanzen und spezialisierte Wohneinrichtungen mit fachlich qualifiziertem Personal. Davon werde abhängen, ob ein "vorläufiges Absehen vom Vollzug" funktionieren könne. Positiv sieht Marlovits, dass bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Strafdrohung der Anlasstat erhöht werden soll. Bei der Unterbringung Erwachsener halte man jedoch "an verkrusteten Strukturen" fest.

"Auch ein weiterer Ausbau von Großanstalten ist aus unserer Sicht der völlig falsche Weg. Statt der im Budget dafür veranschlagten hohen Summen sollten mehr Ressourcen in die psychiatrische ambulante und stationäre Versorgung fließen, damit es gar nicht erst zur Unterbringung im Maßnahmenvollzug kommen muss.", so Marlovits.

SPÖ will Reform zustimmen - NEOS und FPÖ nicht

Morgen soll das neue Gesetz vom Justizausschuss im Parlament behandelt werden und dann auch beschlossen werden. SPÖ-Justizsprecherin Selma Yilderim kündigte im Ö1-Morgenjournal an, der Gesetzesänderung zuzustimmen, auch wenn sie befürchte, dass "diese Reform nicht viel ändern wird". NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter bezeichnete die Pläne in einer Aussendung am Mittwoch als "türkise Law-and-Order-Politik". "Von Reform kann keine Rede sein, nicht einmal von einem Reförmchen. Gerade von einer grünen Justizministerin hätten wir uns eine energische Beseitigung dieses justizpolitischen Schandflecks, wie ihn der derzeitige Maßnahmenvollzug darstellt, erhofft", so Margreiter. Auch die FPÖ wird der Reform nicht zustimmen.

(APA/Red)

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