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Kritik an Medien-Zensur: BMI weist Vorwürfe zurück, Kickl schweigt

Herbert Kickl hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert.
Herbert Kickl hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. ©APA
Das Innenministerium meldete sich am Dienstag erneut zum Vorwurf einer "Informationssperre" der Medien zu Wort und dementierte diesen. Minister Kickl schweigt vorerst zur Causa.
Mail löst Diskussion um Zensur aus

Das FPÖ-geführte Innenministerium war am Dienstag neuerlich darum bemüht, die Bedeutung jenes öffentlich gewordenen Papiers, in dem Maßnahmen gegen kritische Medien vorgeschlagen werden, herunterzuspielen. Die Kritik an der Medienarbeit des Ressorts wies man zurück. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) selbst nahm vorerst nicht Stellung und ging auf Tauchstation.

Ministerium dementiert “Informationssperre” für Medien

Der Freiheitliche schickte den Leiter der Präsidialsektion, Karl Hutter, in der Causa vor. “Von einer ‘Informationssperre’ kann keine Rede sein”, stellte Hutter fest. Im kritisierten Schreiben des Ressortsprechers, das an verschiedene Polizeidienststellen versandt wurde, werde nicht nur ausdrücklich auf das “rechtlich vorgesehene” Maß der Zusammenarbeit mit Medien hingewiesen, sondern es wurde zur Erläuterung auch eine umfangreiche Passage aus dem Auskunftspflichtgesetz beigefügt.

Hutter betonte als Vorgesetzter des Verfassers, dass es sich bei dem Mail weder um eine Weisung handle noch um ein Schreiben, das im Auftrag oder auch nur im Wissen des Innenministers oder seines Kabinetts verfasst wurde. Formulierungen wie “Schreiben aus dem Ministerbüro” oder gar “Geheimpapier” seien deshalb unzutreffend, erklärte Hutter in einer Aussendung.

Neufassung der Grundlagen der Medienarbeit geplant

“Das Mail stellt auch keineswegs eine Leitlinie für die Arbeit der Kommunikations-Mitarbeiter im Bundesministerium und den Landespolizeidirektionen dar”, sagte Hutter. Die Prinzipien der Medienarbeit seien aktuell im “Erlass für die interne und externe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Inneres (BMI) und der nachgeordneten Behörden und Dienststellen” geregelt.

Das Innenministerium will die aktuelle Debatte zum Anlass für eine Neufassung der Grundlagen der Medienarbeit nehmen. “Wir werden unter meiner Koordination und unter Federführung des Kommunikations-Abteilungsleiters neue Leitlinien erstellen. Diese werden nach Fertigstellung auch den Kolleginnen und Kollegen der Medien zur Verfügung gestellt”, kündigt Hutter an.

Wiener LPD-Pressechef sieht “keine Änderung”

Für die Pressestelle der Landespolizeidirektion (LPD) Wien stellen die Empfehlungen aus dem Innenministerium (BMI) bezüglich des Umgangs mit Journalisten und bestimmten Informationen “keine Änderung im täglichen Gebrauch unserer Medienarbeit darf”. Das sagte deren Leiter Manfred Reinthaler auf APA-Anfrage. Einzige Ausnahme sei die Nennung der Staatsbürgerschaft bei Verdächtigen in Aussendungen.

Diesbezüglich hat die LPD Wien ihre bisherige Praxis schon seit einer Woche – vor einem entsprechenden E-Mail eines BMI-Sprechers, aufgrund telefonischer Informationen aus dem Innenressort – geändert. Reinthaler, seit 2009 Leiter der größten Polizeipressestelle in Österreich, sieht darin eine Maßnahme “im Sinne der Transparenz” und für eine österreichweit einheitlichere Linie als zuvor. “Wenn alle benannt werden (Österreicher wie Ausländer, Anm.), ist das für uns in Ordnung”, hielt der Pressechef fest. “Wenn die fachvorgesetzte Behörde darum ersucht, das zu machen, tun wir das natürlich.”

Nennung von Staatsbürgerschaften in Aussendungen “in Ordnung”

Bei der für die Öffentlichkeit bestimmten Kommunikation zu Sexualstraftaten gelte nach wie vor der Grundsatz, den Opfer- und Datenschutz in den Vordergrund zu stellen. “Bei Fällen im öffentlichen Raum halten wir schon bisher nicht hinter dem Berg, sofern nicht kriminaltaktische Gründe, etwa eine laufende Observation, dagegen sprechen”, erläuterte Reinthaler. “Beim Großteil der Sexualstraftaten, in etwa 80 Prozent der Fälle, besteht aber eine Täter-Opfer-Beziehung. Bei solchen Taten im familiären Bereich könnte die Identität des Opfers leicht nachvollzogen werden, deswegen wird hier zumeist von einer Veröffentlichung abgesehen. Es ist eine Frage der Prioritäten.”

Zum Hauptvorwurf der angeblich intendierten Beschneidung der Pressefreiheit durch Ausgrenzung “kritischer” Medien betonte Reinthaler: “Es gibt absolut keine Info-Sperre. Das steht so auch nicht (in dem E-Mail, Anm.) drinnen.” Dass die sogenannten Exklusivbegleitungen – einzelne Journalisten begleiten Polizeieinheiten zu bestimmten Einsätzen – zur Imagepflege eingesetzt werden, “das mache ich, seit ich hier Chef bin”. Wer dort zum Zug kommt, “das suchen wir schon selber aus”. Dass das Ziel “eine neutrale oder positive Berichterstattung” sei, “ist nichts Neues”.

Ziel: Medien sollen neutral berichten

Auch zu den sporadisch abgehaltenen Hintergrundgesprächen werden von der LPD Wien nicht jedes Mal alle Medien eingeladen. Die Auswahl rotiere. Bei denen, die dabei sind, “ist die Publizität dann höher”, begründete dies der Pressechef. “Es besteht die Möglichkeit, gezieltere Fragen an die Ermittler zu richten und dadurch intensiver zu schreiben”.

Solche Termine sollen Journalisten tiefere Einblicke in ein bestimmtes Thema bieten und dauern üblicherweise länger als die klassische Pressekonferenz. “Da sind dann alle dabei.” Grundsätzlich gelte: “Wir versuchen, alle gleich zu bedienen”, hielt Reinthaler fest. Das Ergebnis sei, dass “alle (Medien, Anm.) eigentlich neutral” berichten.

Presserat sieht bei Herkunftsnennung Signalwirkung

Der Österreichische Presserat sieht die verstärkte Nennung der Herkunftsländer von Verdächtigen in Polizeiaussendungen kritisch. Zwar obliege es weiter den Redaktionen, ob sie Nationalitäten nennen, “es ist aber schon eine Signalwirkung”, sagte Geschäftsführer Alexander Warzilek. Journalisten sollten genau darüber reflektieren, ob die Herkunft tatsächlich relevant ist oder nur “Vorurteile schürt”.

In Österreich stellt die Nennung der Herkunft eines Straftäters aber keinen Ethikverstoß dar. “Es gibt deshalb keine Verurteilungen”, sagte Warzilek. Allerdings empfiehlt das Selbstkontrollorgan der heimischen Printmedien einen sorgsamen Umgang. Dafür wurde eine “Checkliste” zusammengestellt, die Medien als Anleitung bei der Berichterstattung dienen soll.

Edtstadler geht auf Distanz zu Medien-“Empfehlungen”

Die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP), ist am Dienstag auf Distanz zu jenem E-Mail aus ihrem Ressort gegangen, wonach die Polizeipressestellen kritische Medien von Informationen ausschließen sollen. “Sie wissen, dass ich nicht nur eine Kennerin, sondern auch eine Verfechterin der Europäischen Menschenrechtskonvention bin”, sagte sie am Rande einer Pressekonferenz. Dazu gehöre das Recht auf Meinungsfreiheit “und darin beinhaltet ist auch die Pressefreiheit”, erklärte Edtstadler. “Das steht nebenbei auch in Österreich im Verfassungsrang und daher ist für mich jede Einschränkung der Meinungsfreiheit oder auch der Pressefreiheit inakzeptabel.”

Wie ein derartiges Mail das von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) geführte Haus verlassen konnte, müssten diejenigen gefragt werden, die es ausgesandt haben, sagte die ÖVP-Politikerin auf Nachfrage. Sie sei “in keiner Weise involviert” gewesen, in dem Fall habe sie selbst davon aus den Medien erfahren. “Ich selbst stehe für eine offene, transparente Kommunikation mit den Medien und werde das auch zukünftig so halten”, betonte Edtstadler.

(APA/Red)

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