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Kritik an deutschem „Wehrdienst a la carte“

Die Neuregelungen zur Einberufung von Wehrpflichtigen in Deutschland haben bei Parteien und Verbänden Proteste gegen die mangelnde Gerechtigkeit hervorgerufen.

Wenn das Dienen zur Ausnahme und das Nichtdienen zur Regel werde, sei die Wehrpflicht grundgesetzwidrig, monierte die Berliner Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär am Dienstag. Neben mangelnder Wehrgerechtigkeit wurden auch negative Folgen für soziale Projekte kritisiert.

„Jetzt reicht’s! Das ist ja Wehrpflicht a la carte“, erklärte CSU-Wehrexperte Hans Raidel. Nach Meinung des bayerischen Vorsitzenden des wehr- und sicherheitspolitischen Arbeitskreises der CSU führen die Änderungen der Einberufungskriterien zu einem Gefühl der Ungerechtigkeit. Die jungen Männer bekämen immer stärker den Eindruck, Rot-Grün ändere die Einberufungskriterien willkürlich und ohne verteidigungspolitischen Sachverstand. Die Bundeswehr benötige eine intelligente Weiterentwicklung des Wehrpflichtkonzeptes und Entscheidungen in der Finanz- und Personalpolitik des Heeres.

Dietrich Austermann, Haushaltsexperte der CDU/CSU-Fraktion, nannte es absurd, wenn die Bundesregierung den Eindruck erwecke, der Zivildienst werde von einer Verkürzung der Wehrpflicht nicht betroffen sein. Alles deute darauf hin, dass die neuen Regelungen ein Schritt zur vollständigen Abschaffung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes seien, erklärte Austermann in Berlin. Ein Großteil der sozialen Projekte sei aber ohne Zivildienstleistende undurchführbar.

Die Berliner Kampagne gegen Wehrpflicht sagte voraus, die neuen Regelungen würden dazu führen, dass Wehrpflichtige vermehrt Scheinehen eingingen oder sich medizinische Atteste besorgten, um der Wehrpflicht zu entgehen. Die Änderungen würden somit zu einem staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogramm für Ärzte und Rechtsanwälte. Es sei endlich an der Zeit, das „Rekrutierungsfossil Wehrpflicht“ abzuschaffen, forderten die Gegner.

Das Bundesverteidigungsministerium hatte am Montag angekündigt, die Kriterien für eine Einberufung enger zu fassen. So wird das Höchstalter von derzeit 25 auf 23 Jahre herabgesetzt. Auf verheiratete oder in eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften lebende Männer verzichtet der Bund ebenso wie auf Wehrpflichtige, die nicht mit dem Tauglichkeitsgrad 1 oder 2 gemustert sind. Abiturienten und Fachoberschüler werden zurückgestellt werden, wenn sie einen Ausbildungsvertrag haben. Bisher mussten sie dafür zwei Drittel der Lehre hinter sich haben.

Nach Schätzungen des Verteidigungsministerium werden durch die Herabsetzung des Höchstalters einmalig etwa 70.000 junge Männer durch das Raster fallen. Die Nichtheranziehung der Tauglichkeitsstufe 3 betrifft jährlich rund 20.000 Wehrpflichtige. Mehr als 120.000 junge Männer haben im Jahr 2002 ihren Wehrdienst angetreten.

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