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Kritik an Chodorkowski-Schuldspruch zurückgewiesen

Mit scharfen Worten hat die Führung in Moskau die Kritik westlicher Politiker am Schuldspruch gegen den inhaftierten Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski zurückgewiesen. "Versuche, Druck auf das Verfahren auszuüben, sind nicht akzeptabel", sagte ein Sprecher des russischen Außenministeriums am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax. Der Prozess sei Sache der russischen Justiz.

US-Präsident Barack Obama hatte sich tief besorgt über die neuerliche Verurteilung des Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski gezeigt. Unterdessen fuhr das Moskauer Gericht unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen damit fort, die Begründung für das Urteil zu verlesen. Vor dem Gerichtsgebäude kam es erneut zu Protesten. Mindestens zwei Menschen wurden festgenommen, wie Interfax meldete.

Das Weiße Haus in Washington drückte seine Beunruhigung wegen eines offenbar “missbräuchlichen Einsatzes des Justizsystems für unangemessene Ziele”. Das Urteil unterminiere die Zusage Russlands, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, und schade zudem der Fähigkeit Moskaus, seine Beziehungen zu den USA zu festigen.

Richter Viktor Danilkin hatte den früheren Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos und dessen mitangeklagten Ex- Geschäftspartner Platon Lebedew am Vortag wegen Unterschlagung und Geldwäsche schuldig gesprochen und damit begonnen, die tausende Seiten umfassende Urteilsbegründung vorzutragen. “Wir reden von schweren Anschuldigungen”, sagte der Ministeriumssprecher. Solche Taten würden in allen Ländern bestraft. Russland verwahre sich auch gegen Vorwürfe, seine Justiz arbeite selektiv.

Der zweite Prozess gegen den früheren Öl-Magnaten, der noch bis 2011 eine achtjährige Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung absitzen muss, gilt ebenso wie der erste als politisch motiviert. Die USA und die Europäische Union hatten das Urteil heftig kritisiert. Das Strafmaß wird der Richter nach Einschätzung von Beobachtern zu Silvester verkünden. Die ersten zehn Tage des Jahres, in die das orthodoxe Weihnachtsfest fällt, sind in Russland gesetzliche Feiertage, Zeitungen erscheinen nicht. Die russische Führung wolle den Schuldspruch in Ruhe aussitzen, behauptete die Verteidigung.

Die neuerliche Verurteilung des russischen Ex-Oligarchen ist nach Ansicht des Russland-Experten Gerhard Mangott “zweifellos eine politische Entscheidung”. Das “hat mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun”, sagte der Politologe am Dienstag im ORF-Radio. Premier Wladimir Putin habe sich hier durchgesetzt. Für ihn hätte eine Freilassung Chodorkowskis das Risiko geborgen, dass sich dieser wieder für die liberale Opposition einsetzt. Präsident Dmitri Medwedew habe vor der Gerichtsentscheidung Bedenken geäußert und Andeutungen in Richtung einer Freilassung Chodorkowskis gemacht. Das Urteil sei daher auch ein Signal, dass sich die Rivalität zwischen Putin und Medwedew zugunsten des Premiers entwickle. Der Schuldspruch bedeute für Medwedew “eine persönliche Niederlage”. Es zeige den westlichen Regierungen, dass er “ein schwacher Präsident unter Premier Putin” ist.

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