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Krisen befeuern Extremismus und Terrorismus in Österreich

Der Verfassungsschutzbericht wurde 2022 präsentiert.
Der Verfassungsschutzbericht wurde 2022 präsentiert. ©APA/EVA MANHART
Laut Verfassungsschutzberichts 2022 wirken sich die aktuellen Krisen auch auf die Sicherheitslage in Österreich aus. Rechtsextremismus, Islamismus und Staatsfeindlichkeit sind die Hauptströmungen.

Extremismus ist in Österreich am Vormarsch. Das wurde am Freitag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2022 betont. Die aktuellen Krisen befeuern demnach die Situation.

Der Bericht ist der erste, der von der neuen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) erstellt wurde. Er wurde von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner präsentiert.

Staatsschutz sieht Extremismus durch Krisen im Aufwind

Das Jahr 2022 stand vor allem im Zeichen von Krisen wie dem Krieg in der Ukraine und der schwierigen Energiesituation bzw. der hohen Inflation - multiple Krisen und Herausforderungen, die sich auf die Sicherheitslage auswirken können, wie im Bericht ausgeführt wird. Die Gefahren von Extremismus und Terrorismus, Cyber-Attacken oder auch Spionage seien damit erhöht.

Diese Gefahren gehen laut Karner in erster Linie von drei Strömungen aus: vom Rechtsextremismus, von staatsfeindlichen Verbindungen und vom islamistischen Extremismus. Die Neonazi-Szene oder die sogenannte Neue Rechte, also Gruppierungen wie etwa die Identitären, machte laut Bericht zuletzt etwa bei den Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen auf sich aufmerksam.

"Die Gruppen haben Demos bewusst genutzt, um für ihre Ideen zu werben", so der Minister. Auch entsprechende Aktivitäten im virtuellen Raum sind verstärkt worden, zum Beispiel durch die Einrichtung der Website "Corona-Querfront". Ziel der Maßnahmen sei es, Akzeptanz weit über das übliche Publikum hinaus zu generieren, wird im Bericht ausgeführt.

Zusammenarbeit mit Verschwörungsideologen und Staatsverweigerern

Gesucht wird dabei etwa die Zusammenarbeit mit Verschwörungsideologen oder rechtsradikalen Staatsverweigerern. Letztere sind ebenfalls zum Teil aus den Protesten gegen die Pandemiemaßnahmen hervorgegangen. Nach dem Ende der Maßnahmen wurde Kritik an der Teuerung als neuer Schwerpunkt erkannt. Asyl- oder fremdenfeindliche Erklärungsmuster sind aber ebenfalls weiter zentraler Bestandteil derartiger Bewegungen, hieß es.

Laut Karner wurden bei Kundgebungen auch Holocaustverharmlosungen registriert. Gezeigt habe sich auch, mit welcher möglichen Gewaltbereitschaft zu rechnen ist. Der Minister verwies heute auf mehrere Waffenfunde in der rechten Szene. 2022 seien mehr als 660 Personen in diesem Bereich angezeigt worden, mehr als 100 Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt, es gab 37 Festnahmen.

Auch ein massiver Anstieg an Drohschreiben an Behörden wurde registriert. "Durch diesen sogenannten 'Papierterrorismus' versuchten Sympathisantinnen und Sympathisanten ihre Abkehr vom 'System' zu bekunden und dem öffentlichen Verwaltungsapparat zu schaden", wird im Bericht ausgeführt. Verstärkte Anzeichen, dass sich mehrere Anhängerinnen und Anhänger der staatsfeindlichen Verbindungen organisieren und strukturierte Verbindungen gründen - vergleichbar mit dem früheren "Staatenbund Österreich" - wurden jedoch nicht festgestellt.

Hohe Bedrohungslage durch islamistische Extremisten

Eine aktuell weiter hohe Bedrohungslage gebe es auch durch islamistische Extremisten, wurde hervorgehoben. Rückkehrer aus dem Bürgerkriegsgebiet Syrien spielen hier weiter eine Rolle - genauso wie Personen, die demnächst aus der Haft entlassen würden. Die Szene, so betonte Omar Haijawi-Pirchner, sei derzeit weniger sichtbar, "aber deswegen nicht weniger gefährlich". Sie sei von Einzelpersonen oder kleineren Gruppen geprägt, die Radikalisierung erfolge oft online.

Auch radikale Klima-Aktivisten unter Beobachtung

Eine Erwähnung im Bericht finden auch die Klimaproteste. Minister Karner führte dazu aus: "Selbstverständlich stehen auch radikale Klimaaktivisten unter Beobachtung des Staatsschutzes." So sei es etwa ermöglicht worden, zu verhindern, dass das Neujahrskonzert gestört worden sei. Gruppierungen im linksextremen Bereich würden versuchen, die Bewegung für sich zu nutzen. So hätten an der Gaskonferenz im Frühjahr in Wien gewaltbereite Aktivisten teilgenommen.

Personen, die sich für Umweltschutz einsetzen, seien aber natürlich nicht per se als verfassungsfeindlich einzustufen, beteuerte er. Auf die Frage, ob gegen Menschen, die sich zum Protest auf der Straße festkleben, schärfer vorgegangen werden solle, meinte er, dass sich die Exekutive stets nach der geltenden Gesetzlage richte.

Dort wo eine Gefährdung bestehe, greife man ein. Andernfalls gelte "kleben und kleben lassen". Gruppierungen wie "Last Generation" und "Extinction Rebellion", also zwei Organisationen, die Klimaschutz-Aktivismus betreiben, werden "aktuell" nicht als linksextrem eingestuft, wird im Bericht klargestellt.

Spionage aus Russland, Türkei und China registriert

In Sachen Spionage würden weitere Aktivitäten von Ländern wie Russland, Türkei oder China registriert. Der Ukrainekrieg führte zu zusätzlichen Herausforderungen, wie der DSN-Chef ausführte - etwa durch russische Desinformationskampagnen. Bei den chinesischen Aktivitäten stehen hingegen die Bereiche Wirtschaft und Wissenschaft im Vordergrund.

SPÖ von Bericht wegen fehlender Zahlen enttäuscht

Die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz, zeigte sich über den Bericht enttäuscht. Dieser liefere kein Zahlenmaterial zu der Bedrohung durch rechtsextreme und islamistische Gruppen. Der Verfassungsschutz nehme das Phänomen zwar offenbar ernst, meinte Schatz mit Verweis auf die Meldungen von Waffenfunden, der Innenminister müsse aber auch das Parlament über die tatsächliche Lage informieren.

Kritik übte sie daran, dass der Rechtsextremismusbericht, der im Herbst 2022 wieder erscheinen soll, erneut ausgeschrieben wurde. Dies sei die insgesamt dritte Verschiebung, beklagte sie. Zudem kritisiert die Abgeordnete, dass deutschnationale Burschenschaften nicht mehr erwähnt werden, nachdem sie 2021 noch als eigenes Phänomen im Bericht beschrieben worden seien.

FPÖ erfreut über Aufnahme von "Klimaterroristen" in Bericht

Die Wiener Grün-Gemeinderätin Viktoria Spielmann forderte ebenfalls "mehr Engagement" des Verfassungsschutzes im Bereich Rechtsextremismus. "Bekannt gewordene Waffenfunde bei Neonazis zeigen, dass Rechtsextreme in Österreich auch nicht davor zurückschrecken, sich zu bewaffnen", warnte sie in einer Aussendung. Man beschäftige sich lieber mit Klimaschutz-Aktivisten und blende das Gefahrenpotenzial durch die Mobilisierung in rechtsextremen Telegram-Kanälen aus.

Die FPÖ wiederum befand, dass es absolut richtig gewesen sei, die "Klimaterroristen" in den Bericht aufzunehmen. Die beiläufige mehrmalige Erwähnung sei ein erster Schritt, der die Brisanz dieses Themas nur bestätige, hielt FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer fest. Nötig sei nun aber auch eine tiefer gehende Analyse.

"Auch die internationale Vernetzung dieser Klimaextremisten-Szene und ihre Finanzierung muss näher beleuchtet werden", forderte Amesbauer mit Verweis auf die Vorkommnisse rund um die Gaskonferenz. Nötig seien auch gesetzliche Verschärfungen, etwa die Schaffung des Straftatbestandes "Behinderung einer Hilfeleistung".

NEOS über "Postenpolitik" verärgert

Stephanie Krisper, die NEOS-Sprecherin für Inneres, ärgerte sich über die "Postenpolitik" in der DSN. Es sei höchst riskant, den Personalstand über schlecht bezahlte Praktika aufstocken zu wollen. Als "absolut unverständlich" bezeichnete sie in einer Reaktion den Umstand, dass in Sachen Spionageabwehr nicht endlich Meter gemacht werden, wie sie meinte: "Österreich ist seit Jahrzehnten ein Hotspot ausländischer Spionagetätigkeiten aufgrund des schwachen Spionagestrafbestands." In Hinblick auf Russland, Iran und China sei es mittlerweile "gefährlichstes Unterlassen", keine Reform vorzunehmen.

(APA/Red)

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