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Krim-Krise verschärft sich: EU und USA verhängen Sanktionen gegen Russland

Jazenjuk: "Wir sprechen über Krieg"
Jazenjuk: "Wir sprechen über Krieg" ©AP
Die Europäische Union hat erstmals Sanktionen gegen Moskau wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine beschlossen. Der EU-Gipfel habe entschieden, Verhandlungen über Visa und über ein neues Abkommen mit Russland auszusetzen. Auch die USA leiteten Sanktionen wie Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen gegen Russland in die Wege.
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Das teilte Gipfelchef Herman Van Rompuy am Donnerstag in Brüssel mit. Sollte die Lage nicht deeskalieren, würden Einreiseverbote und Kontensperren folgen. Auf die Frage, ob auch Präsident Putin davon betroffen sei, sagte Van Rompuy, die EU werde darauf zur gegebenen Zeit antworten. Er forderte Russland zudem zu einem Truppenabzug auf. 

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EU einig über Stufenplan gegen Moskau

Es war richtig mühsam. Eigentlich hatten die Staats- und Regierungschefs der EU in drei Stunden beim Mittagessen in Brüssel ihre Antwort auf Russlands Militäraktion in der Ukraine beschließen sollen. Dann wurden es gut sechs Stunden. Denn die 28 Staatenlenker erschienen zerstritten zu dem Sondergipfel. Von Einigkeit über mögliche Sanktionen gegen Moskau konnte keine Rede sein. Am Ende einigten sie sich schließlich auf einen Drei-Stufen-Plan. “Ich würde sagen, dass wir gemeinsam mehr getan haben, als wir noch vor einigen Stunden erwarten konnten”, stellte der polnische Regierungschef Donald Tusk überrascht fest. Dem Stufenplan konnten schließlich alle zustimmen, die zuvor noch mit völlig unterschiedlichen Positionen angereist waren.

Der Stufenplan:

STUFE I: Bereits jetzt werden die Verhandlungen der EU mit Russland über Visa-Erleichterungen sowie über das neue Grundlagenabkommen ausgesetzt. Das ist nach Angaben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine “erste aktive Maßnahme”.

STUFE II: Weitere Maßnahmen sollen folgen, wenn die vorgeschlagene Kontaktgruppe zur Lösung des Konflikts nicht in den nächsten Tagen zustande kommt beziehungsweise keine entsprechenden Resultate in einem “überschaubaren Zeitraum” vorliegen. Geplant sind dann Reisebeschränkungen sowie Kontensperrungen bestimmter Personen, die “im Zusammenhang mit Handlungen in der Ukraine bedeutend sind”. Die Aktionen könnten in Kürze auf einem Sondergipfel beschlossen werden. Auch könnte der EU-Russland-Gipfel abgesagt werden.

STUFE III: Sollte Russland weitere Maßnahmen zur Destabilisierung vornehmen – zusätzlich zur Krim etwa in der Ost-Ukraine – oder militärische Aktionen ergreifen, soll es zu einer “weitreichenden Veränderung der Beziehungen zu Russland kommen, die laut Merkel “eine breite Palette wirtschaftliche Maßnahmen beinhalten kann”. Näher spezifiziert wurden diese zunächst nicht. Die Wirkung sei, dass man diese vorher nicht Tage lang diskutiert, so Merkel.

Der EU-Gipfel verurteilte die Verletzung der Souveränität der Ukraine durch Russland. Außerdem hält die EU das vom Krim-Parlament angesetzte Referendum über einen Beitritt der Halbinsel zu Russland für “illegal”, sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Merkel. Dies sei “nicht mit der ukrainischen Verfassung vereinbar”.

Assoziierungsabkommen vor Parlamentswahlen

Noch vor den ukrainischen Parlamentswahlen am 25. Mai werde die EU die politischen Kapitel des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine unterzeichnen, kündigte Van Rompuy an. Ein kurzfristiger Abschluss des Assoziierungsabkommens der EU mit der Ukraine würde laut Faymann vorerst nur den politischen Teil betreffen, “also nicht den Handelsbereich”. Angesprochen auf das von der EU-Kommission tags zuvor für die Ukraine vorgeschlagene 11-Mrd. Euro-Hilfspaket sagte der Kanzler, dieses sei zwar “positiv” aufgenommen, aber nicht beschlossen worden. Mittels einseitiger Maßnahmen will die EU sicherstellen, dass die Ukraine in den Genuss aller Vorteile einer Handelsvereinbarung kommt. Bis Ende August will die EU auch Assoziierungsabkommen mit Moldawien und Georgien unterzeichnen.

Van Rompuy warnt vor “ernsthaften Folgen”

Van Rompuy bezeichnete die gegenwärtige Ukraine-Krise als die “ernsthafteste Herausforderung für die Sicherheit unseres Kontinents seit dem Balkan-Krieg”. Russland müsse sofort seine Truppen abziehen und internationale Beobachter zulassen, verlas Van Rompuy die gemeinsame Gipfelerklärung. Die Entscheidung der Krim-Regierung, ein Referendum über ihren künftigen Status abzuhalten, verstoße gegen die ukrainische Verfassung und sei daher illegal.

“Die Situation muss deeskalieren. Wenn Russland dies nicht tut, wird das ernsthafte Folgen für unsere bilaterale Beziehung haben”, warnte Van Rompuy.

Auch USA verhängen Sanktionen

US-Präsident Obama verhängte indes Einreiseverbote gegen Russen und Ukrainer sowie Einrichtungen, denen Destabilisierung der Ukraine und eine Gefährdung der territorialen Integrität des Landes vorgeworfen wird. Obama unterzeichnete eine entsprechende Verfügung. Außerdem wurden Vermögen von “Einzelpersonen und Einheiten”, die den demokratischen Prozess in der Ex-Sowjetrepublik gefährdeten, eingefroren.

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Die Anordnung sei ein “flexibles Instrument”, um diejenigen zu sanktionieren, die direkt an der Militärintervention auf der ukrainischen Halbinsel Krim beteiligt seien, führte das Weiße Haus aus. Der russische Präsident Putin steht allerdings nicht auf der Sanktionsliste. Russlands Außenminister Lawrow bezeichnete die US-Maßnahmen umgehend als destruktiv. US-Außenminister Kerry drängte derweil Lawrow zu direkten Gesprächen in der Causa.

EU-Sanktionen: Ein zweischneidiges Schwert

Sanktionen der EU gegen Russland haben Folgen für beide Seiten, weil Russland und die Europäer stark voneinander abhängig sind. Die EU ist für Russland der wichtigste Handelspartner, umgekehrt ist Russland auch der drittwichtigste Handelspartner für die EU. So brauchen die EU-Staaten vor allem russisches Öl und Gas, während die Russen insbesondere westliche Maschinen und Autos einführen.
Dabei kauft die EU seit Jahren fast doppelt so viel Waren aus Russland ein wie umgekehrt – 2012 betrugen die Einfuhren aus Russland knapp 213 Mrd. Euro – drei Viertel davon Öl und Gas. Im Gegenzug lieferten die EU-Länder Waren im Wert von 123 Mrd. nach Russland, die Hälfte davon Maschinen und Fahrzeuge. Knapp 12 Prozent der EU-Importe aus Nicht-EU-Ländern stammen also aus Russland, 7,3 Prozent der EU-Exporte gehen nach Russland. Auch für Österreich zählt Russland zu den wichtigsten Handelspartnern.

Referendum ohne “rechtliche Bedeutung”

Mit dem ukrainischen Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk sei sich die Gipfelrunde schnell einig gewesen, dass das Krim-Referendum keinerlei rechtliche Bedeutung habe, sagten Diplomaten. Doch mit dieser Entwicklung hatte sich der Druck der baltischen Staaten verstärkt, nun erst recht ein kraftvolles Zeichen gegen Russland zu setzen. Am Stufenplan führte angesichts der Lage auf der Krim mit jeder Stunde immer weniger vorbei. So wurde man sich schließlich einig. Jazenjuk selbst, so wurde berichtet, habe deutlich gemacht, dass die Sanktionsdebatte der EU ihn nicht wirklich berühre: Für ihn sei vor allem wichtig, mit Russland ins Gespräch zu kommen.

Auch US-Präsident Barack Obama hat das geplante Referendum als Verstoß gegen ukrainisches Recht kritisiert. Ein solches Referendum würde gegen die ukrainische Verfassung und gegen internationales Recht verstoßen, so Obama am Donnerstag im Weißen Haus.

Krim-Referendum erneut vorgezogen

Das von Moskau gestützte Krim-Parlament hatte am Donnerstag für den 16. März ein Referendum angesetzt, in dem die überwiegend russischsprachige Bevölkerung über ihr Schicksal entscheiden soll: über mehr Autonomie oder die Zugehörigkeit zu Russland. Bisher war für den 30. März eine Volksbefragung über eine größere Selbstbestimmung für die Halbinsel vorgesehen, die seit 60 Jahren zur Ukraine gehört. Auf seiner Sitzung am Morgen legte das Parlament die Weiche um: 78 von 86 Abgeordneten hätten für eine Entschließung gestimmt, wonach “die Krim Russland beitreten soll”, wie der Abgeordnete Grigori Joffe sagte.

Krim-Regierung verkündet Abspaltung

Nach Angaben der Regionalregierung auf der Krim gelte der Parlamentsbeschluss über die Abspaltung von der Ukraine ab sofort. Die einzig legitimen Streitkräfte auf der Krim seien nunmehr die russischen Truppen, sagt Vize-Regierungschef Rustam Temirgaliew.

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Ukrainische Truppen “als Besatzer betrachtet”

Die ukrainischen Einheiten würden dementsprechend fortan als Besatzer betrachtet. Die Soldaten müssten entweder ihre Stützpunkte räumen oder die russische Staatsbürgerschaft annehmen und sich der russischen Armee anschließen.

Russlands Präsident Wladimir Putin kam sofort der Bitte aus Simferopol nach und beriet auf einer Dringlichkeitssitzung mit seinem Sicherheitsrat über die mögliche Aufnahme der Krim in die Russische Föderation. Einflussreiche Abgeordnete reichten im russischen Parlament schon einen Gesetzentwurf ein, der die Aufnahme eines Teils eines anderen Landes erleichtern soll. “Ich sag es ganz offen, das Gesetz wurde für die Krim geschrieben”, sagte einer der Verfasser, Sergej Mironow, der Nachrichtenagentur Itar-Tass.

Jazenjuk: “Wir sprechen über Krieg”

Mit äußerst scharfen Worten hat sich der der Chef der ukrainischen Übergangsregierung Arseni Jazenjuk beim EU-Sondergipfel gegen die russischen Drohungen zur Wehr gesetzt. “Wir sprechen über Krieg”, sagte Jazenjuk. Bei einer weiteren Eskalationen “wird die ukrainische Regieurng und das Militär tätig werden gemäß Verfassung”.

Jazenjuk: “Wir sind bereit, unser Land zu schützen”. Die Ukraine sei schon öfter provoziert worden. Aber “wir haben nicht Gewalt angewendet, wir haben uns zurückgehalten”. Und er glaube immer noch, dass diese Krise friedlich gelöst werden könne.

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Jazenjuk: “Alles läuft aus dem Ruder. Das ist nicht akzeptabel, ohne rechtlichen Anlass, ohne eigentlichen Grund. Ein Land, das Atomwaffen hat, startet eine Invasion in einem anderen Land. Da muss etwas gemacht werden, das System muss erneuert werden”.

Russland: Diplomatie läuft ins Leere

Diplomatische Vorstöße der Europäer bei Putin liefen bisher ins Leere. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erst am Mittwochabend erneut mit dem Kreml-Chef telefoniert. Den ganzen Tag über hatten Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seine westlichen Kollegen vergebens auf Russlands Chefdiplomaten Sergej Lawrow eingeredet, um eine Kontaktgruppe und direkte Kontakte zwischen Moskau und Kiew zu etablieren.

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EU sperrt Konten von 18 Ukrainern

Zuvor hatte die EU bereits eine Liste mit 18 Vertretern der früheren ukrainischen Führungsriege veröffentlicht, gegen die Kontosperrungen verhängt wurden. Die Strafmaßnahmen richten sich auch gegen den gestürzten Präsidenten Janukowitsch, seine Söhne sowie mehrere Ex-Minister. Ihnen wird vorgeworfen, ukrainische Staatsgelder ins Ausland geschafft zu haben. Österreich und mehrere EU-Staaten hatten bereits vergangene Woche vorläufige Kontosperren gegen Spitzenvertreter des gestürzten ukrainischen Regimes verhängt.

Liste der betroffenen Ukrainer

Die im EU-Amtsblatt online veröffentlichte Liste der von den Kontensperren betroffenen Personen:

  • Viktor Janukowitsch (Ex-Präsident)
  • Vitali Sachartschenko (Ex-Innenminister)
  • Viktor Pschonka (ehemaliger Generalstaatsanwalt)
  • Oleksander Jakimenko (ehemaliger Leiter des Sicherheitsdienstes)
  • Andrej Portnow (Ex-Berater von Janukowitsch)
  • Olena Lukasch (Ex-Justizministerin)
  • Andrej Klujew (ehemaliger Leiter des Präsidialamtes)
  • Viktor Ratuschniak (Ex-Vize-Innenminister)
  • Oleksander Janukowitsch (Sohn des Ex-Präsidenten, Geschäftsmann)
  • Viktor Janukowitsch (Sohn des Ex-Präsidenten, Abgeordneter)
  • Artem Pschonka (Sohn des ehemaligen Generalstaatsanwalts, Vize-Fraktionschef der Partei der Regionen)
  • Sergej Klujew (Geschäftsmann, Bruder von Andrej Klujew)
  • Mykola Asarow (Ex-Premier)
  • Alexej Asarow (Sohn des Ex-Premiers)
  • Sergej Kurtschenko (Geschäftsmann)
  • Dmitri Tabatschnik (Ex-Bildungsminister)
  • Raissa Bogatyrjowa (Ex-Gesundheitsministerin)
  • Igor Kalinin (Ex-Berater des Präsidenten)

Österreich und mehrere EU-Staaten hatten bereits vergangene Woche vorläufige Kontosperren gegen Spitzenvertreter des gestürzten ukrainischen Regimes verhängt.

Lage auf der Krim weiter angespannt

Auf der Krim blieb die Lage weiter angespannt. Der UNO-Sondergesandte Robert Serry wurde von bewaffneten Männern bedroht und brach seine Vermittlungsmission auf der Halbinsel ab. Russische Soldaten brachten nach Angaben der Regierung in Kiew zwei Raketen-Stützpunkte der ukrainischen Streitkräfte teilweise unter ihre Kontrolle. Auf einem der beiden Stützpunkte ist die russische Armee jedoch bereits seit mehreren Tagen präsent.

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Angespannt blieb die Lage am Donnerstag auch in anderen östlichen Gebieten der Ukraine. Am Morgen übernahm die Polizei wieder die Kontrolle über den Sitz der Regionalregierung von Donezk, 75 prorussische Demonstranten wurden festgenommen. Erst am Mittwoch hatten die Aktivisten ihrerseits die Kontrolle über den Sitz wieder an sich gerissen, nachdem sie von dort vertrieben worden waren. Dabei waren mindestens zehn Menschen verletzt worden.

(APA/red)

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