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Krieg - USA-Afghanistan

Ein Jahr nach Beginn des Afghanistan-Krieges am 7. Oktober 2001 ist die Entwicklung im Land am Hindukusch fast gänzlich aus den Schlagzeilen der US-Medien verschwunden.

Vorbei sind auch die Zeiten, als Afghanistan tagtäglich die Pentagon-Pressekonferenzen beherrschte: Längst hat die Debatte um einen möglichen US-Militärschlag gegen den Irak die Oberhand gewonnen.

Dabei werden vor allem Gegner einer amerikanischen Intervention am Golf nicht müde, auf einen Zusammenhang zwischen beidem zu verweisen. Die US-Regierung, so argumentieren sie, täte gut daran, aus den Afghanistan-Erfahrungen zu lernen und nicht Hals über Kopf auf einen neuen Kriegsschauplatz zu stürzen, ohne ein klares Konzept für die Zeit danach zu haben.

Der Sieg kam schnell, der Frieden kommt langsam: So betitelte unlängst eine US-Zeitung ihre Bilanz über die Entwicklung in Afghanistan. Tatsächlich gelang es nach den ersten Luftangriffen binnen weniger Monate, die Taliban von der Macht zu vertreiben und die Operationsbasis der Terrororganisation El Kaida zumindest zu schwächen. Schon im Frühjahr konnten die USA ihren Wunsch-Präsidenten Hamid Karsai in Kabul etablieren. Und das alles bei einem äußerst geringen eigenen Blutzoll von 19 Gefallenen.

Dabei blieb der große erhoffte Erfolg aus: Weder Terroristenchef Osama bin Laden noch Taliban-Führer Mullah Omar gingen den USA ins Netz. Damit wurde ein Hauptziel der gesamten amerikanischen Afghanistan-Operation, das Präsident George W. Bush mit den Worten „Tot oder lebendig“ auf den Punkt gebracht hatte, nicht erreicht.

Insgesamt ist die Zahl von mutmaßlichen El-Kaida-Mitgliedern der höheren Ebene, die gefasst werden konnten, verschwindend gering – und damit auch die Ausbeute an Informationen über das Terrornetz und dessen weitere Pläne. Tora Bora, wo Hunderte von El-Kaida-Mitgliedern aus Höhlen und Tunneln entkamen, und Kandahar, wo Omar den USA entwischte, wurden zu Symbolen für amerikanische Niederlagen. Die US-Regierung lässt sich daran nur ungern erinnern. Der Name Osama bin Laden, einst als Oberschurke in jeder Bush-Rede dutzendfach erwähnt, fällt kaum noch. Saddam Hussein hat ihn abgelöst.

Kritiker, aber auch viele neutrale Militärexperten lasten es einer falschen Kriegsstrategie an, dass Topterroristen und -taliban den USA schlichtweg durch die Lappen gingen. Nach ihrer Ansicht haben sich die USA in Afghanistan zu stark auf Stellvertretertruppen wie die Nordallianz verlassen, um die Opferzahl in den eigenen Reihen niedrig zu halten. Die einheimischen Verbündeten hätten nach der Befreiung von den Taliban aber nur noch wenig Interesse daran gehabt, weiter nach den Hauptübeltätern zu jagen und sie auszuliefern.

„Die USA führten weitgehend einen aseptischen Krieg. Es wurde aus der Luft gebombt und geschossen. Die Arbeit auf dem Boden machten hauptsächlich andere“, kritisierte ein hochrangiger pensionierter General. „So gibt man Kontrolle aus der Hand.“ Auf das Konzept massiver Attacken aus der Luft und begrenzter US-Bodeneinsätze führen Experten auch die hohe Zahl unschuldiger Opfer in der Zivilbevölkerung zurück. Die Übergangsregierung in Kabul schätzt, dass mindestens 3.000 Zivilisten durch US-Angriffe ums Leben kamen. Nicht selten stellte sich heraus, dass sich die USA bei ihren Angriffen auf Zielinformationen von Einheimischen stützten, die ihre eigenen Ränke schmiedeten.

Der frühzeitige amerikanische „Kontrollverlust“ ist nach Ansicht vieler Experten auch der Hauptgrund dafür, dass Karsai bisher seine Macht nicht über Kabul hinaus festigen konnte und lokale Kriegsherren und rivalisierende Stammesfürsten weiterhin Gewalt und Instabilität verursachen. Viel wäre nach Meinung von Analytikern schon gewonnen, wenn die internationale Schutztruppe über Kabul hinaus ausgedehnt würde. Aber erst vor kurzem haben die USA nach strikter Ablehnung erstmals etwas Flexibilität angedeutet.

Insgesamt werfen Kritiker den USA vor, sich im Nach-Taliban-Afghanistan finanziell und politisch-strategisch zu wenig zu engagieren und eine langfristige stärkere friedenserhaltende Mission zu scheuen. Die Beschwerden haben anscheinend inzwischen erste Wirkung gezeigt. So wird eine subtile Verschiebung bei den Aufgaben der rund 8.500 in Afghanistan verbliebenen US-Soldaten registriert: Sie jagen nicht nur weiter hauptsächlich nach Terroristen und Taliban, sondern widmen sich zunehmend Aufbau-Arbeiten im Lande wie etwa Schaffung von Schulen. Und genauso sollte es nach den Worten eines demokratischen Senators auch sein. „Wir können nicht hineingehen, zuschlagen und dann den Rest anderen überlassen“, warnte er unlängst auch mit Blick auf den Irak.

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