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Kreuzfahrtschiff-Unglück: Weiteres Todesopfer aus Wrack geborgen

Schweres menschliches Versagen seitens des Kapitäns könnte zur Havarie geführt haben.
Schweres menschliches Versagen seitens des Kapitäns könnte zur Havarie geführt haben. ©AP
Aus dem Wrack des havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" ist ein weiteres Todesopfer geborgen worden. Das berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Montag in der Früh.

Die Zahl der Toten stieg damit auf sechs. Das Schiff war am Freitag mit mehr als 4.000 Menschen an Bord vor der Insel Giglio vor der Westküste Italiens auf einen Felsen aufgelaufen und havariert.

Reederei geht auf Distanz zu Kapitän

Schweres menschliches Versagen seitens des Kapitäns könnte nach Angaben des Eigners der “Costa Concordia” zur Havarie des Kreuzfahrtschiffes geführt haben. “Es scheint, dass der Kommandant Beurteilungsfehler gemacht hat, die schwerste Folgen gehabt haben”, teilte die in Genua ansässige Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere am Sonntagabend mit. Sie ging damit auf Distanz zu Kapitän Francesco Schettino, der das Schiff mit mehr als 4.200 Menschen an Bord am Freitagabend zu dicht an die Insel Giglio vor der toskanischen Küste gesteuert haben soll, wo es auf einen Felsen lief und leckschlug. Bergungsmannschaften setzten unterdessen am Montag in der Früh die Suche nach den noch vermissten Passagieren und Besatzungsmitgliedern fort.

16 Menschen werden noch vermisst

Mehr als zwei Tage nach dem Kentern des Schiffes wurden immer noch 16 Menschen vermisst. Unterdessen wurde auch mit den Vorbereitungen für ein Leerpumpen der Öltanks der “Costa Concordia” begonnen. Die niederländische Bergungsfirma Smit sei vom Eigner und dem Versicherer des Kreuzfahrtschiffs mit den Pumparbeiten beauftragt worden, sagte ein Sprecher des Smit-Mutterkonzerns Boskalis Westminster am Sonntag. Bei zwei zuletzt aus der havarierten, auf der Seite liegenden “Costa Concordia” geborgenen Toten handelt es sich Medienberichten zufolge um einen Italiener und einen Spanier. Damit stieg die Zahl der bestätigten Todesopfer auf fünf.

Kapitän in U-Haft

Der Kapitän sitzt seit Samstag in Untersuchungshaft. Es sehe so aus, als seien die Entscheidungen des Kapitäns in der Notsituation nicht den üblichen Regeln von Costa Crociere gefolgt, erklärte die Reederei. Zugleich wurde der Vorwurf einiger Passagiere zurückgewiesen, dass bei der Evakuierung in der Nacht auf Samstag nicht genügend Schwimmwesten zur Verfügung gestanden hätten. An Bord hatten sich auch 77 Österreicher befunden, die alle unverletzt davonkamen.

Dem Kapitän droht unter anderem ein Verfahren wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung. Berichten zufolge soll er das Schiff so dicht an die Insel herangesteuert haben, um Touristen im Hafen mit dem Signalhorn grüßen zu können. Die Kreuzfahrtgesellschaft ging in ihrer Erklärung nicht weiter auf die Vorwürfe ein. “Weitere Kommentare wären zu diesem Zeitpunkt unangebracht”, hieß es lediglich. Auch zu Behauptungen, der Kapitän habe das Schiff noch vor den letzten Passagieren verlassen, gab es keine Stellungnahme. Medienberichten zufolge soll der Kapitän mehrfach von der Küstenwache aufgefordert worden sein, wieder an Bord zu gehen, um die Evakuierung seines Schiffes zu koordinieren. Dies habe er jedoch nicht getan. Auch einen “SOS”-Ruf soll es nicht gegeben haben.

Einzelheiten zum Hergang des Unglücks erhofft man sich von der Auswertung der Blackbox des Schiffes, die ähnlich wie in Flugzeugen Kommunikation auf der Brücke und Steuerbefehle aufzeichnet.

Die Reederei hob in ihrer Erklärung die Leistung der Besatzung bei der Evakuierung der Menschen von Bord der “Costa Concordia” hervor. Die Mannschaft habe “tapfer und zügig dabei geholfen, mehr als 4.000 Personen in einer sehr schwierigen Situation in Sicherheit zu bringen”, hieß es. Dagegen hatten Passagiere von chaotischen Szenen berichtet und über unzureichende Sicherheitsausrüstung geklagt.

“Wir hoffen weiter, Überlebende zu finden”

Die Suche wird vor allem durch die extreme Schräglage des 290 Meter langen Schiffes sowie blockierte Türen und Treppenhäuser erschwert. “Wir hoffen weiter, Überlebende zu finden”, sagte Küstenwacht-Kapitän Cosimo Nicastro dem Sender tgcom24. Zuletzt lebend geborgen war ein an den Beinen verletztes Besatzungsmitglied worden. Der Offizier Marrico Giampetroni hatte in einem teilweise gefluteten Bereich des Schiffes ausgeharrt. “Ich habe einen 36-stündigen Alptraum durchlebt”, sagte er nach seiner Rettung.

Drohende Umweltkatastrophe durch 2400 Tonnen Dieselöl im Tank

Nach einem Abschluss der Such- und Bergungsaktion wird vor allem die Frage nach möglichen Umweltbelastungen für die knapp 2400 Tonnen Dieselöl in den Tanks der “Costa Concordia” in den Vordergrund treten. Spezialisten sind bereits auf der Insel, und der italienische Umweltminister Corrado Clini hat für diesen Montag eine Gruppe von Fachleuten nach Livorno eingeladen, um das Problem zu erörtern.

Das zuständige Hafenamt in Livorno hat die Kreuzfahrtgesellschaft in einem Mahnschreiben aufgefordert, unter Berücksichtigung der noch laufenden Suchaktionen “das Schiff zu sichern und abzuschleppen”. Offen ist, ob es etwa bei stürmischer See weiter abrutschen könnte.

(APA/Reuters/dpa)

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