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Kranzniederlegung an Namensmauer: Regierung gedenkt Opfer der Novemberpogrome

Die Regierung gedenkt der jüdischen Opfer von 1938.
Die Regierung gedenkt der jüdischen Opfer von 1938. ©APA/ROLAND SCHLAGER
An der Shoah-Namensmauer in Wien wurde am Freitag der Novemberpogrome vor 87 Jahren gedacht. IKG-Präsident Oskar Deutsch warnte dabei vor einer Zunahme antisemitischer Übergriffe und forderte entschlossenes Handeln der Politik.

Das offizielle Österreich hat am Freitag der Opfer der Novemberpogrome gegen die jüdische Gemeinde vor 87 Jahren gedacht. Mehrere Regierungsmitglieder erinnerten bei einer Kranzniederlegung an der Shoah-Namensmauer im Wiener Ostarrichipark an die Pogrome. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, warnte im Anschluss vor Medienvertretern vor einem "Tsunami" an antisemitischen Übergriffen auf der ganzen Welt.

IKG-Präsident Deutsch warnt vor "Tsunami" antisemitischer Übergriffe

Auch in Österreich steige die Zahl der Übergriffe, so Deutsch. Durch eine Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, das jüdische Einrichtungen schütze, seien Juden und Jüdinnen in Österreich zwar sicher. Wie am Donnerstag jedoch bekannt wurde, stellte die Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst in Österreich der Hamas zugerechnete Waffen sicher. Es besteht der Verdacht, dass die Waffen für mögliche Terroranschläge in Europa gegen israelische oder jüdische Einrichtungen vorgesehen gewesen sein sollen. "Das zeigt: die Gefahr rückt näher", warnte Deutsch.

Um dem steigenden Antisemitismus entgegenzuwirken, sei die Politik gefordert. Die überarbeitete Antisemitismusstrategie soll am Montag präsentiert werden, kündigte Deutsch an. "Aber eine Strategie von heute auf morgen zu entwickeln, die das Krebsgeschwür Antisemitismus beseitigt, ist schwierig." Eines der wichtigsten "Tools" sei es, antisemitische Vorfälle möglichst schnell vor Gericht zu bringen. "Es sind alle Leute gefordert, aufzustehen und zu sagen 'das geht nicht'", betonte Deutsch abschließend.

Breite politische Teilnahme - FPÖ erneut nicht eingeladen

Bei der Gedenkfeier Freitagfrüh war ein großer Teil der Bundesregierung, angefangen bei Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und dem für Antisemitismus zuständigen Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP), anwesend. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) verrichtet seine Amtsgeschäfte nach einer Operation weiter von zuhause aus. Auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und die Klubobleute von NEOS und Grünen, Yannick Shetty und Leonore Gewessler, waren vor Ort - nicht jedoch Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ). Die IKG verwehrt seit seinem Amtsantritt Gespräche mit Rosenkranz und der FPÖ, sie verweist dabei auf zahlreiche antisemitische Vorfälle innerhalb der Partei. An seine Stelle trat die dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ).

Ebenfalls an der Veranstaltung teil nahm der israelische Botschafter in Wien, David Roet. "Jahrzehntelang haben diese Menschen (Jüdinnen und Juden vor den Novemberpogromen, Anm.) Kultur, Wissenschaft und die Wirtschaft dieses Landes bereichert, geprägt und von einem Tag auf den anderen verloren sie ihr bisheriges Leben und ihre Heimat", sagte er anschließend in einer Aussendung. Der Hass auf die jüdische Bevölkerung nehme zu, sagte er Bezug nehmend auf den Antisemitismusbericht der IKG. "Dieser Hass ist unverständlich, vor allem, dass der Antisemitismus nach dem genozidalen Massaker am 7. Oktober 2023 wieder am Ansteigen ist und Juden in Europa überlegen auszuwandern, macht mich sprachlos und wütend", so Roet weiter.

Bei dem Terrorangriff der islamistischen Hamas vor zwei Jahren starben über 1.200 Menschen. Der darauffolgende Krieg im Gazastreifen dürfte über 70.000 Palästinenser und Palästinenserinnen das Leben gekostet haben. Die Untersuchungskommission des UNO-Menschenrechtsrates und zahlreiche NGOs wie etwa Amnesty International werfen Israel Genozid an der palästinensischen Bevölkerung vor.

Offener Brief von Kulturschaffenden

In einem offenen Brief machten auch mehrere Kulturschaffende, darunter etwa Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die Schauspieler Cornelius Obonya und Katharina Stemberger sowie die Autoren Doron Rabinovici und Julya Rabinowich, auf die steigende Zahl an antisemitischen Vorfällen aufmerksam. "In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten waren es Appelle an die Zivilcourage, die uns wach halten sollten. Sie haben ihre Wirkung offensichtlich verfehlt: Was wir sehen, ist eine ständige Grenzverschiebung des Sagbaren, und antisemitische Übergriffe, Beleidigungen und Gewalttaten sind an der Tagesordnung", heißt es darin. Es gehe nicht darum, "zur Situation im Nahen Osten das Falsche oder Richtige zu sagen. Worum es geht, wofür uns in erster Linie Verantwortung zukommt, sind die Zustände in unserer Gesellschaft." Weiters warben sie für den "Light of Hope" der jüdischen Jugend Wien am 10. November am Karmeliterplatz.

Die Novemberpogrome 1938

In der Nacht von 9. auf 10. November 1938 waren im gesamten "Deutschen Reich" systematisch Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Jüdinnen und Juden misshandelt worden. Allein in Österreich wurden damals mindestens 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert.

(APA/Red)

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