APA: Der letzte Auftritt von Major Kottan liegt 26 Jahre zurück. Nun feiert er ein Comeback. Wo war Kottan in der Zwischenzeit?
Lukas Resetarits: Diese Frage wird im Film nicht beantwortet. Das Prinzip des Kottan war immer, nichts zu erklären und keine großen Expositionen zu liefern. Das war auch ein Teil des Kottan-Geheimnisses, dass bestimmte Sachen einfach lakonisch festgestellt werden. Es gibt auch keine genaue Lebens- und Entwicklungsgeschichten der Figuren. Das beste Beispiel war seinerzeit, dass ich ja eigentlich den dritten Mann der Frau Kottan spiele, aber außer drei Fotos auf einem Regal wird das nicht weiter kommentiert. Ebenso wird jetzt auch im Kino nur nebenbei erwähnt, der Kottan sei beurlaubt gewesen. Aber es spielt keine wesentliche Rolle. Er ist einfach wieder da.
APA: Der letzte Auftritt von Major Kottan liegt 26 Jahre zurück. Nun feiert er ein Comeback. Wo war Kottan in der Zwischenzeit?
Lukas Resetarits: Diese Frage wird im Film nicht beantwortet. Das Prinzip des Kottan war immer, nichts zu erklären und keine großen Expositionen zu liefern. Das war auch ein Teil des Kottan-Geheimnisses, dass bestimmte Sachen einfach lakonisch festgestellt werden. Es gibt auch keine genaue Lebens- und Entwicklungsgeschichten der Figuren. Das beste Beispiel war seinerzeit, dass ich ja eigentlich den dritten Mann der Frau Kottan spiele, aber außer drei Fotos auf einem Regal wird das nicht weiter kommentiert. Ebenso wird jetzt auch im Kino nur nebenbei erwähnt, der Kottan sei beurlaubt gewesen. Aber es spielt keine wesentliche Rolle. Er ist einfach wieder da.
APA: Die Ahnengalerie hat sich, wie auch im Film gezeigt wird, stark vergrößert. Viele Mitwirkende von einst sind mittlerweile gestorben und mussten ersetzt werden. Sie selbst waren seinerzeit ja mit einer ähnlichen Aufgabe konfrontiert: Sie sind in eine Rolle geschlüpft, die vor Ihnen Peter Vogel und Franz Buchrieser gespielt haben. Wie haben Sie damals zu Ihrer Figur gefunden?
Resetarits: Das war so eine Brackwasser-Situation. Das Buch war noch auf Buchrieser geschrieben, dann war plötzlich ich da. Zunächst bin ich noch relativ zurückhaltend geblieben und habe die Figur erst später sukzessive nach meinen Vorstellungen entwickelt – immer mehr in den Wahnsinn hinein. Die jetzigen Kollegen springen ja in etwas hinein, das die Leute von den Vorgängern kennen. Diese schwierige Aufgabe haben sie bravourös bewältigt, weil sie die Erinnerung an die Darsteller zugelassen, sie aber nicht kopiert, sondern weiterentwickelt haben. Die schauspielerische Herausforderung war für Johannes Krisch, Robert Stadlober und Udo Samel jetzt weit größer als damals für mich. Die Drei machen Tributes to the Predecessors, mit einer kleinen Verneigung, gestalten es aber selber. Das hat mich sehr beeindruckt.
APA: Die erste Frage haben Sie eher dramaturgisch beantwortet – aber wie war das mit Ihnen? Hat die Figur in Ihnen weitergearbeitet, Ihnen keine Ruhe gelassen – oder haben Sie abgeschlossen gehabt mit ihr, tot und beerdigt?
Resetarits: Kottan war nicht tot. Man hat nur versucht, ihn umzubringen. Zu Beginn war es ja ein nervender Kampf, mich und meinen Hauptberuf des Satirikers von der Kottan-Figur zu trennen. Es ist ein Phänomen des nicht so hochqualitativen Journalismus oder der Rezeption einer Fernsehfigur, dass man sie mit dem Darsteller vereint. Insofern war das Ende des Kottan zwar ein Schock, auf der anderen Seite aber auch eine gewisse Erleichterung. Es war zu Ende. Es war traurig, es war frustrierend, aber es war dann eine Ruh’. Ich habe ja erst vor wenigen Jahren alle Folgen von damals gesehen. Ich konnte das in Ruhe reflektieren und draufkommen: Das ist etwas Legendäres, ein Teil der österreichischen Film- und Fernsehgeschichte, an dem ich mit tätig sein durfte. Die brutale Abwürgung der Serie seitens des ORF hat diese Entwicklung zu einer Kultfigur unterstützt. Man hätte es ja auch totspielen können. Wenn man Folge 40.317 spielt, dann ist das nicht mehr spannend. Ich weiß nicht, wie man die Leute dann umbringt – von hinten, von vorne, von oben, von unten? Der Krimi als solcher ist ja irgendwann einmal ausgereizt. Das war ja auch der Grund für die Kottan-Begeisterung, dass wir die Gesetzlichkeiten nicht mehr befolgt haben. Weil wir gesagt haben: Das Klischee, irgendwer begeht einen Mord und wer anderer muss jetzt suchen, wer das war, haben wir schon ungefähr 40 Milliarden Mal gesehen. Es war spannend, diese Frage einmal gar nicht zu stellen, sondern den Wahnsinn des Polizeialltags zu zeigen. Das Echo seitens der Polizei war lustig, denn da kamen oft Meldungen wie: Das ist ja recht gut und schön, aber die Wirklichkeit ist bei weitem bizarrer und verrückter.
APA: In der Serie ist man für die damaligen Fernseh-Konventionen aber recht weit gegangen.
Resetarits: Es waren ja Kinobilder im Fernsehen, für die das Kastl daheim oft zu klein war. Leute haben oft gesagt, sie hätten sich das dreimal angeschaut und erst dann gewisse Details im Hintergrund erkannt. Heute werden ja aus Kostengründen nur noch Köpfe abfotografiert: Schuss-Gegenschuss. Wir hatten damals Zeit, Dinge blödelnd zu entwickeln. Es war immer noch eine harte Arbeit, aber verglichen mit heute war mehr Platz für die alltägliche Kreativität. Bis vor wenigen Jahren habe ich immer gedacht: Das ist erledigt.
APA: Warum war die Zeit jetzt aber doch reif für ein Revival?
Resetarits: Der zeitliche Abstand ist jetzt groß genug. Es liegt fast eine Lebensgeneration dazwischen. Vom potenziellen Publikum ist ein kleiner Teil älter als wir Protagonisten, ein großer Teil gleich alt und zwei noch größerer Teile viel jünger. Möglicherweise war ein Drittel des Publikums zum Zeitpunkt der Ausstrahlung entweder noch gar nicht auf der Welt oder durfte noch nicht fernsehen. Das ist spannend. Es ist ja in den Familien Teil der mündlichen Überlieferung geworden. Wobei ich ganz genau weiß, dass Menschen im Alter meiner Enkelin, Anfang 20, diese Sprache zum Teil nicht mehr verstehen. Aber es ist egal, ob es attraktiv ist, weil es ein Kuriosum ist für die jungen Leute, oder ob es attraktiv ist, weil man den Schmäh mitkriegt. Hauptsache es ist authentisch und wird mit einer Selbstverständlichkeit angewendet.
APA: Wäre ein Kottan-Comeback auch im Fernsehen denkbar gewesen?
Resetarits: Das wäre wie eine Exhumierung gewesen. In der Anstalt wurde das Projekt lebendig begraben – und 30 Jahre später gräbt man das wieder aus? Das wäre auch ein Zu-Kreuze-Kriechen von unserer Seite gewesen.
APA: Musikalisch hat sich Kottan ordentlich weiterentwickelt.
Resetarits: Musik hat immer eine große Rolle gespielt. Ich war damals ja im Synchronsingen besser als die Originalinterpreten. Diesmal singen wir selber. Wobei auch diese bizarre Rechtsproblematik mit daran schuld ist. Die Musikkonzerne werden jeden Tag zig Millionen Mal im Internet bestohlen. Ihre Rache ist: Wenn du in einem Kinofilm eine Originalnummer spielen möchtest, zahlst du Unmengen an die Verlage. Aber es gibt ja überall so Tendenzen wie “Blumen selber pflücken”, “Erdbeeren selber ernten”, “Luftmatratzen selber aufblasen”. Warum also nicht auch “Film selber spielen”, “Lied selber singen” (lacht)… Abgesehen davon, dass wir unsere Banküberweisungen schon selber machen und in Zukunft die Briefe auch selber austragen werden.
APA: Was sind denn abseits des Singens die größten Unterschiede zur Kottan-Figur von einst?
Resetarits: Na ja, zunächst einmal 27 Jahre (gedreht wurde die letzte Folge 1983, Anm.) und 25 Kilo… (lacht) Die größten Unterschiede liegen eigentlich darin, dass es auf der großen Leinwand stattfindet. Der Geist ist der Kottan-Geist geblieben. Alle, die damals irgendwie beteiligt waren, sind wie von einem Magneten angezogen worden, und jene, die früher noch nicht dabei waren, haben sich gleich gefühlt, als wären sie schon immer dabei gewesen. Das ist eine ganz geheimnisvolle, wunderschöne Geschichte.
APA: Das Kino-Revival des Mundl hatte einen enormen Erfolg. Ab welcher Zuschauerzahl für Kottan lassen Sie sich für den nächsten Kottan-Film überreden?
Resetarits: Denkbar ist es. Aber ich weiß, dass es für mich nicht von der Zuschauerzahl abhängt. Der zweite Film ist viel schwieriger als der erste, daher werden meine Bedingungen viel genauer sein. Wenn es einen zweiten Film gibt, muss der nicht einen Schritt weiter gehen, sondern fünf Schritte. Dann muss auch etwas erfüllt werden, was wir damals nicht erfüllen konnten: der Weg in den Wahnsinn. Da möchte ich dann schon ein gerüttelt Maß an Mitsprache haben.
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)