Kosovo: Lösung noch nicht in Sicht
21.11.2005 11:59
(Akt. 1.09.2011 18:52)
Unmittelbar vor dem offiziellen Startschuss für die Verhandlungen über den künftigen Status der südserbischen Provinz Kosovo ist eine dauerhafte und optimale Lösung, nicht in Sicht.
Belgrad ist entschlossen, mit aller Macht gegen die Abtrennung der für die Identität des serbischen Staates und Volkes historisch bedeutenden Provinz zu kämpfen. Die Position der Kosovo-Albaner, die seit dem Krieg (1998/99) etwa 90 Prozent der Bevölkerung stellen, ist ebenso klar: Unabhängigkeit ohne Kompromisse.
Vor dem Hintergrund dieser Maximalforderungen beginnen am Montag die Verhandlungen über den Kosovo-Status. Zunächst wollen sich der UNO-Chefverhandler Martti Ahtisaari und sein Stellvertreter Albert Rohan an Ort und Stelle ein Bild machen und in Form einer Shuttle-Diplomatie nicht nur Pristina und Belgrad bereisen, sondern auch in Nachbarstaaten die sensible Kosovo-Frage erörtern. Denn klar ist, dass jede Lösung für die ganze Region weit reichende Folgen haben kann.
Raum und Phantasie für viele Lösungsvarianten gibt es nicht. Im Prinzip dreht sich alles um Unabhängigkeit oder Verbleib des Kosovo – in welcher Form auch immer – bei Serbien. Sollte Ersteres eintreten, dann wird das Thema Kosovo in Belgrad immer auf der politischen Agenda bleiben – hochgehalten insbesondere von der nationalistischen Serbischen Radikalen Partei. Sehr ernst zu nehmende Aufrufe zur Rückeroberung sind jetzt schon zu hören. Sollte hingegen Zweiteres entschieden werden, droht Gewalt seitens der Albaner – nicht nur gegen Serben, sondern auch gegen die im Kosovo seit 1999 stationierten internationalen Kräfte.
Teilung von Kosovo schließen beide Seiten aus
Eine mögliche Option, nationalistischen Kräften in Pristina und Belgrad etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, wäre eine Teilung des Kosovo, die nach Ansicht einiger politischer Beobachter und Balkan-Kenner durchaus das Potenzial hätte, die Provinz und damit Region längerfristig zu befrieden. Doch die internationale Gemeinschaft, die im Falle des Kosovo von der einflussreichen Balkan-Kontaktgruppe dominiert wird, schloss bereits im Vorfeld der Verhandlungen diese Variante kategorisch aus. Auch Pristina lehnt schon jeden Gedanken in diese Richtung – zumindest offiziell – sofort ab und selbst in Belgrad stößt dieser Vorschlag bei den meisten Parteien auf Ablehnung.
Doch beide Seiten erheben im Vorfeld der Verhandlungen Maximalforderungen und ohne Kompromisse wird es nicht gehen. Denkbar wäre durchaus, dass sich Pristina und Belgrad am Ende des Tages auf eine Teilung einigen könnten. Diese wäre zwar für beide Seiten schmerzhaft, aber dennoch gegenüber dem eigenen Volk rechtfertigbar und als Erfolg verkaufbar. Und getuschelt wird über die Teilungsvariante seit längerer Zeit nicht nur in politischen Kreisen der Albaner und Serben.
Einen Vorstoß in diese Richtung traute sich vorige Woche der serbische Präsident Boris Tadic während seines Besuches in Moskau. Er schlug die Teilung der Provinz in einen serbischen und einen albanischen Gebietsteil vor. Die serbische Entität solle dabei spezielle Beziehungen zu Belgrad pflegen dürfen. Er erntete von allen Seiten sofort Kritik – ebenso wie seinerzeit der serbische Ex-Premier Zoran Djindjic. Der weitsichtige und für alle Probleme stets mit mehreren Lösungsplänen ausgestattete Politiker packte kurz vor seiner Ermordung im März 2003 das Thema Kosovo an – als sich alle betroffenen Parteien inklusive der internationalen Gemeinschaft gegen eine rasche Entscheidung sträubten. Der Teilungsplan von Djindjic war in seiner Schublade Problem Kosovo ziemlich weit oben.
Stattdessen verfolgt die internationale Gemeinschaft heute das Ziel, eine multiethnische Gesellschaft aufzubauen. Die Fakten sind frappierend: Im Kosovo leben die Serben und andere nicht-albanische Minderheiten unter unmenschlichen Bedingungen und in Ghetto-ähnlichen Zuständen. Einigermaßen sicher können sie sich nur hinter NATO-Panzern fühlen. Beleg dafür sind nicht nur die ethnisch motivierten und organisierten Pogrome im März 2004, sondern zahlreiche Anschläge gegen Serben seit 1999. Angesichts dieser durch tiefstes ethnisches Misstrauen geprägten Atmosphäre scheint eine multiethnische Gesellschaft illusorisch.