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Korruption im heimischen Gesundheitswesen?

Die Anti-Korruptionsvereinigung Transparency Österreich hat das heimische Gesundheitswesen scharf kritisiert. In ihrer Aussendung an die Medien kritisiert sie die hohe Intransparenz im System des Gesundheitswesens.

Diese Intransparenz ist der Nährboden für missbräuchliches Verhalten aller im System agierenden Gruppen, die den Eigennutzen über den des Systems stellen und dieses dadurch schädigen.

Wartelisten
In den meisten österreichischen Spitalsabteilungen ist es für die Patienten nicht nachvollziehbar, wie lange sie auf einen Operationstermin warten müssen und warum. Patienten berichten den Patientenanwälten, dass ihnen als Privatpatienten kürzere Wartezeiten in Aussicht gestellt werden. Insider bestätigen diese Praxis.
Im Herbst 2006 wandte sich eine Gruppe AKH-Mitarbeiter aus dem medizinisch-technischen Bereich zu diesem Thema an die Wiener Zeitung: Um nicht wochenlang auf einen Termin in einer AKH-Ambulanz warten zu müssen, wenden sich Patienten an die Privatordinationen bzw. -kliniken der Primar- und Oberärzte – und werden dann binnen kurzer Zeit im AKH als Ambulanzpatienten „eingeschoben“. „Chefeinschub“ heiße das im Jargon. AKH Betriebsrat Josef Zellhofer sagte damals zur Wiener Zeitung: „Man kann es nicht beweisen, aber im ambulanten Bereich gibt es Anzeichen von Bevorzugungen.“ Mitarbeiter, die sich dagegen wehren, stünden „massiv unter dem Druck des Klinikchefs“.

Im Sommer 2007 hat die Gesundheitssprecherin der Wiener ÖVP, Ingrid Korosec, eine Patienten-Hotline zum Thema Wartezeiten eingerichtet und sammelte rund 300 Erfahrungsberichte von Bürgerinnen und Bürgern aber auch Angehörigen von Gesundheitsberufen, die über bestehende Wartelisten bei zum Teil akuten Eingriffen und über Vorreihungen von Privatpatienten, Pflichtversichten bei bestimmten Krankenkassen (BVA, KFA) sowie über Fälle von Kuvertmedizin berichteten. Von der Politik wird dennoch weiterhin der Mythos aufrechterhalten, dass es keine Vorreihungen gibt, die nicht mit der medizinischen Dringlichkeit begründbar sind.

Abrechnungsbetrug
In Österreich sind dazu keine offiziellen Zahlen bekannt. Die Krankenkassen geben an, dass rund fünf Prozent der Abrechnungen der Vertragsärzte falsch seien. Ob irrtümlich oder absichtlich ist nicht eruierbar. Von Vertretern der Krankenkassen wurde wiederholt erklärt, dass man Fehler bei der Abrechnung intern mit den Vertragspartnern (Ärzte und andere Gesundheitsberufe) regle und das nicht publik machen möchte.
Nur in sehr seltenen Fällen wurde in Österreich bisher die Staatsanwaltschaft aktiv. Einer der krassesten Fälle war wohl der eines Kärntner Gynäkologen, der Tausende Krebs-Abstriche seiner Patientinnen nicht an die Labors weitergeleitet hatte, sie aber mit den Krankenkassen verrechnete.

Seit einigen Jahren erhalten die Versicherten ein Mal pro Jahr eine Aufstellung ihrer Leistungen (Persönliche Leistungsinformation). TI-AC begrüßt diese Maßnahme, die Transparenz schafft, da sie den Patienten und Patientinnen Kontrolle ermöglicht und eine präventive Wirkung hat. Die Kontrolle durch die Patienten reicht allerdings nicht aus, um Missbrauch zu verhindern. Vor allem dann nicht, wenn Patienten und Ärzte zum Schaden der Versichertengemeinschaft „zusammenarbeiten“. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) beispielsweise wiesmehrfach im Rahmen von Ärztetests auf Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung hin Ausstellung mehrerer Honorarnoten für eine Konsultation eines Wahlarztes, um höhere Rückvergütung bei der Krankenkasse zu bekommen oder Abrechnung von Privatleistungen als Kassenleistungen).

Besonders schwer nachzuweisen sind Fälle, in denen Anbieter von Gesundheitsleistungen medizinisch überflüssige Leistungen mit dem Ziel der eigenen Einkommensmaximierung erbringen. Aufgrund der Informationsasymmetrie sind Patienten hier nur selten in der Lage die medizinische Notwendigkeit zu beurteilen.

Rabatte und Kickback Zahlungen
Pharma- und Medizinproduktefirmen, aber auch Krankenhäuser, Laborärzte und -institute, Radiologische Praxen und Institute, Physikalische Institute und Therapeuten, Bandagisten, Hörgerätehersteller, Optiker, Zahntechniker, Diagnosezentren und andere Gesundheitsdiensteanbieter haben ein großes Interesse an guten Beziehungen zu verordnenden Ärzten und wollen sie motivieren, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verschreiben bzw. ihre Patienten an sie zu überweisen. Von „Zahlungen im Graubereich“ zwischen Hörgeräte-Technikern und HNO-Ärzten berichtete der Standard am 4.8. 2005 . „Es ist mehr als bedauerlich, dass Sie weiterhin eine Kooperation ablehnen. Anhand der Verkaufszahlen der Hörgeräte werden Sie ja selber merken, ob ihr Weg der richtige ist“, schrieb ein oberösterreichischer HNO-Arzt in einem dem Standard vorliegenden Brief an ein Fachgeschäft für Augenoptik und Hörgeräteakkustik. Dabei ging es um so genannten „Aufwandsentschädigungen“, die der Arzt vom Hörgeräte- Techniker begehrte. Diese seien durchaus üblich, erklärte ein Direktor der Burgenländischen Gebietskrankenkasse gegenüber dem Standard. Rund 60 bis 70 Euro erhalte ein HNO-Arzt pro Hörgeräteverschreibung für „angebliche Zusatzberatungen und Feineinstellungen“. Für diese medizinische Beratung bekommen die Kassenärzte aber bereits ein Honorar von den Krankenkassen. Die „Aufwandsentschädigungen“ erhöhen die Preise für die Hörgeräte, die von der Sozialversicherung bezahlt werden. Dadurch entstünden Zusatzkosten in der Höhe von rund 4,2 Millionen Euro, meinte der Kassen-Direktor laut Standard-Bericht.

Ein weiteres Beispiel zitierte das Nachrichtenmagazin Profil am 6.12.2004 aus internen Schulungsunterlagen einer Pharmafirma. Demnach sollen Ärzte mit folgenden Sätzen zur Verschreibung eines bestimmten Medikamentes motiviert werden: „Wenn Sie mir fünf Patienten einstellen oder umstellen, habe ich für sie etwas Ansprechendes in Vorbereitung: ein Kilo Wildlachs und eine Flasche exklusiven Champagner Moet Chandon. Natürlich können Sie auch zehn Patienten ein- oder umstellen, die Vergütung verdoppelt sich natürlich.“

Im Sommer 2005 sorgte eine Liste von Naturalrabatten, die Pharmafirmen an hausapothekenführende Ärzte gewährten, für öffentliche Aufregung. In einzelnen Fällen wurden dem Arzt für eine bezahlte Medikamentenpackung 200 Gratispackungen überlassen. Im Oktober 2005 wurden in einer Änderung des Arzneimittelgesetzes (§ 55 b) Naturalrabatte bei niedergelassenen Ärzten verboten. Geldrabatte im gleichen Ausmaß sind aber weiterhin erlaubt, ebenso wie Naturalrabatte für Spitäler. Wie die Kleine Zeitung im Jänner 2007 berichtet, soll eine Firma hausapothekenführenden Ärzten in Sonderaktionen bis zu 40 Prozent Rabatt angeboten haben. In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen genau diese Firma wegen des Verdachts in großem Umfang Ärzte „zur missbräuchlichen Verschreibung von Arzneimitteln” gebracht zu haben.

Zum Bericht von Transparency Österreich

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