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Korinek: Bleiberecht hängt nicht nur von Aufenhaltsdauer ab

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Ob einem Ausländer ein Bleiberecht zu erteilen ist, hängt nicht nur von der Dauer seines Aufenthaltes in Österreich ab. Mit einem Abstellen auf die Aufenthaltsdauer würden die Kriterien des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofes nicht erfüllt, betonte VfGH-Präsident Korinek.

Auch sei eine Mindestgrenze in der EGMR-Judikatur bisher nicht vorgekommen. Dass die Aufenthaltsdauer nicht allein entscheidend ist, zeigt sich auch an den zwei aktuellen Erkenntnissen, in denen der VfGH die Kriterien konkretisiert hat: So wurde einer Frau nach fünf Jahren Aufenthalt ein Bleiberecht zuerkannt, während die Ausweisung eines Mannes nach elf Jahren Aufenthalt als verfassungskonform erachtet wurde.

Bei der kroatischen Frau, die nach dem Tod ihres Mannes ausgewiesen werden sollte, attestierte der VfGH der Behörde einen „gravierenden Fehler“, weil wichtige Kritierien nicht berücksichtigt wurden – nämlich dass sie ein minderjähriges behindertes Kind hat, drei volljährige Kinder hier leben und dass sie zuvor schon viele Jahre als Saisonarbeitskraft in Österreich war. Bei dem Serben sprachen zwei Scheinehen, mehrere unzulässige Anträge und dass er sich nach zehn Jahren erstmals auf eine lange Beziehung zu einer Frau berief für die Ausweisung.

Die aufgelisteten Kriterien seien „das Minimum, um die Menschenrechtskonvention einzuhalten“. Andernfalls wäre eine Verurteilung durch den EGMR wahrscheinlich. Die Regierung könnte auch darüber hinaus gehen, „aber an diese Kriterien ist sie von Verfassungs wegen gebunden“, betonte Korinek, angesprochen auf den Kriterienkatalog des Innenministeriums. Dass mit den VfGH-Kriterien häufiger ein Bleiberecht gewährt wird, glaubt Korinek nicht. Denn in den aktuellen Fällen sei bis auf eine Ausnahme die Ausweisung als verfassungskonform erachtet worden.

Korinek konkretisierte einige der Kriterien: Unter „strafrechtliche Unbescholtenheit“ sei zu verstehen, dass keine „schwereren Straftaten“ begangen wurden und nicht etwa „reine Ordnungswidrigkeiten“. Und unter die „Erfordernisse der öffentlichen Ordnung“ falle natürlich nicht der illegale Aufenthalt, aber etwa missbräuchliche Anträge oder die Angabe falscher Namen.

Im Fall Zogaj wird die konkretisierte Bleiberechts-Linie für den VfGH selbst keine Auswirkung haben. Denn in dem anhängigen VfGH-Verfahren ist nicht über ein Bleiberecht, sondern über die Erstniederlassungsbewilligung zu entscheiden. Einen Zusammenhang könnte es allenfalls mit dem eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zur humanitären Aufenthaltsbewilligung geben – also ob den Zogajs ein Antrag zugestanden wäre. Auch das sei aber fraglich, weil die Behörde schon ohne Antrag in der Sache entschieden hat, erläuterte Korinek.

Eine Entscheidung in dem Gesetzesprüfungsverfahren ist im ersten Halbjahr 2008 zu erwarten. Wie es ausgehen wird, „traut“ sich Korinek noch nicht zu sagen. Hier gehe es nicht nur um das Recht des Betroffenen, einen Antrag auf humanitären Aufenthalt zu stellen, sondern auch um den Rechtsschutz – also die Möglichkeit, eine negative Entscheidung zu bekämpfen. Keine Bedenken hat der VfGH dagegen, dass die Behörden hier eine Ermessensentscheidung treffen. Aber auch diese müsse überprüfbar – also nachvollziehbar und ausreichend sachlich begründet – sein, betonte Korinek.

Die am Dienstag ebenfalls bekannt gegebene Aufhebung der Bestimmung zum Durchführungsaufschub erfolgte mit sofortiger Wirkung. Eine Reparaturfrist kam für den VfGH „angesichts der Schwere des verfassungswidrigen Eingriffes“ nicht in Frage. Zudem war sie nicht nötig: Denn aufgehoben wurde nur die Textstelle im Asylgesetz, die bewirkt, dass ein Aufschub nicht verlängert werden kann, erklärte Korinek.

Als „merkwürdig“ empfand der VfGH-Präsident hier die Stellungnahme der Regierung: Sie habe überhaupt nicht bestritten, dass diese Regelung verfassungswidrig ist – und nur darauf hingewiesen, dass es ohnehin Möglichkeiten gibt anders zu entscheiden. Dabei wurden allerdings eigentlich unzulässige Anträge „empfohlen“, womit sich der VfGH nicht zufrieden geben konnte.

Beruhigt zeigte sich Korinek in Sachen Asylgerichtshof. Er habe vom Bundeskanzleramt die Auskunft erhalten, dass die Forderungen von Innenminister Günther Platter (V) offenbar auf einem Missverständnis beruhten – und nicht daran gedacht sei, die Kontrollbefugnisse des VfGH einzuschränken.

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