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Koordinierungsplattform für Migration für Wien geplant

Illegale Migration wird jetzt noch härter bekämpft.
Illegale Migration wird jetzt noch härter bekämpft. ©APA/HERBERT NEUBAUER
EU- und Westbalkanstaaten wollen einen besseren und effizienteren Austausch - daher soll Wien Sitz einer neuen "Koordinationsplattform" für Migrationspolitik werden.

Wien soll der Sitz einer neuen "Koordinationsplattform" für Migrationspolitik werden. Das ist das überraschende Ergebnis nach knapp zweitägigen Beratungen von Innenminister und Vertreter von insgesamt 18 Staaten gemeinsam mit EU-Vertretern in der Bundeshauptstadt, zu denen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) eingeladen hatte.

Ziel der neuen Plattform sei es, die Maßnahmen der EU und der Westbalkanstaaten effektiver zu gestalten, erklärte Nehammer am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Horst Seehofer und dem für Migration zuständigen EU-Kommissar Margaritis Schinas. Auch für ihn sei es überraschend gewesen, dass so schnell eine Einigung gefunden werden konnte, räumte Nehammer ein, der aber bereits in der Früh er von "sehr guten" Gesprächen berichtet hatte.

Vier zentrale Aufgaben

Die neue Plattform werde sich auf die Koordination vier zentraler Punkte konzentrieren: Zusammenarbeit beim Schutz der Außengrenzen, bei Rückführungen von Migranten ohne Anspruch auf Asyl, im Kampf gegen Schlepperei und beim Aufbau von schnelleren und effizienteren Asylverfahren. Die Koordinierungsstelle solle aber keine neue EU-Agentur oder -Institution sein, wie die Beteiligten mehrmals betonten. Vielmehr solle sie schon bestehende, sinnvolle Maßnahmen besser koordinieren - "Koordination wahrnehmen und Wissen zusammenführen", wie Nehammer ausführte. Gleichzeitig solle erörter werden, "wo es blinde Flecken gibt und was man dagegen tun" könne.

Österreich werde jedenfalls die "technisch" unterstützen, also Bürokapazitäten und Mitarbeiter zur Verfügung stellen, teilte Nehammer auf Nachfrage mit. Über die operative Tätigkeit solle dann konkreter bei einer neuerlichen Konferenz im Herbst beraten werden.

Seehofer hofft auf Frühwarnung

Von der am Donnerstag beschlossenen Plattform erhofft sich der deutsche Innenminister Horst Seehofer eine Art "Frühwarnsystem". Durch einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch der teilnehmenden Länder sowie der EU-Institutionen könne schneller auf Veränderungen reagiert werden, wenn sich zeige, dass zusätzliche Maßnahmen notwendig sind, erklärte er im Rahmen der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen Karl Nehammer.

Deutschland unterstütze die "geniale Idee" der Errichtung einer solchen Koordinationsplattform im Kampf gegen irreguläre Migration "sehr", betonte Seehofer. Das Thema Migration "wird uns noch viele, viele Jahre beschäftigen", begründete er. Derzeit verzeichne man auch in Deutschland wieder "deutlich steigende Migrationszahlen". Mit 300 bis 400 Zuwanderern pro Tag habe man wieder "exakt" das Niveau vor der Coronakrise erreicht. Die Berichte seiner Kollegen aus den Westbalkanstaaten - sie waren bei der Migrationskonferenz in Wien per Videostream zugeschaltet - würden zudem "stark darauf hindeuten, dass diese Entwicklung so weitergeht", teilte der CSU-Politiker mit. Die Konferenz sei jedenfalls notwendig gewesen und sei "exakt zur richtigen Zeit" gekommen.

Auf der zweitägigen Migrationskonferenz, zu der Nehammer Vertreter aus 18 Staaten lud, sei man sich einig gewesen, dass es noch "viel engere Zusammenarbeit" in Europa, aber auch mit den Westbalkanstaaten, den Herkunfts- und Transitländern von Geflüchteten geben müsse. Das sei auch für alle Seiten eine "Win-Win-Situation", so der für Migration und den Schutz der europäischen Lebensweise zuständige Kommissar Margaritis Schinas.

Österreich als "Hauptakteur der europäischen Migrationspolitik"

Auch er merkte an, dass die Idee, eine Plattform zur Koordinierung zu gründen, "interessant" sei und genau richtig komme. Österreich entwickle sich zum "Hauptakteur der europäischen Migrationspolitik", lobte Schinas die Initiative. Seiner Vorstellung nach solle die neu beschlossene Einrichtung ein "flexibles operatives Instrument" sein, um die Prioritäten Europas auf eine Linie zu bringen und effektiver zu gestalten.

Der serbische Innenminister Nebojsa Stefanovic merkte kritisch an, dass einige Systeme zum Informationsaustausch derzeit nur für EU-Mitglieder zugänglich seien, eine bessere Kommunikation zwischen der EU und den Westbalkanstaaten sei "erforderlich", so Stefanovic, der bei der Pressekonferenz per Video zugeschaltet war, nachdem es derzeit für Serbien Reisebeschränkungen gibt. Schinas beteuerte, dass die EU die Westbalkanstaaten wie eine "erweiterte Familie" betrachte und Zusammenarbeit deshalb intensiviert werden solle.

"Es gibt keinen Mitgliedsstaat, der das Problem Migration alleine lösen kann", gab Seehofer zu bedenken. Deutschland will während seiner noch bis Ende des Jahres laufenden EU-Ratspräsidentschaft vor allem die Verhandlungen über ein gemeinsames Asylsystem vorantreiben. Er kenne auch keinen Mitgliedsstaat, der dies nicht wolle, so Seehofer.

Streitthema in Europa

Tatsächlich streiten die EU-Staaten seit Jahren über eine gemeinsame europäische Asylpolitik bzw. ein Gemeinsames Europäisches Asylsystems (GEAS). Insbesondere bei der Seenotrettung und der Verteilung von geflüchteten Menschen von den Staaten an den EU-Außengrenzen herrscht Uneinigkeit. Auch muss geklärt werden, wer für die Prüfung des Asylantrages an den Außengrenzen künftig zuständig ist. Die EU-Kommission will im September einen Vorschlag für eine gemeinsame Asylpolitik vorlegen.

"Europa kann nicht zweimal scheitern", sagte Schinas in Anspielung auf die "Flüchtlingskrise" 2015/2016. Die EU habe soviel geschafft, sei der größte Binnenmarkt der Welt und für 20 Prozent des weltweiten BIP verantwortlich. Es sei "undenkbar, dass wir noch immer keine gemeinsame Migrationspolitik haben", meinte der griechische EU-Kommissar.

(APA/red)

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