AA

Konvertierter Afghane ist frei

Nach den eindringlichen Appellen westlicher Staaten ist der zum Christentum übergetretene und von der Todesstrafe bedrohte Afghane Abdul Rahman aus dem Gefängnis entlassen worden.

Das afghanische Justizministerium bestätigte die Freilassung des 41-Jährigen am Dienstag. Zuvor war aus Justizkreisen verlautet, Rahman sei in eine Einrichtung gebracht worden, wo er sich psychiatrischen Untersuchungen unterzogen habe.

„Ich weiß nicht, ob er bei seiner Familie ist, aber ich weiß, dass er entlassen wurde“, sagte der afghanische Justizminister Sarwar Danish mit Verweis auf Rahman. Die Klage gegen ihn sei fallen gelassen worden. Zu den rechtlichen Hintergründen der Entscheidung könne er aber nichts sagen. Rahman suche nun Asyl im Ausland. Die Vereinten Nationen bemühten sich, ein Land für ihn zu finden, sagte Danish.

Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Mohammed Eshak Aloko begründete die Freilassung Rahmans im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP damit, dass dieser geistig nicht in der Lage sei, einem Prozess zu folgen. Er solle möglicherweise zur Behandlung ins Ausland geschickt werden. Sollten aber weitere Untersuchungen ergeben, dass Rahman doch zurechnungsfähig ist, könnten die afghanischen Behörden „ihn durch Interpol wieder nach Afghanistan bringen“ lassen und ihn erneut vor Gericht stellen, sagte Aloko. Aus Justizkreisen hieß es, Rahman sei derzeit im Justizministerium untergebracht. Das dürfte vermutlich seinem Schutz dienen.

Am Vortag hatte die US-Regierung bereits erklärt, Rahman komme frei. Experten hatten bereits zuvor erwartet, dass Rahman für unzurechnungsfähig erklärt wird und dass damit eine Anklage abgewendet werden kann. Der 41-Jährige selbst bestritt zuletzt jedoch, geistig nicht voll zurechnungsfähig zu sein. Seine Angehörigen äußerten sich anders: „Weil er krank ist, haben sie ihn entlassen“, sagte ein Angehöriger, der namentlich nicht genannt werden wollte. „Das ist gut. Es ist die richtige Entscheidung.“

Ein Vertreter der US-Botschaft in Kabul begrüßte die Freilassung Rahmans. Das weitere Vorgehen werde zum Schutze des Mannes jedoch privat gehalten, betonte Sprecher Lou Fintor. Zugleich rief er die Menschen in Afghanistan zur Ruhe auf. Die Stimmung dürfe nicht noch weiter angeheizt werden.

Erste Reaktionen der Afghanen auf die Berichte über eine Freilassung ließen jedoch Sorgen vor Unruhen aufkommen. „Wenn die Regierung ihn nicht hinrichtet, dann werden die Menschen in allen Provinzen demonstrieren“, sagte etwa ein junger Mann. „Alle Moslems werden sich gegen die Regierung wenden.“ Die radikalen Taliban riefen in einem Dekret bereits offen zur Tötung Rahmans auf.

Erste Proteste hatte es schon am Montag gegeben. Angeführt von Moslem-Geistlichen hatten rund 1000 Menschen im nördlichen Mazar-i-Sharif gegen eine Freilassung demonstriert. Sie riefen unter anderem „Tod Amerika“ und „Tod dem konvertierten Abdul Rahman“. Islamische Geistliche forderten, ihn hinzurichten. Da er sich vom Islam abgewandt habe, habe er den Tod verdient.

Die UNO-Mission teilte mit, man suche in der Asylfrage gemeinsam mit der afghanischen Regierung nach einer Lösung. Man erwarte, dass Rahman Asyl „von einem der Länder mit Interesse an einer friedlichen Lösung des Falls gewährt wird“. UNO-Sprecher Adrian Edwards teilte mit, Rahman habe um Asyl im Ausland gebeten. „Wir erwarten, dass dies von einem der Staaten gewährt wird, die an einer friedlichen Lösung dieses Falls interessiert sind“, sagte Edwards.

Das afghanische Rechtssystem stützt sich unter anderem auf das islamische Gesetz der Scharia. Die Regierung von Präsident Hamid Karzai befand sich im Fall Rahman in einem Dilemma: Einerseits wollte sie die Forderungen ihrer westlichen Verbündeten erfüllen, andererseits konnte sie die einflussreichen Moslem-Geistlichen nicht verprellen.

Rahman, der viele Jahre in Deutschland lebte, war vor 16 Jahren vom Islam zum Christentum übergetreten, als er in Pakistan für eine Hilfsorganisation arbeitete, die afghanische Flüchtlinge unterstützte. Er wurde im vergangenen Monat festgenommen, als Polizisten ihn mit einer Bibel entdeckten. Deutschland, die USA und die EU hatten die afghanische Regierung gedrängt, für eine Rettung des Mannes zu sorgen. Auch Papst Benedikt XVI. hatte um Gnade für den Konvertiten gebeten. Rahman hat sich geweigert, zum Islam zurückzukehren.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Konvertierter Afghane ist frei
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen