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Kontroverse um Kohlenmonoxid-Inhalation bei der Tour de France: Was steckt dahinter?

Im Gelben Trikot: Tadej Pogacar.
Im Gelben Trikot: Tadej Pogacar. ©AP
Neue Diskussion im Schlussspurt der Tour de France 2024: Was ist dran an der Kohlenmonoxid-Diskussion?

Die mögliche Inhalation von Kohlenmonoxid mit einem sogenannten Rückatmungsgerät sorgt bei der Tour de France für Diskussionen. Die Topstars Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard haben eingeräumt, das Gerät zur Leistungsmessung nach Trainingslagern genutzt zu haben. Verboten ist dies nach Reglement der Welt-Anti-Doping-Agentur nicht.

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Was die Methode verdächtig macht

Das Webmagazin "Escape Collective" hatte aufgedeckt, dass die Methode von den Teams UAE, Visma und Israel-Premier Tech genutzt wird - alle drei Mannschaften räumten dies auch ein. Was die Sache mit dem Kohlenmonoxid verdächtig macht, sind zwei Punkte: Zum einen kann mit denselben technischen Geräten statt der Rückatmungs- die Inhalationsmethode angewendet werden. Laut Studien kann dies zu einer Leistungssteigerung führen, weil über das Blut mehr Sauerstoff transportiert werden kann.

"Ich dachte immer, das kommt nur aus dem Auspuff"

Jonas Vingegaard bestätigte am Montag gegenüber der dänischen Zeitung "Politiken", dass seiner Mannschaft ein solches Gerät zur Verfügung stehe, betonte jedoch, laut Aussage von Vismas Direktor Mathieu Heijboer, sei daran "nichts Verdächtiges", da es lediglich für Tests genutzt werde. Ebenfalls wurde Pogacar am Dienstag nach der 16. Etappe in einer Pressekonferenz zu diesem Thema befragt. Er selbst sorgte für einen verdächtigen Moment. Pogacar bestritt nämlich, je davon gehört zu haben, als er in der Schlusswoche der Tour damit konfrontiert wurde. "Ich dachte immer, das kommt nur aus dem Auspuff. Aber vielleicht bin ich zu ungebildet", sagte der 25-Jährige. Am Tag danach ruderte der Slowene zurück und führte einen Verständnisfehler an.

Test im Höhencamp

Pogacar erklärte recht genau, wie der Test funktioniere. Er habe das einmal vor einem Höhencamp gemacht. Zu einer Wiederholung kam es angeblich nicht. "Die Frau, die das machen sollte, tauchte einfach nicht mehr auf", sagte Pogacar. Es sei nur ein simpler Test. Vingegaards Visma-Team gab an, seit Jahren mit dem norwegischen Professor Bent Rønnestad zusammenzuarbeiten und die Methode nur in dessen Anwesenheit zu verwenden.

Verärgerung beim Team von Jonas Vingegaard

Apropos Vingegaard: Aus Verärgerung über die TV-Übertragungen der Tour de France verweigert das Visma-Team von Titelverteidiger Jonas Vingegaard den Zugang zu seinem Funkverkehr während der Tour de France. Marketing-Manager Jasper Saeijs bestätigte dies am Start der 20. Etappe in Nizza gegenüber "Cycling Weekly". Man sei unzufrieden mit den Inhalten, die im TV gezeigt werden, zu oft würden Team-Strategien offengelegt.

Neben Visma stieg auch das britische Team Ineos vorerst aus dem Deal aus. Insgesamt hatten sich sechs Teams über die Inhalte beschwert, die via TV geteilt werden. Ein Ende des Projekts sei dies aber nicht, betonte Saeijs. Man sei allen Dingen gegenüber offen, die den Fans mehr Teilhabe am Rennen geben. "Momentan können wir dem Prozess aber nicht vertrauen. Nach der Tour wollen wir sehen, wie man es besser machen kann", sagte Saeijs.

Nur 5000 Euro für die Teams

Ein Team aus drei Mitarbeitern des Tour-Veranstalters ASO empfängt den Funkverkehr von 15 Mannschaften. Daraus wählen sie aus, was während der Etappe eingeblendet wird. Im Normalfall werden die Funksprüche mit 15 bis 30 Minuten Verzögerung gezeigt. Die Teams erhalten dafür 5000 Euro. Auch diese vergleichsweise niedrige Summe hatte für Verstimmungen versorgt.

Berühmter Funkspruch: "Ich bin tot"

Die ASO hatte sich die Übertragung von Funkverkehr bei der Formel 1 abgeschaut. Den wohl berühmtesten Funkspruch setzte Tadej Pogacar auf der Königsetappe im vergangenen Jahr ab, als er den Anschluss an die Spitzengruppe verlor. "Ich bin tot. Ich kann nicht mehr", ließ der Slowene seinen Sportlichen Leiter wissen.

Zwei Verfahren: CO-Rückatmung und CO-Inhalation

  • Es gibt zwei Hauptanwendungen für die besprochenen Geräte: Zum einen dienen sie zur Analyse von Blutwerten, um die physiologischen Effekte von Training, insbesondere von Höhentraining, zu beurteilen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, über diese Geräte gefährliches Kohlenmonoxid zu inhalieren. Letztere Methode könnte, wie wissenschaftliche Studien andeuten, die aerobe Kapazität und die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) einer Person erhöhen, ähnlich oder sogar über die Effekte des Höhentrainings hinaus.
  • Diese Art der künstlichen Blutmanipulation könnte jedoch die Regeln der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) stark strapazieren oder sogar verletzen. Es würde sich möglicherweise mit Blutdoping vergleichen lassen, ähnlich dem seit 2014 verbotenen Einsatz von Xenon-Gas. Bisher hat die WADA auf die Kohlenmonoxid-Inhalation noch nicht reagiert.
  • Zusätzlich besteht ein erhebliches Gesundheitsrisiko, da zur Leistungssteigerung mehrmals täglich das potenziell tödliche Gas inhaliert werden müsste.
  • Aktuell gibt es keine Belege dafür, dass professionelle Radsportteams diese Methode anwenden. Die Plattform "Escape Collective" berichtet jedoch von zahlreichen anonymen Quellen, die ihre Bedenken geäußert haben. Die zuvor erwähnten Teams bestätigten gegenüber der US-Website, dass sie Zugang zu einem Kohlenmonoxid-Kreislaufgerät haben, es jedoch ausschließlich für die CO-Rückatmung und damit verbundene Bluttests nutzen.

Update zur 20. Etappe bei der Tour de France: Radstar Tadej Pogacar hat die 20. Etappe der 111. Tour de France gewonnen und seinen fünften Tagessieg gefeiert. Bei der letzten Bergetappe in den Alpen setzte sich der Gesamtführende aus Slowenien am Col de la Couillole im Sprint um Platz eins vor Titelverteidiger Jonas Vingegaard durch. Die Frankreich-Rundfahrt endet am Sonntag mit einem 33,7 km langen Einzelzeitfahren nach Nizza.

(APA, Red.)

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