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Kontaktmann des Wien-Attentäters fasst 19 Monate Haft aus

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. ©APA (Sujet)
Jener 24-Jährige, der dem Wien-Attentäter das geistige Rüstzeug für den Anschlag am 2. November 2020 geliefert haben soll, wurde nun zu 19 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Am Wiener Landesgericht ist am Dienstag ein Kontaktmann des Attentäters von Wien, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Passanten getötet hatte, ehe er von der Polizei erschossen wurde, verurteilt und im Anschluss enthaftet worden. Der 24-Jährige, der laut Anklage dem Attentäter das geistige Rüstzeug geliefert haben soll, fasste wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation eine Freiheitsstrafe von 19 Monaten aus.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 24-Jährige nahm nach längerer Besprechung mit seinem Verteidiger Sascha Flatz das Urteil an. Die Staatsanwältin gab demgegenüber vorerst keine Erklärung ab.

Anschlag in Wien: 19 Monate Haft für Kontaktmann des Attentäters

"Sie sind ein IS-Mann. Davon sind wir überzeugt", sagte der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Bei der Strafbemessung war auf ein Urteil in einem separaten, vorangegangen Verfahren des Landesgerichts St. Pölten wegen Diebstahls Bedacht zu nehmen. Der 24-Jährige hatte in diesem für die Beteiligung an Fahrrad-Diebstählen fünf Monate auf Bewährung ausgefasst. Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung müsste der 24-Jährige bei Rechtskraft des nunmehrigen Urteils insgesamt zwei Jahre verbüßen, wobei allerdings die U-Haft darauf anzurechnen ist.

Der Mann befindet sich bereits seit 3. November 2020 und damit seit fast zwei Jahren im Gefängnis - er war wenige Stunden nach dem Terror-Anschlag in der Wiener Innenstadt festgenommen worden. Im Hinblick darauf und angesichts des Umstands, dass ein Teil der Gesamtstrafe ursprünglich auf Bewährung ausgesprochen worden war, wurde der 24-Jährige nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Was nicht nur sein Verteidiger mit Zufriedenheit ("Das war unser vorrangiges Ziel") zur Kenntnis nahm, sondern auch einige Zuhörer, die als Sympathisanten des Mannes zu erkennen waren.

Angeklagter ersuchte in Schlusswort um Freispruch

Der 24-Jährige hatte sich in seinem Schlusswort klar vom Anschlag in Wien distanziert und um einen Freispruch ersucht. Er sei von den Medien immer wieder im Zusammenhang mit dem Anschlag "persönlich erwähnt" worden, obwohl er damit nichts zu tun habe. Zum Attentat bemerkte er: "Ich will ganz klar stellen, dass ich das, was passiert ist, bedaure." Der Gott, an den er glaube, gehe nicht durch die Straßen und töte Menschen. Er habe den Attentäter zwei bis drei Mal gesehen und von dessen Plänen nichts gewusst: "Wenn ich davon gewusst hätte, hätte ich das gemeldet."

Für Verteidiger Flatz handelte es sich beim Angeklagten um einen "ganz normalen Mann, der sich für den Salafismus entschieden hat. Das ist nicht strafbar". Sein Mandant sei "kein durchgeknallter Jihadist", das Beweisverfahren habe in diese Richtung keinerlei Beleg erbracht.

24-Jähriger in zentralen Anklagepunkten schuldig gesprochen

Das sah der Schöffensenat allerdings anders. "Sie sind nicht nur ein Salafist, Sie sind von der Einstellung her ein Jihadist, der dem IS zuzurechnen ist", stellte der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung fest. In zentralen Anklagepunkten wurde der 24-Jährige daher schuldig gesprochen. Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass dieser in einer eigens angemieteten Wohnung in St. Pölten Treffen für Befürworter und Sympathisanten der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) veranstaltet und bei Zusammenkünften zum Freitag-Gebet Predigten hielt, "in denen ganz eindeutig IS-Inhalte vertreten wurden", wie der Vorsitzende darlegte. Auch für den Vertrieb eines einschlägigen Buchs wurde der Mann verurteilt, nicht jedoch - wie inkriminiert - für den Aufbau einer ganzen Bibliothek. Zu zwei weiteren Anklagepunkten gab es ebenfalls Freisprüche.

Mitwissen bei Vorbereitungen für Wien-Attentat nicht nachweisbar

Der in St. Pölten geborene und dort aufgewachsene Angeklagte war laut Anklage seit 2017 mit dem Attentäter befreundet. Eine direkte Beteiligung am Anschlag oder konkrete Mithilfe bei Vorbereitungshandlungen bzw. Mitwissen waren ihm bisher nicht nachzuweisen. Ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren ist noch offen. Der 24-Jährige stritt vor Gericht seine Kontakte zum Attentäter nicht ab, betonte aber, strafrechtlich sei ihm das nicht vorzuwerfen. Zuletzt habe er mit diesem am 31. Oktober oder 1. November 2020 - also unmittelbar vor dem Attentat - zu tun gehabt, jedoch in einer ganz anderen Angelegenheit. Der Attentäter habe seine Wohnung nicht mehr bezahlen können, er sei deswegen in der Nacht von St. Pölten zur Wohnung des Attentäters gefahren, der ihm aber nicht aufgemacht habe. Er habe diesen fragen wollen, ob er Geld brauche.

Auf den IT-Techniker mit nordmazedonischen Wurzeln war der Verfassungsschutz schon im Alter von 14 Jahren aufmerksam geworden. Die Schule, die er damals besuchte, meldete, er falle mit radikalislamistischen Tendenzen auf. Als 18-Jähriger gründete er die Bewegung "Ansar", die laut Staatsanwaltschaft die Ideologie des IS vertrat. In Gebetsräumlichkeiten der Uni-Klinik St. Pölten gab er laut Anklage Religions- und Islamunterricht und hielt auch Prüfungen ab. 2017 wurde er deshalb erstmals wegen Terrorismusverdachts angeklagt, aber im Zweifel freigesprochen. Ein zweites Ermittlungsverfahren wurde später von der Staatsanwaltschaft zunächst eingestellt.

Jihadisten-Treffen in Wohnung in St. Pölten vor Anschlag in Wien

In weiterer Folge verlegte der Mann seine Lehrtätigkeit in eine Moschee. Dem Imam waren die Inhalte, die er predigte, aber zu radikal, so dass sich der 24-Jährige im Sommer 2020 in St. Pölten eine Wohnung anmietete, die einige Monate vor dem Terroranschlag in Wien in den Fokus der Staatsschützer geriet. Neben Arabisch-Kursen fanden in der Wohnung religiöse Vorträge mit salafistischen Inhalten ein interessiertes Publikum aus der Jihadisten-Szene.

Auch der Attentäter verkehrte in der Wohnung, zumindest drei bis vier Mal soll er sich dort eingefunden haben. Zuletzt wurde er Ende Oktober 2020 und damit wenige Tage vor dem Anschlag in der St. Pöltner Wohnung gesehen.

(APA/Red)

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