So schätzen Kirchenexperten die konservativen Netzwerke ein, die zuletzt rund um die Bischofs-Ernennung von Gerhard Maria Wagner und die Zölibatsdebatte vor allem in der Diözese Linz stark auf den Plan getreten sind.
Bei einer Podiumsdiskussion des Journalisten-Forums der Diözese Linz Montagabend verglich Pastoraltheologe Paul Zulehner den verstärkten Zustrom zu konservativen Gruppen mit jenem zu rechten Parteien: Immer mehr Menschen seien wieder “unterwerfungsbereit”, weil sie mit ihrem eigenen Leben überfordert seien. Greife man die Autorität, die allmählich ihr schwaches Ich ersetze, an, ernte man Aggressivität.
Diese von Zulehner attestierte Dialogunfähigkeit kann der Leiter der diözesanen Kommunikation in Linz, Ferdinand Kaineder nur bestätigen: Bereits Altbischof Maximilian Aichern habe sich – ebenso wie heute sein Nachfolger Ludwig Schwarz – stets um das Gespräch mit diesen Gruppen bemüht. “Das war mühsam, ist aber ohne Wirkung geblieben.” Der Chefredakteur der Plattform Kath.net, Roland Noe, lieferte auch prompt den indirekten Beweis dafür: Er war zwar zu der Diskussion eingeladen, ließ aber wissen, er finde es “problematisch”, “dass hier jeder Kollege eine Geschichte machen und der Leser den Inhalt nur mehr gefiltert wahrnehmen kann”.
“Ich glaube, dass keine Diözese in Österreich so einen starken rechten Flügel hat wie Linz”, ist Zulehner überzeugt. Pfarrer Slawomir Dadas, der in seiner Dissertation die verschiedenen Gruppen in Oberösterreich katalogisiert hat, will aber nicht alle Konservativen in einen Topf werfen: Es gebe einerseits “fromme” Menschen, die sich für bestimmte Werte einsetzen, zum anderen “bedenkliche” fundamentalistische Gruppierungen. Dazu zählt er den Linzer Priesterkreis, die Petrusbruderschaft oder die “normalen Katholiken” mit ihrer Zeitung “Die Wahrheit”.
Würde man Partizipation in der Kirche verwirklichen, “hätten die keine Chance”, schätzt Zulehner den Anteil des rechten Randes nur “marginal”. Gemeinsam sei den Gruppen nach Ansicht der Experten am Podium, dass sie zwar klein, dafür aber umso lauter seien und sich gerne in die Kirchenpolitik einmischen. Besonders gut funktioniere das über das Internet. Man könne Inhalte weit verbreiten, bleibe aber anonym – laut Kirchenzeitung stünden die Server sogar oft im Ausland. Die Plattform kath.net habe in Deutschland etwa lange Zeit den Eindruck erweckt, sie sei die offizielle Homepage der kirchlichen Nachrichtenagentur Kathpress, schilderte Kaineder.
Zulehner ortet eine “massive Transformationskrise” in der Kirche. Die Inhalte dieser kleinen Gruppen seien früher einmal mehrheitlich anerkannt gewesen. Manche Kreise wollen daher zum Schutz vor der modernen Gesellschaft eine Mauer aufbauen. Als prominentes Opfer dieser Fortschrittsangst führte er Johannes XXIII. an: Eine Postkarte vom italienischen Christdemokraten Giulio Andreotti hatte dem Konzils-Papst einen Vermerk in der Personalakte eingetragen, er sei “des Modernismus verdächtig”.