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"Komatrinken" ist ein verbreitetes Phänomen

Österreich - "Komatrinken" ist ein über ganz Österreich verbreitetes Phänomen. Für die Rettungsdienste sind bis zur Bewusstlosigkeit betrunkene Jugendliche nichts Neues.

Die APA hat am Montag bei den Rot Kreuz-Landesstellen in sämtlichen Bundesländern nachgefragt und dabei eine Erkenntnis gewonnen: Für die Rettungsdienste sind bis zur Bewusstlosigkeit betrunkene Jugendliche nichts Neues. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, bei denen sogar abgebrühten Helfern die Luft weg bleibt.

Eine schier unglaubliche Geschichte erzählte ein führender Mitarbeiter des Kärntner Roten Kreuzes. Ein Vater habe ihm berichtet, dass sein Sohn mit gleichaltrigen 15- bis 16-Jährigen jedes Mal vor dem abendlichen Streifzug durch die Lokale zu Hause „vortrinkt“. Die Jugendlichen würden in Geschäften billigen Alkohol besorgen und sich mit diesem in Stimmung bringen, bevor sie das Haus verlassen. „Der Vater hat mir gegenüber ausdrücklich die Sparsamkeit der Buben gelobt, da in den Lokalen die Getränke ja so teuer seien“, so der Rettungsmann.

„Wenn ich am Wochenende das Plakat zu einer Ein-Euro-Party sehe, weiß ich, dass wir dort hinfahren werden“, meinte ein Sanitäter des Roten Kreuzes in Eisenstadt. Vor allem in der Nacht von Freitag auf Samstag, meist nach Mitternacht, werden die Helfer zu zwei bis drei Einsätzen gerufen. Die „Patienten“ werden jünger, auf alle Fälle unter dem Führerschein-Alter, stellte auch er fest. Noch vor wenigen Monaten sei die Rettung vor allem zu 18- oder 19-Jährigen gerufen worden.

In den vergangenen Monaten habe sich das seiner Meinung nach auf Grund der „Flatrate-Partys“ geändert. Die jüngste Patientin war ein Mädchen im Alter von 13 Jahren. Der Rettungssanitäter ist seit 30 Jahren beim Roten Kreuz tätig und war zuvor in Wiener Neustadt. „Dort war es noch schlimmer“, so sein Kommentar.

„Komatrinken“ scheint auch in Niederösterreich schon länger bekannt: „Neu ist es nicht“, so der Tenor von Ralph Schüller, Sprecher des NÖ Roten Kreuzes, und Stefan Spielbichler von der NÖ Rettungsleitstelle LEBIG. Zu beobachten sei allerdings, dass immer mehr Mädchen mit Alkoholintoxikationen ins Spital eingeliefert würden. Die weiblichen Jugendlichen hätten in Niederösterreich mit den Burschen gleichgezogen, „wenn nicht sogar schon überholt“, so Spielbichler.

„Das eigentliche Problem ist das Vorglühen“, weiß Spielbichler. Auf den Festen selbst seien die Wirte bereits sehr sensibilisiert, so dass Personen, die vom Gesetz her nicht berechtigt sind Alkohol zu trinken, auch tatsächlich keinen erhalten. In vielen Fällen sei es aber so, dass unter 16-Jährige ältere Freunde in den Supermarkt schicken, die dort alkoholische Getränke kaufen und an die Gruppe weitergeben.

Wechsel von Bier auf Wodka wird unterschätzt

Beim Roten Kreuz in Oberösterreich sieht man die Hemmschwelle beim Alkoholkonsum im Sinken: Der Umgang der Jugendlichen dürfte lockerer als früher sein, erklärte Landesrettungskommandant Christoph Patzalt. Erst am Wochenende hatten Besucher eines Zeltfestes in Gampern (Bezirk Vöcklabruck) zu viel getrunken und sich Schlägereien geliefert, die insgesamt 14 Verletzte forderten. „Das sollte uns allen Sorgen machen“, betonte Patzalt.

Sturzbetrunkene Jugendliche gehören laut Vorarlbergs Rotkreuz-Landesdirektor Roland Gozzi schon immer zum Alltag der Rotkreuz-Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren habe die Tendenz zum „Komatrinken“ allerdings zugenommen, so Gozzi. Besonders nach Privatfesten stellte das Rote Kreuz eine Zunahme fest. „In Discos können sich die Jugendlichen das gar nicht leisten.“ Das Verhalten habe sich geändert. Während früher eher Bier getrunken wurde, betränken sich die Jugendlichen heute mit Wodka-Mischungen. Gozzi: „Dabei unterschätzt man dann die Wirkung und wir haben Jugendliche mit ganz gehörigen Alkoholvergiftungen.“

Auch in Tirol ortet das Rote Kreuz einen Trend von Jugendlichen zum „Komatrinken“. Am vergangenen „eher ruhigen“ Wochenende wurden vier bis fünf derartige Fälle registriert, normalerweise seien es „zehn- bis 15 Mal so viel“, hieß es am Montag auf Anfrage der APA. Motive der Betroffenen seien Frust bzw. der Drang, „cool sein“ zu wollen, berichtete der Pressesprecher des Tiroler Roten Kreuzes, Fritz Eller. Er mache diese Beobachtungen auch in seinem Zivilberuf als Lehrer an der HAK in Kitzbühel. Freunde der Opfer würden die Rettung dann nicht aus Jux und Tollerei alarmieren, sondern weil es dem Freund oder der Freundin entsprechend schlecht gehe. In Richtung Schulschluss sei wieder vermehrt mit derartigen Einsätzen zu rechnen.

Das steirische Rote Kreuz könne nicht von überdurchschnittlich vielen Jugendlichen sprechen, die sich bei Zeltfesten mit Alkohol bewusstlos trinken, so August Bäck von der Rettungsorganisation. Er erklärte, dass viele der jungen „Alkoholleichen“ privat von Eltern oder Bekannten zum Arzt oder ins Krankenhaus gefahren würden.

Im Falle eines Sekundärtransportes – wenn zum Beispiel ein junger Mensch von einem Landeskrankenhaus in die Kinderklinik nach Graz gebracht wird – ist den Sanitätern meist nicht bekannt, wo sich der Jugendliche bewusstlos getrunken hat. „Komatrinken“ unter Jugendlichen sei dem Experten nicht neu: Bereits vor rund 15 Jahren habe er einen jungen Mann von einem Maturaball ins Krankenhaus gefahren, weil er sich „gleich in ein ganzes Fass gesetzt“ hatte. In Wien ist der Trend hin zu den ganz jungen Alko-Opfern nicht festzustellen. Das betonte der Chefarzt der Wiener Rettung, Alfred Kaff: „Das betrifft uns nicht in dem Ausmaß, wie es offenbar in anderen Bundesländern der Fall ist.“ Entsprechend auch das Bild der Einsätze am vergangenen Wochenende. Mehrmals musste die Wiener Rettung Alkoholisierten zu Hilfe eilen. Koma-Fälle habe es jedoch nicht gegeben, betonte Kaff. Das jüngste Opfer war ein 16 Jahre altes Mädchen – das auch Tabletten genommen hatte. Eine ungewöhnliche Häufung von Einsätzen wegen alkoholisierter Jugendlicher sei derzeit nicht zu bemerken. Kaff: „Das hat es immer schon gegeben.“

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