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Kolumbien verliert den Kampf gegen Drogen

Kolumbien, der Weltmeister im Kokain-Export, ist drauf und dran, den Kampf gegen die Drogenkriminalität zu verlieren. "Unser Ziel muss es sein, die Kokasträucher ganz zu vernichten."

“Dabei dürfen wir uns auch von gelegentlichen schlechten Nachrichten nicht irre machen lassen”, forderte der konservative Präsident Alvaro Uribe sein Volk kürzlich zum Durchhalten auf.

Schlechte Nachrichten von der Drogenfront aber gibt es mehr, als Uribe angesichts der angestrebten Wiederwahl im kommenden Jahr lieb sein kann. Jetzt beschlagnahmten die Behörden sogar die größte jemals gefundene Kokain-Menge. 13,58 Tonnen im Schwarzmarktwert von etwa 815 Millionen Euro.

Obwohl im vergangenen Jahr 130.000 Hektar vor allem Kokasträucher mit Pflanzenvernichtungsmitteln aus der Luft besprüht wurden, stieg die Anbaufläche sogar noch. Die Dollarmilliarden aus dem Drogengeschäft korrumpieren den Staat, zersetzen die Gesellschaft und heizen den Bürgerkrieg weiter an. „Im Militär und bei der Polizei werden die Statistiken über den Kampf gegen die Drogen und gegen die Rebellen geschönt, weil jeder Karriere machen will. Uribes Antidrogenpolitik ist völlig gescheitert“, sagte dpa ein ranghoher Polizist in Bogota.

Schon im Kindesalter macht sich der „Fluch des Weißen Goldes“ bemerkbar. „Meine Schüler lachen mich aus, wenn ich sie zum Lernen anhalte. In den Kokaplantagen gibt es gutes Geld, und niemand fragt nach einem Schulabschluss“, berichtet etwa die Lehrerin Marta in Kolumbiens Koka-Provinz Narino resigniert.

Die von den USA finanzierten Sprühaktionen kosteten 2004 umgerechnet schätzungsweise fast eine halbe Milliarde Euro. Entwicklungshelfer raufen sich die Haare, wenn sie sich vorstellen, was mit diesem Geld alles an wirtschaftlichen Alternativen zum Koka-Anbau finanziert werden könnte.

Im gleichen Zeitraum beschlagnahmten die Behörden etwa 80 Tonnen reinstes Kokain und Heroin mit einem Schwarzmarktwert von etwa fünf Milliarden Euro. Hunderte Tonnen aber dürften den Fahndern durch die Lappen gehen. Alberto, ein Schuhputzer auf dem Flughafen von Pasto, der Hauptstadt der im Südwesten gelegenen Provinz Narino, verdient pro Tag gerade mal vier Dollar.

In der Koka-Ernte in den Bergen der westlichen Andenkette in Sichtweite des Flughafens würde er fünf mal soviel verdienen. Für viele arme Kolumbianer ist das Drogengeschäft keine Frage der Moral, sondern des Überlebens.

Und so Besorgnis erregend die offiziellen Zahlen über die Drogenanbauflächen auch sein mögen, Experten vor Ort halten sie noch immer für geschönt. So weisen die Vereinten Nationen (UN) für Narino nur 16.000 Hektar aus. Die kolumbianische Antidrogenpolizei aber hat nach eigenen Angaben seit Jahresbeginn schon knapp 50.000 Hektar in der Provinz aus der Luft besprüht.

„Das passt doch alles nicht zusammen“, sagt der Regierungssekretär der Regionalregierung in Pasto, Fabio Trujillo. Der zweite Mann nach dem Gouverneur, der bis vor kurzem Landwirtschaftsminister in der Provinz war, schätzt die Drogenanbauflächen aus eigener Kenntnis auf mindestens 60.000 Hektar.

Sogar Polizei und Militär, die die Drogen bekämpfen sollten, kassieren bei den Bauern und Zwischenhändlern mit ab. Dafür übersehen sie dann schon mal ein paar Kokasträucher und rot blühende Mohnfelder, ist unter der Hand zu erfahren. Eine Entschärfung des Problems kann nach Ansicht des Gouverneurs von Narino, Eduardo Zuniga, nur eine weltweit abgestimmte begrenzte Legalisierung der Drogen bringen.

Ähnlich sieht das der Erste Sekretär des Entwicklungsrates der Vertretung der EU-Kommission in Bogota, Nicola Bertolini. „Die EU muss in der Frage der Legalisierung von Drogen viel flexibler werden“, bringt er seine persönliche Meinung zum Ausdruck.

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