Kochers Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit

An Politik, Sozialpartner und Unternehmen richtet er einen Appell zur Offenheit. "Wir müssen noch stärker über ideologische Schatten springen", sagte der Politiker im APA-Gespräch. Als Reformvorhaben für den Herbst nannte Kocher die Novelle der Höheren Beruflichen Bildung. Ein Vorschlag für den Lebensmittelpreisrechner soll bald vorliegen.
Fachkräftemangel: Kocher für weitere Maßnahmen
Grundsätzlich sieht Kocher im Bereich der Arbeitsmarktpolitik jüngst Fortschritte. Als Beispiel griff er die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte heraus, deren Umsetzung "mit den Sozialpartnern gemeinsam" gelungen sei. Nun seien aber weitere Instrumente notwendig, denn die durch den Mangel an Personal verursachten Probleme würden nicht weniger. "Der Appell geht an alle, um am Arbeitsmarkt genug Arbeitskräfte zu haben", so Kocher. Es gehe darum, "unseren Wohlstand und unser Sozialsystem zu sichern".
Handlungsbedarf bei überregionaler Vermittlung von Arbeitslosen
Handlungsbedarf ortet Kocher bei der überregionalen Vermittlung von Arbeitslosen - einer der Schwerpunkte unter den neuen Zielvorgaben an das AMS. "Wir können nicht akzeptieren, dass wir wie jetzt in Tirol und Salzburg 3 Prozent Arbeitslosigkeit, also Vollbeschäftigung haben, in Wien aber mehr als 10 Prozent." Über eine Erhöhung der Entfernungsbeihilfe, wie zuletzt von der neuen AMS-Vorständin Petra Draxl vorgeschlagen, könne man daher diskutieren, sagte Kocher. An den gesetzlichen Zumutbarkeitsbestimmungen für einen Ortswechsel soll sich in der Zukunft allerdings nichts ändern, versicherte der Minister.
Keine konkreten Angaben zum AMS-Budget von Martin Kocher
Konkrete Angaben zum AMS-Budget, das im nächsten Jahr geringer ausfallen dürfte, machte Kocher mit Blick auf die kommenden Verhandlungen keine. Jedenfalls wolle er sich dafür einsetzen, dass wichtige Vorhaben in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, etwa für die Vermittlung von Jugendlichen, Langzeitarbeitslosen oder Frauen, weiterverfolgt werden können. Die neuen Zielvorgaben seien durchaus ambitioniert, was aber auch notwendig sei, wenn man auf die Bedürfnisse einzelner Arbeitssuchender besser eingehen wolle. Kocher beschrieb die Zielvorgaben als "Kompass" für die Arbeitsmarktpolitik.
Spätestens im Herbst will Kocher die im türkis-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 verankerte Reform der Höheren Beruflichen Bildung finalisieren. Bei der Höheren Beruflichen Bildung geht es um die Verankerung einer gleichwertigen Alternative zur hochschulisch-akademischen Bildung in Österreich. Personen, die aus dem Berufsbildungsbereich kommen, also beispielsweise einen Lehrabschluss haben, sollen damit für eine Höherqualifikation künftig nicht mehr zwangsläufig in den akademischen Bereich wechseln müssen. Zu klären seien nur noch Kleinigkeiten. "Ich hoffe, wir können bald ein Paket präsentieren."
Lebensmittel-Preisrechner: Kocher will bis Herbst Vorschlag erarbeiten
Für den Mitte Mai angekündigten Lebensmittel-Preisrechner will Kocher ebenso bis zum Herbst einen Vorschlag erarbeiten. Die konkrete Ausgestaltung sei noch offen, derzeit befinde man sich im Austausch mit Experten der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Das Tool müsse jedenfalls "den Konsumentinnen und Konsumenten nutzen, es muss einfach sein und es muss natürlich auch so gestaltet sein, dass es jederzeit die richtige Information liefert". Gleichermaßen solle damit auch der Wettbewerb im Lebensmittelhandel angeheizt werden. Ziel sei, ein langfristig brauchbares Instrument zur Verfügung zu stellen. "Deswegen macht es auch Sinn, sich dafür Zeit zu nehmen."
In Österreich waren die Lebensmittelpreise zuletzt ein wesentlicher Treiber der Teuerung. Die Inflationsrate lag im Juni hierzulande laut Schnellschätzung der Statistik Austria im Juni bei 8,0 Prozent, im Mai hatte der Anstieg im Jahresabstand 9,0 Prozent betragen - ein Preisauftrieb, der über dem Schnitt der Eurozone liegt. Wichtig sei vor allem, dass der Abstand von Österreich zu Deutschland verringert werde, so Kocher, der auf die jüngsten Anti-Teuerungsmaßnahmen der Regierung sowie den geldpolitischen Straffungskurs der Europäischen Zentralbank (EZB) verwies.
Kocher bereit die Indexierung zu überdenken
Für die Anregung vom neuen Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, die in Österreich weit verbreitete Indexierung zu überdenken, zeigte sich der Minister grundsätzlich offen. Konkrete Vorschläge für eine "bessere Indexierung", etwa abseits des Verbraucherpreisindex (VPI), habe er aber noch nicht vernommen. Durch die Indexierung, die beispielsweise im Mietrecht verankert ist, werden die Preise unter bestimmten Bedingungen an die Inflationsentwicklung nachträglich angepasst.
Zum Mercosur-Pakt, über den aktuell international verhandelt wird, hob Kocher den aufrechten Parlamentsbeschluss hervor, der die Regierung grundsätzlich zu einer ablehnenden Haltung verpflichtet. Der Politiker kann sich aber vorstellen, das Endergebnis neu zu bewerten. "Bevor wir nicht wissen, wie das Gesamtpaket aussieht, kann ich nicht ausschließen, dass man möglicherweise doch eine veränderte Position einnimmt". Er wolle abwarten, bis es eine "klare politische Positionierung von der Europäischen Kommission und den Mercosur-Staaten" gibt. "Dann kann man eine Entscheidung treffen, wie sich Österreich verhält." Die Knackpunkte aus seiner Sicht seien der Schutz des Regenwaldes, der von den Mercosur-Ländern zugesichert werden müsse, sowie die Sicherung eines fairen Wettbewerbs für landwirtschaftliche Produkte.
(APA/Red)