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Koalition verstaatlicht das Asylwesen

Die Koalition hat die Betreuung und Beratung im Asylwesen verstaatlicht.
Die Koalition hat die Betreuung und Beratung im Asylwesen verstaatlicht. ©APA/Dpa
Die Koalition verstaatlicht nun die Betreuung und Beratung im Asylwesen. Die ORS und NGOs müssen ihre Agenden somit abgeben. Das Justizministerium wird für die Rechtsberatung führend zuständig.

Die Koalition macht jetzt ernst mit der Verstaatlichung des Asylwesens. Justiz- und Innenressort haben sich auf einen Begutachtungsentwurf verständigt, der Betreuung und Beratung von Flüchtlingen in die Hände einer Agentur gibt, die unter der Ägide des Innenministeriums steht. Die bisherigen Anbieter, kommerzielle Betreuer bzw. NGOs, müssen ihren Agenden somit abgeben.

Eigentlich hatte das Innenministeriums in der Sache schon länger gedrängt und wollte die Verträge bezüglich Rechtsberatung mit Jahresende kündigen, womit man sie bereits 2020 in staatliche Obhut übergeben hätte können. Da das Justizressort, das für die Asylberufungsinstanz zuständig ist, von den Plänen nicht überzeugt war, verschiebt sich nun alles um ein Jahr. Noch dazu hat man sicher gestellt, dass die Rechtsberatung in der neuen Agentur eine Eigenständigkeit erhält und der Leiter dieser Abteilung vom Justizminister bestellt wird.

2021 wandern auch Rechts- und Rückkehrberatung von NGOs an die neue Agentur

Grundsätzlich ist gemäß den Koalitionsplänen, die der APA als Punktation vorliegen, geplant, eine Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) zu etablieren. Sie ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung geplant, die ausschließlich mildtätige und gemeinnützige Zwecke zu verfolgen hat. Der Innenminister ist gegenüber der BBU-Geschäftsführung weisungsbefugt und gibt die allgemeinen Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung vor. Die Agentur soll in den Bundesquartieren unter anderem für die Unterbringung, Verköstigung sowie für die Rechts- und Rückkehrberatung zuständig sein. Die Länderquartiere sind von der Reform nicht betroffen.

Bisher waren für die Bundesquartiere wie die Erstaufnahmestellen Traiskirchen und Thalham kommerziell orientierte ausländische Firmen zuständig, zunächst European Homecare, zuletzt ORS. Letzteres Unternehmen soll diese Aufgaben mit Mitte kommenden Jahres an die BBU übergeben. Die Auflösung der laufenden Verträge ist noch nicht erfolgt, man sei aber in guten Gesprächen, heißt es aus dem Innenressort. Mit 2021 und damit ein Jahr später als ursprünglich vorgesehen wandern auch Rechts- und Rückkehrberatung von NGOs wie der Diakonie oder der Caritas an die neue Agentur.

Moser betont: Unabhängigkeit der Rechtsberatung weiterhin Grundvoraussetzung

Die Rechtsberatung gilt ja als besonders sensibler Bereich und dem hat die Regierung letztlich Rechnung getragen, wohl auf Betreiben des Justizressorts. So ist festgeschrieben, dass für dieses Aufgabengebiet innerhalb der BBU ein eigener Bereich aufgebaut wird, in dem um die 110 Rechtsberater für die 1. und 2. Instanz tätig sein werden. Um eine unabhängige, den Grund- und Menschenrechten verpflichtete Rechtsberatung in asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sicherzustellen, wird der Bereichsleiter vom Justizminister bestellt und darüber hinaus mit eigener Handlungsvollmacht ausgestattet werden. Auch in der Menschenrechtsbeobachtung und bei Übersetzungs- und Dolmetscherleistungen soll die Unabhängigkeit der BBU-Geschäftsführung ausdrücklich sichergestellt werden. Zudem gibt es die Kontrolle durch einen Aufsichtsrat.

Justizminister Josef Moser (ÖVP) betont dann auch, dass die Unabhängigkeit der Rechtsberatung weiterhin Grundvoraussetzung für ein faires Verfahren sei. Durch die Zusammenführung für beide Instanzen entstünden aber auch kostenwirksame Synergieeffekte. Im Innenministerium beziffert man die mit Einsparungen von zwei Millionen für die Rechtsberatung. Ressortchef Herbert Kickl (FPÖ) sieht die Neuordnung auch als “Garant für eine objektive und realistische Rechtsberatung im Asylverfahren”.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass das System zur Betreuung von Asylwerbern vereinheitlicht werde. An raschere Verfahren glaubt Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der auch verhindert sieht, “dass jemand ungerechtfertigten Profit aus der Betreuung schlägt”.

Asyl: NGOs üben Kritik an Re-Verstaatlichung

Die erwartet scharfe Kritik an der Re-Verstaatlichung des Flüchtlingswesens kommt von Nicht-Regierungsorganisationen. Die Diakonie sieht als Ziel, eine unabhängige Rechtsberatung zu verhindern, wie sie von der evangelischen Organisation derzeit noch selbst angeboten wird. Für die Volkshilfe wird ein System geschaffen, das sich selbst kontrolliert.

Es sei nicht akzeptabel, dass es in dieser Regierung offenbar System habe, die Zivilgesellschaft und NGOs sukzessive aus dem öffentlichen Leben in Österreich auszuschließen, schreibt Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger in einer Aussendung: “NGOs wie die Volkshilfe haben langjährige Expertise in der unabhängigen Rechtsberatung. Unsere Tätigkeit trägt nicht nur zu einem fairen Prozess für Asylsuchende bei, sondern sorgt auch für besseres Verständnis und höhere Akzeptanz für schutzsuchende Menschen.”

Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser verwies auf eine hohe Zahl von Fehlentscheidungen in der ersten Asylinstanz. Wenn die rechtliche Vertretung von Asylsuchenden einer Agentur des Innenministeriums übertragen wird, wachse die Gefahr, dass fehlerhafte oder willkürliche Entscheidungen nicht mehr revidiert würden und auch dem Blick und damit der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen seien.

Seitens der Asylkoordination verwies Anny Knapp darauf, dass sich die unabhängige Rechtsberatung als notwendige Unterstützung der Flüchtlinge erwiesen habe. Dass von den künftigen Rechtsberatern eine Selektion in erfolgversprechende und weniger aussichtsreiche rechtliche Schritte erfolgen könnte, sei “eine durchaus realistische Annahme”, gibt Knapp zu bedenken.

Zweistelliger Millionen Betrag billiger

Laut dem seit dem Nachmittag vorliegenden Begutachtungsentwurf erwartet die Regierung durch die Re-Verstaatlichung der Flüchtlingsbetreuung eine beträchtliche Einsparung. Nach einem Mehraufwand in den ersten beiden Jahren soll sich 2021 schon ein Ausgabenminus von rund zwölf Millionen einstellen, ab dem Jahr darauf soll es sich bei 15 Millionen einpendeln.

Niedrigere Aufwendungen vermutet man für die Mieten und die Rechtsberatung. Mehr Geld wird für die Rückkehrberatung nötig sein. Dafür erhofft man sich eine höhere Zahl an Rückkehrern, was wieder Kosten senken würde.

Dass künftig nur noch staatliche Einrichtungen im Zuge der Asylverfahren tätig werden, ist nicht fix. Denn der Bundesagentur wird es ermöglicht, sich der Hilfe “Dritter zu bedienen, soweit sie diese Aufgabe aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht aus Eigenem im erforderlichen Umfang erfüllen kann”. In den Erläuterungen zum Gesetzestext ist von außergewöhnlich hohen Zuströmen von Schutzsuchenden die Rede. Zudem wird man auf Dolmetscher zurückgreifen können, vor allem bei seltenen Sprachen. Von der Agentur gestellt werden auch Menschenrechtsbeobachter, die Außerlandesbringungen begleiten sollen.

Agentur: Leitung von einem oder mehreren Geschäftsführern

Geleitet wird die Agentur von einem oder auch mehreren Geschäftsführern, die für bis zu fünf Jahre bestellt werden. Im Aufsichtsrat hat das Innenministerium mit sechs Vertretern die Hälfte der Mitglieder und die Leitung über. Dazu kommen je ein Repräsentant von Justiz- und Finanzressort sowie vier Belegschaftsvertreter.

Was die Rechtsberatung angeht, hat man die grundsätzlichen Vorgaben nicht geändert. Die eingesetzten Personen müssen entweder ein Jus-Studium absolviert haben, ein anderes Studium bewältigt und drei Jahre im Bereich des Fremdenrechts durchgehend gearbeitet haben oder eine mindestens fünfjährige durchgehende Tätigkeit im Bereich des Fremdenrechts innegehabt haben. Ihre Aufgabe haben sie “objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen” und die Erfolgsaussicht einer Beschwerde darzulegen.

(APA/Red)

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