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Knistern der Zeit - Trailer und Kritik zum Film

Ein Operndorf in Afrika? Wer braucht denn so was? Was nach einem der vielen verrückten Projekte des Multikünstlers Christoph Schlingensief klingt, der immer gegen die Konventionen anstürmte, wird einem nun in einem Dokumentarfilm näher gebracht. Alle Spielzeiten auf einen Blick

Für “Knistern der Zeit – Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso” begleitete Regisseurin Sibylle Dahrendorf den Künstler und den Architekten Francis Kere zwei Jahre lang bei der Verwirklichung dieser Vision, die nun über den Tod des Initiators hinauswirken soll. Am Donnerstag (11. Oktober, 19 Uhr) wird der Film, der auch schon beim steirischen herbst zu sehen war, im Wiener Akademietheater gezeigt, ab Freitag läuft er in österreichischen Kinos.

“Knistern der Zeit”: Dokumentarfilm über Schlingensiefs Operndorf

Mit Theorie hält sich die Doku erst gar nicht lang auf. Sie springt mitten hinein in die rastlose Suche des bereits schwerkranken Regisseurs nach einem Platz für sein Projekt. Was es nicht sein soll, davon erzählt Schlingensief immer wieder atemlos: Kein afrikanisches Bayreuth, wo europäische Touristen eine exotische Mischung aus Opernkultur und Stammeskultur bestaunen werden, kein Buschpendant zum Teatro Amazonas im brasilianischen Manaus. Was es dagegen werden soll, erschließt sich erst langsam: eine “soziale Plastik” im Sinne von Joseph Beuys, ein Entwicklungszusammenarbeitsprojekt mit Schule, Krankenstation und Kulturhaus, ein Ort, an dem Europäer “von Burkina Faso lernen” können.

Dass Christoph Schlingensief in dem riesigen Kontinent zunächst keinen wirklich geeigneten Ort für seine Vision zu finden scheint, wirkt kurios. Mehrere mögliche Standorte werden besichtigt – weitab jeglicher Zivilisation, fern von Strom-, Wasser- und Internetanschluss. Eine Fahrstunde außerhalb der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou findet er ein karges Plätzchen – und begeistert sich immer wieder in den höchsten Tönen dafür. Auch die Begegnungen mit den Menschen vor Ort und den Politikern des afrikanischen Landes entbehren nicht einer unfreiwilligen Komik. Die Mischung aus Umtriebigkeit und Partnerschaftlichkeit, mit denen sich der unter zunehmendem Zeitdruck an seinem Vermächtnis arbeitende Tausendsassa von den übrigen “Weißnasen” unterscheiden möchte, überfordert nicht wenige Menschen. Auch sein Projektpartner Francis Kere seufzt einmal müde in die Kamera: Christoph mache so viel Druck, dabei gehe es ohnedies rascher voran als bei allen anderen Projekten der Umgebung.

Mehr als einmal hält man im Verlauf des 106-minütigen Filmes das Operndorf-Projekt für eine Schnapsidee. Die längste Zeit gibt es außer ein paar aus Deutschland eingeflogenen Baucontainern mitten in der Savanne kaum etwas zu sehen. Doch siehe da, am Ende stehen einige Gebäude. Im Oktober 2011 wird die Schule mit einem großen Fest eingeweiht. Christoph Schlingensief hat es nicht mehr erlebt. Seine Witwe Aino Laberenz hat die Leitung des Projekts übernommen. Die Operndorfvision lebt weiter. Und man ist gespannt, was daraus wird. Davon wird in ein paar Jahren wohl die nächste Doku erzählen.

(APA)

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