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Knapp an der Zwei-Drittel-Mehrheit

Bei der Parlamentswahl in Russland kann die siegreiche (Putin-)Kreml-Partei "Einiges Russland" fast auf die Hälfte der Sitze in der Staatsduma rechnen.

Neben 117 Listenmandaten werde die Partei noch 105 oder mehr Direktmandate bekommen, teilte ein Mitarbeiter der zentralen Wahlkommission in Moskau am Montag mit. Die Duma zählt 450 Abgeordnete.

Nach Auszählung von 90 Prozent der Listenstimmen führte Einiges Russland weiterhin mit 36,8 Prozent. Für die oppositionelle Kommunistische Partei Russlands (KPRF) hätten 12,7 Prozent der Wähler gestimmt, teilte der Vorsitzende der Wahlkommission, Alexander Weschnjakow, mit. Dahinter lagen die rechtspopulistische Liberal-demokratische-Partei (LDPR) von Wladimir Schirinowski (11,8 Prozent) und die Partei Rodina (Vaterland, 9,0 Prozent). Beide gelten als Verbündete des Kremls.

Putins Partei Einiges Russland könnte Hochrechnungen zufolge nach der Wahl am Sonntag 222 der 450 Sitze erhalten, teilte am Montag die Zentrale Wahlbehörde mit. Zusammen mit den vermutlich 38 Mandaten der als Putin-treu geltenden Liberaldemokratischen Partei des Ultranationalisten Schirinowski und den 37 Sitzen der Partei Vaterland kämen die Kreml-nahen Parteien auf 297 Mandate – nur drei Sitze weniger als die Zwei-Drittel-Mehrheit von 300 Sitzen.

Die westlich liberalen Parteien scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei Jabloko von Grigori Jawlinski habe nur drei Direktmandate errungen, hieß es in der Wahlkommission.

Eine Zwei-Drittel-Mehrheit könnte den Anhängern Putins erlauben, Verfassungsänderungen vorzunehmen und etwa eine bisher in der Verfassung nicht vorgesehene dritte Amtsperiode des Präsidenten ermöglichen. Putin wird aller Voraussicht nach im März ein zweites Mal für das Präsidentenamt kandidieren.


Internationale Pressestimmen zu Russland-Wahlen

„Libération“ (Paris, linksliberal): Neuer Zar Putin
„In Russland regierte bisher ein Präsident mit eiserner Faust, jetzt hat er auch noch ein Parlament zu seinen Füßen. Was in der Duma noch schüchtern als Opposition gelten konnte, wird zu Gunsten der Partei Putins reduziert, der auf einer Welle des National-Populismus gesurft ist, die die Ängste der Gegenwart gesammelt hat. Diese Wahlen lehren, dass eine Demokratisierung weder unumkehrbar noch unwiderstehlich ist und weder die Sache einer Verfassung (aber auch nicht einer Militärinvasion) ist. Sie ist auch eine Sache der Mentalität. Doch wenn der Wohlstand zunimmt, dann kehrt sie wie ein hartnäckiger Virus zurück.“

Wirtschaftszeitung „La Tribune“ (Paris): Putin muss Versuchungen widerstehen
„Nach dieser Wahl fehlt (Präsident) Wladimir Putin nichts mehr, um sich wie ein Zar zu fühlen. Der Präsident und seine Partei haben den Wahlkampf auf die Bekämpfung der Gewalt, der Korruption und der Profiteure abgestimmt, die auf den Überresten der Monopolbetriebe der früheren UdSSR reich geworden sind. Sie werden jetzt ihre Entschlossenheit zeigen müssen, das Land reformieren zu wollen. Jetzt kann sie niemand mehr daran hindern. Sie werden auch den vielfältigen Versuchungen widerstehen müssen, die normalerweise im Schatten der Macht fern jeder Kontrolle erblühen. Es ist die Frage, ob Putin der uneigennützige Reformator ist, der Russland in die Gruppe der entwickelten Staaten führen wird.“

Wirtschaftszeitung „Les Echos“ (Paris): Die Sieger werden sich noch zeigen
„Wenn Wladimir Putin heute eine große Mehrheit hat, um gute wirtschaftliche oder schlechte Rechts-Reformen durchzusetzen, dann wird man erst in einigen Monaten feststellen, wer die wirklichen Sieger dieser Wahlen sind: die „Reformisten“, die sich um den wirtschaftlichen Fortschritt sorgen, oder die „Dekorierten“, die den Staat in willkürlicher Form verstärken wollen.“

„La Repubblica“ (Rom): Nur noch ein vager Abklatsch
„In der ’zweiten Republik’ ist der Manövrierraum für Putin gewaltig groß geworden und frei von allen Konkurrenten. Der Sieg bei der Präsidentenwahl im März ist 100 Prozent sicher, die neue Duma ist gezähmt, die Basis der Macht erscheint jetzt sehr viel kompakter. In Wirklichkeit befinden sich in der Umgebung des Präsidenten nur noch die Kollegen vom KGB. Wenn es noch alte Rechnungen zu begleichen gibt, so könnte Putin dies jetzt ohne Probleme erledigen. (…) Vom politischen Pluralismus bleiben in Russland allerdings nur noch einige vage Ähnlichkeiten.“

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