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"Klimawandel kommt schneller und umfangreicher als erwartet"

Der Klimawandel ist kein Horrorszenario lebensmüder Berufspessimisten. Er ist Realität. "Und er kommt schneller und umfangreicher als wir alle erwartet haben", warnte der deutsche Klima-Experte Prof. Wolfgang Seiler.

Dies sagte Seiler kürzlich bei einem Vortrag über die regionalen Auswirkungen der globalen Veränderungen im Alpenraum auf Einladung der „Euregio Inntal“ an der Fachhochschule Kufstein. „Es gibt keinen Königsweg! Wir alle müssen mit einem Bündel von Maßnahmen gegensteuern“, betonte er.

„Der Klimawandel ist da. Er ist unvermeidbar“, ließ der Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung am Forschungszentrum Karlsruhe keinen Zweifel. Viel zu weit fortgeschritten sei die Umweltbelastung auf unserem Planeten, zu schwerwiegend seien die Sünden, die die Menschheit als Ganzes zu verantworten habe.

Seit der letzten Eiszeit habe die Temperatur auf der Erde um etwa vier Grad Celsius zugenommen. Ein Viertel der Erwärmung sei allerdings in den letzten 120 Jahren registriert worden. Tendenz steigend. September 2006 bis Mai 2007 seien in unserem Lebensraum vorerst die wärmsten Monate seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen. Auch bei den Niederschlägen registriere die Wissenschaft deutliche Veränderungen.

„Es gibt mehr Regen im Frühjahr, und der kommt immer heftiger. Wie wir überhaupt immer mehr Extrem-Ereignisse verzeichnen“, erklärte Seiler. Parallel zur globalen Erwärmung hätten Naturkatastrophen seit dem Jahr 1960 stark zugenommen, wobei die Schäden bereits astronomische Dimensionen erreichten: Auf 250 Milliarden Dollar hätten sie sich im Jahr 2005 weltweit summiert. „Wir rechnen bis zum Jahr 2020 mit Schadenssummen von jährlich 1.000 Milliarden Dollar“, prognostizierte der Forscher.

Die Folgen des Klimawandels würden aber auch Menschenmassen in Bewegung setzen. Etwa 25 Millionen Umwelt-Flüchtlinge seien bereits im Jahr 2002 gezählt worden. „Und das werden noch viel mehr“, prophezeite Seiler: „Weil immer mehr Menschen nicht mehr ausreichend über Wasser verfügen, müssen sie zwangsläufig ihren Lebensraum verlassen.“ 7,8 Milliarden Menschen würden 2025 unseren Planeten bevölkern, 38 Prozent davon würden nicht genug Wasser haben. Die Folge sei Massenflucht. „Das wird vermutlich das Jahrhundert der modernen Völkerwanderung“, meinte der Wissenschaftler.

Der Alpenraum nehme im globalen Szenario eine besondere Stellung ein. „Diese Region ist bei Klimaveränderungen noch wesentlich empfindlicher, die Auswirkungen werden hier noch stärker spürbar sein“, warnte Seiler. Seine Prognose: Weniger, aber intensivere Schneefälle, was zu enormen Beeinträchtigung des Wintertourismus führen werde. Dafür würden die Sommer länger und trockener. „Den Sommertourismus könnte man so gesehen durchaus als Gewinner bezeichnen“, schilderte er. Wären da nicht unangenehme Hitze-Begleiterscheinungen wie vermehrte Allergien, Infektionen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden.

Für Seiler stand fest: „Der Mensch muss reagieren. So schnell und so effizient wie möglich“. Die Reduzierung der Treibhausgase sei dabei nur ein Ansatz. Die Maßnahme von heute wirkten sich jedoch maximal in 30 Jahren positiv aus. Gerade deshalb brauche es neue Anpassungsstrategien. Die größte Chance sah der Klima-Experte in der Entwicklung neuer Technologien, wo es ungeheure Potenziale gebe: Allein der Markt für erneuerbare Energien werde bis 2015 auf geschätzte 400 Milliarden Dollar explodieren. Chancen, die es langfristig zu nützen gelte. „Weitsichtige Klimapolitik ist auch die beste Wirtschaftspolitik“, sagte Seiler. Versöhnlicher Schlusssatz: „Das Klima von morgen ist die Aufgabe von heute. Wenn wir wollen, schaffen wir es!“

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