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Klaus Michael Grüber: Einer der großen Theatermagier ist tot

Klaus Michael Grüber galt als einer der großen Theatermagier seiner Generation. In der Nacht auf Montag starb der auch für Wien bedeutende Deutsche in Frankreich.

Der intellektuelle Grübler scheute im Gegensatz zu manchen seiner Regie-Kollegen die Öffentlichkeit und widmete sich statt der PR-trächtigen Intendanzen lieber grundlegenden szenischen Hinterfragungen von Stoffen des Welttheaters und der Oper. “Mein Traum vom Theater ist wahrhaftig die Ergriffenheit”, sagte Grüber einmal über seine eigene Arbeit, die für die Zuschauer nicht immer leicht zu rezipieren war und sich der leichten Unterhaltung fast gänzlich verweigerte. In der Nacht auf heute, Montag, ist Grüber nach einer schweren, rapide fortschreitenden Erkrankung in Frankreich gestorben.

In Wien inszenierte er u.a. 2003 Sophokles’ Tragödie “Ödipus in Kolonos” im Burgtheater, in Salzburg war er u.a. 1986 Uraufführungs-Regisseur von Handkes Aisychlos-Bearbeitung “Prometheus, gefesselt”. In diesem Sommer hätte Grüber die Oper “Luci mie traditrici” (“Die tödliche Blume”) von Salvatore Sciarrino bei den Salzburger Festspielen herausbringen sollen. Die Inszenierung wird nun von seiner Mitarbeiterin Ellen Hammer und der Bühnenbildnerin Rebecca Horn vollendet (Premiere: 3. August).

Am 4.6.1941 in Neckarelz geboren, studierte Grüber Schauspiel in Stuttgart und lernte danach das Regiehandwerk in den 60er Jahren als Regieassistent und Mitarbeiter bei Giorgio Strehler am Piccolo Teatro. 1967 gab er in Freiburg sein Regiedebüt mit Goldonis “Der Impresario von Smyrna”, seine erste Regie am Piccolo Teatro galt ein Jahr darauf Brechts “Der Prozess der Jeanne d’Arc zu Rouen”. 1969 wurde er von Kurt Hübner nach Bremen geholt, wo seine “Sturm”-Inszenierung große Beachtung fand und er 1971 mit “Wozzeck” erstmals auch Opernregie führte. Engagements brachten ihn u.a. ans Schauspielhaus Zürich, nach Stuttgart, Düsseldorf und Frankfurt.

Für die Berliner Schaubühne entstanden legendäre Arbeiten (1972 Horvaths “Geschichten aus dem Wiener Wald”, 1974 in den Berliner Messehallen Euripides’ “Die Bakchen”, 1977 “Winterreise” nach Hölderlin im Berliner Olympiastadion), die seinen Ruhm als intellektueller Verrätsler und Meister eindringlicher, bisweilen hermetischer Bilderwelten begründeten. Seine Kunst sei “Widerstand gegen alle zeitgemäßen Reduktionen des Menschen auf seine Oberfläche”, hob Ivan Nagel einmal bei einer Preisverleihung an Grüber hervor, in seinen Inszenierungen sei jedes Mal neu zu erfahren, was Theater sein könne.

Mit “Faust Salpêtrière” nach Goethe feierte Grüber 1975 in der Pariser Chapelle de la Salpêtrière sein Regiedebüt in Frankreich. 1984 inszenierte er als erster Deutscher an der Comedie-Française (“Berenice”), erarbeitete 1986 mit Jeanne Moreau Hermann Brochs “Die Erzählungen der Magd Zerline” – die Inszenierung gastierte auch in Wien – und widmete sich (wie bei Labiches”Die Affaire Rue de Lourcine” 1988 für die Schaubühne) eingehend der französischen Dramatik. Im Wiener Akademietheater inszenierte er 2001 “Roberto Zuccho” von Bernard-Marie Koltes, 2003 folgte “Ödipus in Kolonos” von Sophokles im Burgtheater. Auch einige seiner zahlreichen Opernregien, die er u.a. an der Oper Frankfurt (“Herzog Blaubarts Burg/Erwartung”), an der Pariser Opéra Garnier (“Die Walküre”), in Florenz (“Tannhäuser”) oder Amsterdam (“Parsifal”, “Otello”, “Aida”) absolvierte, waren in Österreich zu sehen: Bei den Salzburger Festspielen 1992 inszenierte er Janaceks “Aus einem Totenhaus”, 1999 bei den Osterfestspielen “Tristan und Isolde”. Bei den Wiener Festwochen gastierten u.a. Inszenierungen von Monteverdis “Krönung der Poppea” oder Schönbergs “Erwartung / Verklärte Nacht”, 2005 inszenierte er Janaceks “Tagebuch eines Verschollenen”.

In den vergangenen Jahren inszenierte Grüber regelmäßig am Opernhaus Zürich, wo er nach “Il ritorno d’Ulisse in patria”, “Idomeneo”, Schostakowitschs “Katerina Ismailowa” und Janáceks “Die Sache Makropulos” zuletzt Modest Mussorskijs “Boris Godunow” in Szene setzte. Bei der Inszenierung, die am 27. April Premiere hatte und von seinem langjährigen künstlerischen Weggefährten Eduardo Arroyo ausgestattet wurde, hatte Grüber die finale Revolutionsszene gestrichen. Die Inszenierung endete daher mit dem Tod des Protagonisten.

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