AA

Kirgisien: Politische Krise nach Revolution

Wenige Tage nach dem Sturz des kirgisischen Staatspräsidenten Askar Akajew zeichnet sich in der zentralasiatischen Republik jetzt ein Machtkampf in der neuen Führung ab.

Die Zentrale Wahlkommission sprach sich am Sonntag dafür aus, das vor wenigen Wochen gewählte Parlament zu bestätigen, wie ein Kommissionsmitglied mitteilte. Der Oberste Gerichtshof der früheren Sowjetrepublik hatte das neue Parlament erst am Vortag wegen Verdachts auf Wahlmanipulationen aufgelöst. Stattdessen setzte das Gericht das frühere Parlament wieder ein.

Die neu gewählte Volksvertretung tat am Sonntag im Plenarsaal zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Der Chef der Sicherheitsbehörden, Felix Kulow, betonte am Sonntag, das Ende Februar und Mitte März gewählte Ein-Kammer-Parlament habe gesetzgebende Vollmachten. Das neue Parlament wurde auch von Generalstaatsanwalt Asim Beknasarow unterstützt. Dagegen unterstützte der amtierende Regierungschef Kurmanbek Bakijew das alte, im Jahr 2000 gewählte Zwei-Kammern-Parlament.

„Wenn das alte Parlament seine Arbeit fortsetzt, kann es im Land zu einer nicht vorhersehbaren Situation kommen“, warnte der frühere Geheimdienst-Chef Kulow, der als möglicher Konkurrent Bakijews bei der Präsidentenwahl gilt. Kulow stammt wie Akajew aus dem Norden Kirgisiens und war am Donnerstag aus dem Gefängnis befreit worden.

In dem bisherigen Zwei-Kammer-Parlament sehen viele Kirgisen aus dem Süden ihre Interessen besser vertreten als in der neu gewählten Volksvertretung. Die Proteste gegen die Wahl hatten Mitte März im Süden begonnen und sich dann über das ganze Land ausgeweitet.

Auch in der dritten Nacht nach dem Umsturz blieb es in der Hauptstadt unruhig. Randalierer hätten es vor allem auf kleinere Geschäfte und Kioske abgesehen, teilte ein Polizeisprecher mit. Drei Menschen wurden in der Nacht auf Sonntag getötet, darunter mindestens ein Plünderer, wie die Polizei bestätigte. Die Sicherheitskräfte werden inzwischen von 2.000 Freiwilligen unterstützt, um weitere Plünderungen abzuwenden. Die Zahl der durch die Stadt ziehenden Jugendlichen habe sich deutlich verringert.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird in Kirgisien unterdessen Gespräche führen, um die innenpolitische Krise zu überwinden. OSZE-Generalsekretär Jan Kubis traf am Sonntag in Bischkek ein. Der slowenische Europaabgeordnete und Sondergesandte der OSZE, Alojz Peterle, rief die neue Führung zur friedlichen Beilegung von Konflikten auf. Seine Organisation könne nicht entscheiden, welches der beiden Parlamente legitim sei, sagte er. Sie wolle aber ihren Rat anbieten und werde in wenigen Tagen drei unabhängige Verfassungs- und Rechtsexperten nach Kirgisien entsenden.

Ein OSZE-Vertreter äußerte außerdem Kritik am Termin für die Präsidenten-Neuwahl. Der 26. Juni sei angesichts der innenpolitischen Differenzen im Land nicht realistisch, sagte der Leiter der OSZE-Mission in Kirgisien, Markus Müller, laut Agenturangaben. Der vor allem im usbekisch geprägten Süden Kirgisiens populäre Bakijew kündigte an, er werde zur Wahl am 26. Juni antreten. Den Termin hatte die obere Kammer des alten Parlaments verkündet.

Die von massiven Fälschungsvorwürfen überschatteten jüngsten Parlamentswahlen waren der Auslöser für landesweite Proteste gewesen. Anhänger der Opposition hatten am Donnerstag den Regierungssitz in Bischkek gestürmt. Daraufhin war Präsident Akajew zunächst nach Kasachstan und dann weiter nach Russland geflohen, wo er auch politisches Asyl erhielt, wie ein Kreml-Sprecher am Samstagabend bestätigte. In seiner Heimatstadt Kemin versammelten sich am Sonntag 700 Menschen, um gegen die Übergangsregierung zu protestieren. Rund 100 Demonstranten blockierten kurzzeitig die Straße zwischen Kemin und der 80 Kilometer weiter westlich gelegenen Hauptstadt Bischkek, der Protest löste sich aber friedlich wieder auf.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Kirgisien: Politische Krise nach Revolution
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.