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Kirchenreform - Jenseits von "Einführen" und "Abschaffen"

Im Bezug auf die Kirche wird das Wort "Reform" etwas anders verstanden.
Im Bezug auf die Kirche wird das Wort "Reform" etwas anders verstanden. ©AP
"Große Reformideen" haben manche Kommentatoren hinter einigen Aussagen von Papst Franziskus in einem jüngst veröffentlichten Interview gewittert.

Am Rande des ersten Treffens eines vom Pontifex einberufenen Kardinalsgremiums sprechen manche sogar schon von einer anstehenden Kirchenreform – auch wenn die achtköpfige Gruppe Franziskus offiziell bloß bei der Reform des vatikanischen Verwaltungsapparats, der Kurie, helfen soll.

Grenzen, was verändert werden kann

Normalerweise spricht man in der heutigen Öffentlichkeit von “Reform” anhand der Schlagwörter “Einführen” und “Abschaffen”. Und natürlich ist auch in der Kirchengeschichte schon so manches “eingeführt” und manches andere “abgeschafft” worden. Im Selbstverständnis der katholischen Kirche bestehen allerdings deutliche Grenzen dafür, was verändert werden kann und was nicht.

Glaubensinhalte gehören zum “Unveränderlichen”

So könnte kein Papst ein achtes Sakrament “einführen” oder das Bischofsamt “abschaffen”. Einfach deswegen, weil sowohl Glaubensinhalte, als auch die hierarchische Verfassung der Kirche nach eigenem Selbstverständnis zum “Unveränderlichen” gehören. In inhaltlicher Hinsicht kann es also keine “Reform” geben – selbst wenn das manche wünschen würden. Wohl aber ist dies, wie die Kirchengeschichte zeigt, in vielen anderen Bereichen möglich, und das oft auch auf ganz unerwartete und überraschende Weise. Neuerungen, Veränderungen und Renaissancen waren in der Kirchengeschichte nämlich in den wenigsten Fällen von langer Hand geplant.

Beurteilung, was dem Glauben gemäß ist

Tatsächlich prägten zwar die offiziellen Entscheidungen der Ökumenischen Konzilien – der Vollversammlungen der Bischöfe der ganzen Kirche (von griech. oikumene = der ganze Erdkreis) – von Anfang an das kirchliche Leben grundlegend. Sie setzten etwa Glaubensinhalte als verbindlich fest, verurteilten Missbräuche oder abweichende Ansichten. Die von den Konzilien verabschiedeten Dinge wurden allerdings nie einfach “eingeführt”, sondern existierten oft schon seit langem – egal ob Dreifaltigkeitsglaube, Unfehlbarkeit des Papstes oder Priesterzölibat. Die Rolle der Konzilien war eher, eine Beurteilung darüber abzugeben, was dem Glauben gemäß und der Kirche zuträglich war und was nicht.

Schock von Reformation

Das erste “Reformkonzil” im landläufigen Sinne war allerdings wohl erst das Konzil von Trient Mitte des 16. Jahrhunderts. Nach dem Schock von Reformation und Kirchenspaltung räumte diese Bischofsversammlung mit zahlreichen Fehlentwicklungen auf und führte zudem Neuerungen wie etwa Priesterseminare ein. Mehrere heute vertraute Kirchenbauelemente wie Kirchenbänke, Tabernakeln oder Beichtstühle haben ebenfalls in den tridentinischen Reformen ihren Ursprung.

Hörbare Messe in der Landessprache

Ein noch bekannteres Beispiel ist freilich das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65), das selbst zwar kaum Neuerungen verabschiedete, aber eine neue Offenheit gegenüber der nicht-christlichen Welt und anderen Konfessionen und Religionen signalisierte. Die von Papst Paul VI. anschließend eingeführte Liturgiereform, durch die nun die Messe in hörbarer Weise, meist in der Landessprache und mit Blick zum Volk zelebriert wurde, prägt allerdings bis heute stark das Image des II. Vatikanums als Reformkonzil.

“Tiefgreifende Entweltlichung der Kirche”

Doch nicht nur Konzilien, sondern auch historische Entwicklungen waren für Veränderungen in der katholischen Kirche oftmals grundlegend, wie etwa das Mailänder Toleranzedikt von 313 oder die Reformation. Auch antikirchliche Repressionen wie die Französische Revolution halfen der Kirche weiter. Sie bewirkten einen Verlust weltlicher Macht, führten aber oft auch zu einer geistlichen Wiedergeburt der Kirche. Epochen der Säkularisierung bedeuteten nämlich auch “eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößt und wieder ganz ihre weltliche Armut annimmt”, sagte Papst Benedikt XVI. im Jahr 2011 in Freiburg.

Kirche, “mit der Fähigkeit Wunden zu heilen”

Letztlich ist aus christlichem Selbstverständnis heraus nämlich immer das Evangelium der Maßstab für jegliche “Reform”. So gelten daher auch die Heiligen, besonders die Ordensgründer, als eigentliche “Reformer” der Kirche. Egal ob im Mittelalter Brigitta von Schweden oder Katharina von Siena die Päpste an ihre eigentlichen Aufgaben erinnerten, Franz von Assisi einer reich und satt gewordenen Kirche die Armut Jesu vorführte, die Predigerbrüder des Dominikus bettelnd und verkündend in den Städten umherzogen oder die straff militärisch geführten Jesuiten des Ignatius von Loyola das Christentum in die entlegensten Weltgegenden brachten – immer leiteten sie tiefgreifende Veränderungen ein, die letztlich die Gesamtkirche umwandelten. In dieser Tradition sieht sich auch Franziskus, der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri. Sein Ziel ist eine “arme” und “barmherzige” Kirche, “mit der Fähigkeit, die Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen”. (APA)

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